zur Druckansicht

„Gut, wieder hier zu sein“

Getreu dem Motto „Sanktandres – auf europäischem Weg“ wurde auch das vielfältige Kulturprogramm gemeinsam gestaltet. Fotos: HOG Sanktandres

Johann Janzer, Vorsitzender der HOG Sanktandres, begrüßte die Gäste aus Deutschland und aus Sanktandres.

Tausende Menschen aus Deutschland, Österreich, ja sogar aus Brasilien reisten im Juni zu den Heimattagen der Banater Deutschen ins Banat. Auch die Sanktandreser gehörten zu den vielen Heimatortsgemeinschaften, die vor Ort die Identität ihrer Heimatorte ins Rampenlicht stellen wollten.
Mit Zuversicht ging die Heimatortsgemeinschaft einen besonderen Schritt und plante mit der rumänischen Gemeindeverwaltung eine gemeinsame Feier an Fronleichnam, nach dem das großen Fest in Temeswar. Die Andreser meldeten sich unter dem Motto „Sanktandres – auf europäischem Weg“, rumänisch „Sânandrei – pe calea europeană“ zu Wort. Wie früher nach dem Spruch: „Wann’s regnet und schneit, ist die Andreser Kerweih nicht mehr weit“ , waren die Andreser auch diesmal zum Feiern die „Letschte im Kulenner.“ Im Nachhinein stellten wir fest: Es war eine gute Entscheidung.
Die HOG organisierte am 8. Juni für die Andreser Landsleute eine Busfahrt von Temeswar, zirka 12 Kilometer. Eine Strecke, die viele Andreser täglich zu ihren Arbeitsplätzen hin und zurück gependelt sind. Vieles hat sich seither verändert. Sanktandres scheint wegen der vielen neu errichteten Gebäude und Fabriken an der Arader Straße näher an der Banater Hauptstadt zu liegen. Durch den großen Verkehr und die Staugefahr wirkt die Strecke andererseits wieder etwas länger.
An der „Spitz“, der Abzweigung nach links von der Nationalstraße nach Arad, stieg das Heimatgefühl der Sanktandreser im Bus kräftig an. Bereits während der Busfahrt erklang die Melodie „Ich bin ein Heidekind, ein Kind aus dem Banat.“ Dieses Lied ließ die Nostalgie hochkommen, zumal es von der ehemaligen Sanktandreser Lehrerin Theresia Feil (geborene Heidecker) getextet und von dem ehemaligen Sanktandreser Musiklehrer Werner Albert komponiert worden ist.
Bei der Ankunft in Andres hätten die Glocken im Kirchturm den Aufruf zum Hochamt in der Sankt Andreas-Kirche verkünden sollen. Die vier Glocken sind jedoch wahrscheinlich für immer verstummt. Auch die Orgel auf der Empore bringt keine Psalmen mehr zum Erklingen. Fleißige Helfer wie Barbara und Werner Hehn, Valentina und Ilie Ivan sowie Maria Noll haben dennoch vor dem Altar für die Fronleichnamsprozession einen Blumenteppich gestaltet.
Beim Ziehen des Sakristeiglöckchens ertönte das Eingangslied „Ein Haus voll Glorie schauet“, gesungen von dem Chor ehemaliger Sanktandreser, in Begleitung einer Ziehharmonika. Ein merkwürdiges Gefühl für die Kirchenbesucher. Nach vielen Jahren waren die maroden Bankreihen des Gotteshauses wieder voll besetzt. An diesem Tag fand ein überkonfessionelles Fest statt, zumal die Messe von dem griechisch-katholischen Priester George Rădulescu und dem Generalvikar des Temeswarer Bistums, Johann Dirschl, assistiert von Diözesanarchivar Dr. Claudiu Călin, zelebriert wurde. Während der heiligen Messe betete man in deutscher, rumänischer und ungarischer Sprache. An zwei Altären sang man einfühlsame Marienlieder. Die Fürbitten las unser Wahl-Andreser Manfred Ullrich aus Nürnberg. Bevor der festliche Gottesdienst mit dem römisch-katholischen Kirchenlied „Großer Gott, wir loben dich” sein Ende nahm, trat die stellvertretende HOG-Vorsitzende Barbara Hehn vor und bedankte sich beim Generalvikar für die schön gestaltete Messe. Die dankenden Worte wurden von Remo Neusatz ins Rumänische übersetzt. 
Nach dem Gottesdienst, nach vielen Begrüßungen und Händeschütteln, überquerten die Anwesenden die Hauptstraße zum Kriegerdenkmal am Rande des Dorfparks. Der HOG-Vorsitzende Johann Janzer hielt in deutscher und rumänischer Sprache eine kurze Ansprache. Er appellierte für ein friedliches Miteinander im europäischen Denken und beschwor die Macht der Liebe zur Überwindung von Trennendem. Dazu stimmte Werner Hehn auf seiner Posaune das Lied “Ich bete an die Macht der Liebe” an und die Teilnehmer sangen mit dem Chor „sing­Andres“ mit. Generalvikar Johann Dirschl betete danach mit den Anwesenden noch ein „Vater unser”. 
