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Mit Herzblut auf die junge Generation gesetzt - Nachruf auf Manfred Engelmann

Manfred Engelmann (1956 - 2023) Foto: Stefan Lehretter

„Er war ein Perjamoscher mit Leib und Seele“, sagt der HOG-Vorsitzende Toni Enderle über Manfred Engelmann. Er war auch ein Banater Schwabe mit Leib und Seele, so wie er überhaupt alles mit viel Herzblut tat und sich immer wieder mit neuen Projekten befasste. Von 1987 bis 1991 war er Bundeskulturreferent der Landsmannschaft – eine Zeit der Wende und vieler neuer Tätigkeitsfelder in der landsmannschaftlichen Kulturarbeit. Zuletzt trat er 2019 als Referent bei der Kulturtagung in Sindelfingen in Erscheinung. Nun ist Manfred Engelmann viel zu früh Opfer einer Krebserkrankung geworden.
1956 wurde er in Perjamosch als Sohn des Lehrer-Ehepaars Anna und Franz Engelmann geboren. Seine Schullaufbahn führte ihn 1971 ans Temeswarer Lenau-Lyzeum, das er wegen Auswanderung 1973 verließ. Sein Abitur machte er in Siegen, danach studierte er in Bonn Germanistik, Geographie und Erziehungswissenschaften mit dem Abschluss als Magister Artium. Seine geplante Dissertation hatte die Mundart von Saderlach zum Thema.

Als Bundeskulturreferent der Landsmannschaft galt sein Blickpunkt stets der damals jungen Generation, seiner eigenen, die im Verband zu der Zeit kaum präsent war. Unter dem Dach der Landsmannschaft entstand der Arbeitskreis junger Banater Akademiker und Banatfreunde „BanatJA“, bei dessen Gründungstagung 1989 sich in Bonn fast 100 Banaterinnen und Banater der Nachkriegsgeneration, zum größten Teil Studenten, versammelten und mit viel Enthusiasmus zur Mitarbeit bereitfanden. Ziel der BanatJA wie auch der landsmannschaftlichen Tätigkeit des Bundeskulturreferenten war, die vielfältige banatdeutsche Kultur in der bundesdeutschen Öffentlichkeit auch jenseits von Trachten und Tänzen bekannt zu machen. Durch seinen älteren Bruder Uwe Erwin, der selbst als Lyriker in Erscheinung trat, reichte das Netzwerk von Manfred Engelmann in die Kreise der Schriftsteller im Umfeld der „Aktionsgruppe Banat“. Doch er konnte auch viele der älteren Kulturschaffenden als Referenten und Fürsprecher gewinnen – Franz Heinz, Heinrich Lauer, Walter Engel, Peter Motzan – um nur einige herauszugreifen. Neben den Literaten waren auch Musiker, bildende Künstler, Sportler und sonstige Kulturschaffende mit Banater Wurzeln nun mit im Boot der landsmannschaftlichen Kulturarbeit. 1988 brachte er gemeinsam mit Heinrich Lauer den Bildband „Banater Bilder – Land und Leute“ heraus. Er enthält neben stimmungsvollen Fotos des Banater Lebens der 1970er und 1980er Jahre Gedichte und Texte zu den Themenkreisen Erinnerung, Identität und Endzeitstimmung im Banat. Aus Anlass einer Ausstellung von Banater Künstlern im Bayerischen Staatsministerium für Arbeit und Soziales entstand 1988 ein Ausstellungskatalog. Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher übernahm die Schirmherrschaft für die 1990 erschienene Musikproduktion „Wir grüßen euch – Klänge aus dem Banat“, an der alle namhaften Gruppen der Banater Blasmusik beteiligt waren.
Seinem Heimatort Perjamosch blieb Manfred Engelmann stets verbunden. Sein Vater war der Leiter des 1977 gegründeten Hilfskomitees für Perjamosch, das die damals noch in Perjamosch lebenden Landsleute unterstützte. Zum Perjamoscher Treff 1985 entstand auf Initiative von Manfred Engelmann das „Perjamoscher Kochbuch“: eine Sammlung handgeschriebener (Familien-)Rezepte, vervielfältigt in einem Ordner. Der Erlös diente der Unterstützung von Perjamoscher Familien.

Die unerwartete Wende im Dezember 1989 war für Manfred Engelmann in seiner Doppelfunktion als Bundeskulturreferent und BanatJA-Vorsitzender eine Herausforderung, die seinen Neigungen entsprach. Er nutzte seine Netzwerke in Wirtschaft und Politik, organisierte Hilfstransporte und knüpfte Kontakte in Rumänien. An der Dokumentation zum Volksaufstand „Temeswar – Symbol der Freiheit“ (1992) war er neben Hans Vastag und György Mandics als Autor beteiligt. Das Grenzüberschreitende, die Brücken nach Rumänien, waren ihm schon davor ein Anliegen gewesen, nun bot sich dazu vielfach Gelegenheit. Im Banat entstand das rumänische Pendant der „BanatJA“, das bis heute in Arad besteht. Kulturschaffende wie Mircea Dinescu kamen als Referenten zu den BanatJA-Tagungen, Chöre und Folklore-Gruppen tauschten sich aus. Als Vermittler, Berater und Unternehmer nutzte er auch später seine Netzwerke und Kontakte und pendelte zwischen Bonn und dem Banat hin und her.
Dadurch litten die Kontakte zu den früheren Freunden etwas und so kam die Nachricht von seinem Tod überraschend.  Was bleibt, ist die Erinnerung an einen guten Freund, der mit seinem mitreißenden Engagement einiges in Bewegung gesetzt und so manche im Bewusstsein der gemeinsamen Herkunft (wieder) zusammengeführt hat. Unser Mitgefühl gilt der trauernden Familie.