Hildegard Mersdorf wurde am 29. April 1934 als älteste von zwei Töchtern von Ludwig Mersdorf und Margarete (geb. Wilwerth) in Jahrmarkt geboren. Nach der Grundschule vor Ort besuchte sie bis 1948 das katholische Gymnasium „Jesuleum“ in Hatzfeld. Dort wohnte sie bei ihrer Godi, der Schwester ihrer Mutter, Katharina Reich, geb. Wilwerth. Deren Mann Franz Reich unterrichtete das Fach Chemie am Hatzfelder deutschen Gymnasium.
In der Klosterschule fühlte sich Hildegard wohl und geborgen. Sie erhielt weiterhin Klavierunterricht und wurde musikalisch sehr gefördert. Sonntags durfte sie zu ihrer großen Freude in der Messe die Orgel spielen. Rückblickend beschreibt sie diese Jahre in Hatzfeld als sehr prägend. Die Ferien verbrachte Hildegard Mersdorf natürlich in Jahrmarkt. Besonders gern erinnert sie sich daran, dass sie sonntags bereits mit neun Jahren – ihre Füße erreichten kaum die Pedale – in der Jahrmarkter Kirche die Orgel spielen und den Kirchenchor dirigieren durfte. Ihr Großvater leitete als Kantor den Chor und überließ am Sonntag seiner Enkelin das Feld.
Lehrerin aus Berufung
1948 führte Hildegards Lebensweg sie nach Temeswar auf die Pädagogische Lehrerbildungsanstalt („Päda“). Parallel dazu besuchte sie die Musikschule und belegte die Fächer Klavier, Dirigieren, Harmonielehre und Komposition. Zusätzlich nahm sie privat Klavierunterricht. Vormittags Päda, nachmittags Musikschule und dazwischen übte sie fleißig Klavier und Akkordeon. Abends wurde sie oft zu den Veranstaltungen der Temeswarer Friseurgewerkschaft gerufen. Nach dem Ende der jeweiligen Versammlung spielte sie zur Unterhaltung der Sitzungsteilnehmer Akkordeon (leichte Klassik, rumänische, deutsche und ungarische Volkslieder).
Während der Päda-Jahre leitete Hildegard Mersdorf den Schulchor, begleitete oft Gesangssolisten auf dem Klavier und Tanzgruppen auf dem Akkordeon. Auch das Choreografieren von Tänzen erlernte sie. Die Temeswarer Zeit war für sie eine besondere, eine glückliche, erfüllte und wegweisende Epoche.
Im Dienste der Landsmannschaft
Nach bestandenem Lehrerexamen trat Hildegard Mersdorf ihre erste Stelle als Lehrerin in Großscham an. Nach zwei Jahren wechselte sie nach Jahrmarkt. Bald führte sie mit den Schülern der Jahrmarkter Schule das Theaterstück (mit Orchester!) „Die Donau“ auf. Das Mammut-Projekt wurde ein Riesenerfolg! Nach Jahrzehnten noch schwärmten die Schüler, die mitgewirkt hatten, von der Sehnsucht nach der Quelle der Donau im Schwarzwald. Dass diese später Wirklichkeit wurde, gab der Erinnerung eine ganz neue Bedeutung.
Die Eheschließung mit Hans-Georg Mojem am 26 Mai1956 veranlasste sie zum Umzug nach Gertianosch, wo sie bis zu ihrer Ausreise in die Bundesrepublik (1977) Lehrerin blieb, auch als die Familie 1968 nach Temeswar umzog. In Gertianosch leistete sie eine umfangreiche, vielfältige und erfolgreiche Kulturtätigkeit, sowohl in der Schule als auch in der außerschulischen Jugendarbeit mit banatschwäbischen Tanzgruppen, vierstimmigem Chor, Theatergruppen usw. Auch mit den Schülern der Gertianoscher Schule führte sie mit großem Erfolg „Die Donau“ auf.
In Stuttgart wurde sie Lehrerin an der Wilhelm-Hauff-Schule. Auch hier entfaltete sie eine mannigfaltige kulturelle Tätigkeit mit Flötengruppen, Theaterstücken, Tänzen und Krippenspielen.