Johann Janzer wies auf die Gedenktafel im Rathaus hin, die an die Deportation der Sanktandreser in die Sowjetunion erinnert. Sie war im Jahr 2021 auf Initiative der Gemeinderätin Rodica Gürtler vom gesamten Gemeinderat von Sanktandres enthüllt worden. „Diese Tafel ist ein Beweis für Unrecht, aber sie ist auch ein Zeichen für Frieden und Freiheit“, sagte der Vorsitzende. Er erwähnte die über 320 Sanktandreser, die nach Russland verschleppt wurden, und von denen 32 weg von daheim unter schweren Lebensbedingungen dort gestorben sind. Zwei weitere haben die Rückfahrt nach Sanktandres nicht überlebt und vier sind kurz nach der Heimkehr verstorben. Mit großer Überzeugung richte er den Blick auf das vereinte Europa, weswegen man für das Fest das Motto „Sanktandres – auf europäischem Weg“ gewählt habe. Mit einem Blumenkranz und einem Gebet setzte man schließlich ein rührendes Zeichen des Gedenkens der Opfer der Russlanddeportation.
Nach dem Mittagessen wurden die Besucher in der Schule bereits von Direktorin Cristina-Adriana Mihai erwartet. Laut ihren Angaben besuchen über 300 Schülerinnen und Schüler derzeit die Sanktandreser Schule. Sie und der Vizebürgermeister Josef Minnich beantworteten kompetent alle Fragen der ehemaligen Schüler. Zu unserer Gruppe gehörte auch Toni Lefort, der hier einst lernte und später auch lehrte. Er erzählte von seinen Erfahrungen als Schüler und Lehrer in diesem Haus. Frau Mihai führte ihre Gäste in alle Schulklassen und weckte bei allen nostalgische Erinnerungen. Beim Erzählen von schulischen Anekdoten wurde viel gelacht. Die gut vorbereitete Direktorin bat die Gäste schließlich in ein Klassenzimmer, das alle Erwartungen übertraf. Hier lagen alte und neuere Schulkataloge neben Handarbeiten von ehemaligen Schülern. Der eine oder andere erkannte seine sogar wieder. Im Korridor der Schule waren Bilder von einst und heute angebracht. 
Der kleine Beitrag der Heimatortsgemeinschaft: Auf einer Pinnwand weist die HOG Sanktandres auf die Notwendigkeit der Zusammenarbeit hin, auf ein „Împreună“ aller Sanktandreser von früher und heute mit den europäischen Werten.
Der nächste Weg führte mit dem Bus zum katholischen Friedhof, wo am „Großen Kreuz“ ein Kranz zum Gedenken an alle verstorbenen Landsleute niedergelegt wurde.
Ab dem späten Nachmittag gab es ein großes Fest. Auf dem freien Platz hinter dem Rathaus war ein Zeltdach (genannt „Balon“) aufgebaut. Hier feierten deutsche Sanktrandreser, ausgewanderte Heimkehrer, und die heute in Sanktandres heimische Bevölkerung bei Musik und Tanz, bei Speis und Trank. Viele Rumänen hielten im Vorfeld schon Ausschau nach ehemaligen Nachbarn und Freunden, die heute aus Deutschland gekommen waren. „Gut, wieder hier zu sein – gut, euch zu sehn“ – das Lied zum Auftakt der Veranstaltung, gesungen vom Chor „singAndreser“ unter der Leitung von Heidrun Till, verdeutlicht das gemeinsame Ziel der Heimatortsgemeinschaft und der Gemeindeverwaltung. Der HOG-Vorsitzende begrüßte die weit mehr als 200 Anwesenden auf „schwowisch“, deutsch und rumänisch und bedankte sich bei der Sanktandreser Gemeindeverwaltung für die Unterstützung bei der Planung und Durchführung des Festes. Seitens der Gemeinde waren Vizebürgermeister Josef Minnich und Gemeinderätin Rodica Gürtler anwesend. Bei der Gestaltung des Programms stand uns auch Despina Neusatz zur Seite. Frau Doina Oşorheian war Ehrengast unserer Feier. Als ehemalige Lehrerin hatte sie erheblich zu den Rumänischkenntnissen des Temeswarer Bürgermeisters Dominic Fritz beigetragen.
Die Schüler der Sanktandreser Schule führten die rumänische Szenette „La şezătoare“ auf, die die Lehrerinnen Elena Iovanel und Sorina Nicolicin mit ihnen einstudiert hatten. Die Sanktandreserin Veronica Maer trug zwei ihrer Gedichte vor. Eine rumänische Folkloregruppe unter der Leitung von Lehrerein Roxana Rozovlean begeisterte das Publikum. Eine Schülerin sang die Europahymne, was vollkommen zum Konzept der Veranstaltung passte.
Am Ende des Kulturprogramms sangen die „singAndreser“ und der rumänische Chor des Ortes gemeinsam zwei Lieder: „Copilăria“ und „Die Gedanken sind frei”, in deutscher und rumänischer Sprache. Danach spielte die „Banater Blasmusik“ unter der Leitung von Franz Hoffner bis zu später Stunde zum Tanz auf.
Auf der Rückfahrt ins Hotel meinte eine Sanktandreserin aus Vaihingen an der Enz: „Dieser Tag in Andres war mehr als schön. Es war ein besonderer Tag.” Sie sprach allen aus der Seele. Und… die heutigen Ortsbewohner von Sânandrei wünschen sich jetzt schon ein baldiges Wiedersehen. Ein Wiedersehen aller Sanktandreser – auf dem europäischen Weg.