In der Zeit von Herbst 1981 bis Dezember 2016 zeichneten Hildegard und Hans-Georg Mojem für die rege, abwechslungsreiche Banater Kulturarbeit in Stuttgart verantwortlich. Während Hans-Georg Mojem als Geschäftsführer des Landesverbandes Baden-Württemberg und als Kreisvorsitzender Stuttgart der Landsmannschaft der Banater Schwaben für die Organisation von literarisch-musikalischen Veranstaltungen, von Bällen sowie für die Terminplanung und die Reservierung von Räumlichkeiten zuständig war, leitete Hildegard Mojem zunächst die Banater Tanzgruppe in Sindelfingen, anschließend die Banater Tanzgruppe (Kindertanzgruppe, Jugendtanzgruppe, Seniorentanzgruppe) und einen vierstimmigen Chor in Stuttgart. Einer der vielen Höhepunkte war ein Volkstanzwettbewerb 1984 in Pforzheim, den die Banater Tanzgruppe Sindelfingen als einzige teilnehmende Vertriebenentanzgruppe gewann. Die anderen teilnehmenden Formationen waren allesamt einheimische Gruppen aus ganz Deutschland. Alle Tanzdarbietungen waren auf hohem Niveau. Der auf Bundesebene ausgetragene Wettbewerb fand unter professionellen Bedingungen, mit fachkundigen Juroren statt. Bewertet wurden die Choreographie, die technische Ausführung der Tänze sowie die Originalität der Tracht und der Musik. Die Tänzerinnen der Banater Jugendtanzgruppe traten in Jahrmarkter Tracht auf. Zusammen mit freiwilligen Helfern hatte Hildegard Mojem die Trachten genäht, die Halstücher geknüpft, und Evi Mischon hatte diese bemalt. Sie hatte unzählige erfolgreiche Auftritte im In- und Ausland: bei landsmannschaftlichen Großveranstaltungen, bei Heimattagen, bei literarisch-musikalischen Veranstaltungen, mehrmals im Stuttgarter Landtag. Die Choreographien von Hildegard Mojem enthielten traditionelle Banater Tanzelemente in zeitgemäßer Ausprägung. Dazu immer Live-Musik mit dem Akkordeon. Auch der vierstimmige Banater Chor Stuttgart trat häufig auf, bei die jährlichen Wallfahrten nach Spaichingen auf den Dreifaltigkeitsberg, oder bei den sehr gut besuchten Maiandachten und Rosenkranzmessen in der Wallfahrtskirche St. Barbara in Stuttgart-Hofen, meistens mit Pfarrer Zillich. Hildegard Mojem leitete den Chor und spielte die Orgel. Der Verlauf dieser Messen war, wie in Jahrmarkt, gespickt mit vielen Banater Marienliedern. Hinzu kamen regelmäßige Auftritte des Chors bei den Banater Chorfestivals, bei Ausstellungseröffnungen (z.B. im Stuttgarter Rathaus), bei landsmannschaftlichen Feiern und Großereignissen, bei musikalisch-literarischen Veranstaltungen, aber auch bei Hochzeiten, Taufen und Beerdigungen. Langjährige, regelmäßige Auftritte der gesamten Banater Kulturgruppe Stuttgart fanden im „Adam-Müller-Guttenbrunn“- Altenheim in Stuttgart statt: Krippenspiele der Kinder, Auftritte der Jugendtanzgruppe, der Seniorentanzgruppe und des Chors.
Hoch betagt starb Hans-Georg Mojem im Jahr 2020. Hildegard Mojem lebt zusammen mit ihrer Tochter Henriette, die als Diplom-Bibliothekarin über 30 Jahre lang Geschäftsführerin und Kulturmanagerin des Hauses der Donauschwaben in Sindelfingen war und 2017 den Verdienstorden des Landes Baden-Württemberg erhielt. Der Sohn der Eheleute Mojem, Prof. Dr. Helmuth Mojem, leitet als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Deutschen Literaturarchiv Marbach das Cotta-Archiv und lehrt an der Eberhard-Karls-Universität in Tübingen deutsche Literatur des 19. Jahrhunderts. Ihm wurde 2001 der Ludwig-Uhland Förderpreis verliehen. Zwei Enkelkinder: Katharina Mojem, angehende Juristin in Heidelberg und Florian Mojem, Student der Kunstgeschichte und BWL an der Humboldt-Universität in Berlin sind der ganze Stolz der Großmutter.
Das Herz der ganzen Familie Mojem war stets fest an Jahrmarkt gebunden. Als Vorsitzende der HOG Jahrmarkt wünsche ich der Jubilarin ein gesegnetes, weiterhin aktives Alter im Kreise ihrer Lieben, in dankbarer Anerkennung ihrer Leistungen für unsere Gemeinschaft.