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Zusammen in der Kulturhauptstadt Europas

Blick in die vollbesetzte Oper mit den Ehrengästen (v.l.n.r.): Regina Lochner, Thomas Strobl, Dominic Fritz, Gunter Czisch, Nikolaus Rennon, Ignaz Bernhard Fischer und Richard Jäger, Vorsitzender des Landesverbandes Baden-Württemberg. Foto: Karin Bohnenschuh

Oana Eremie, Preisträgerin des Stefan-Jäger-Förderpreises Foto: Karin Bohnenschuh

Ein Höhepunkt der Heimattage der Banater Deutschen war sicherlich der Festakt in der Temeswarer Staatsoper. Welche Relevanz dieser hat, zeigten nicht nur die lange Liste der Ehrengäste, sondern auch die große Anzahl an Grußworten und die voll besetzten Zuschauerreihen.
Auf die Begrüßung des Hausherrn der Staatsoper Christian Rudic folgten die rumänische, die Banater, die deutsche und die Europahymne, bevor Dr. Johann Fernbach, Vorsitzender des Demokratischen Forums der Deutschen im Banat, den Reigen der Grußworte eröffnete. Die Moderatorin des Festaktes Astrid Weisz, Redakteurin bei Radio Temeswar, führte gekonnt durch das Programm. 
Wie prägend „Heimat“ für die Banater Schwaben sei, zeige sich durch deren tiefe Verwurzelung, denn „Heimat kann nicht aus Herz und Seele verdrängt werden“, auch wenn die Banater Schwaben viel Leid ertragen mussten. Die Entscheidung, vier Hymnen zu spielen, stehe vor für die Verbundenheit zu Rumänien, zu Deutschland, aber auch mit dem europäischen Gedanken. Auch wenn Deutschland die neue Heimat wurde, bleibe das Banat ein Sehnsuchtsort für viele. Rumänien gelte mittlerweile als zuverlässiger politischer Partner, wozu die deutsche Minderheit in Rumänien, aber auch die Ausgewanderten in Deutschland wesentlich beitrugen, betonte Dr. Johann Fernbach. 
Ein Zeichen der engen Verbundenheit und der freundschaftlichen Beziehungen zwischen dem Banat und Deutschland, aber auch dem Demokratischen Forum und der Landsmannschaft, setzten die Veranstalter mit der Entscheidung, Peter-Dietmar Leber, Vorsitzender der Landsmannschaft der Banater Schwaben, die Festgesellschaft gemeinsam mit Dr. Johann Fernbach begrüßen zu lassen. Es seien bewegende Tage, die die Banater Schwaben in Temeswar, dem Herzen des Banats, der europäischen Kulturhauptstadt, erleben und mitgestalten dürfen. „Einen wichtigen und prägenden Teil unserer Identität haben wir, die ältere Generation, im Banat erfahren. Jene mittleren oder jüngeren Alters sicherlich schon in Deutschland. Aber diese Erfahrung ist angereichert durch Erzählungen der Eltern und Großeltern in unseren Familien, Gruppen, Verbänden in unserer Landsmannschaft.“ Dies verdeutliche, schlussfolgerte Peter-Dietmar Leber, dass unsere Geschichte weitergehe, solange wir sie gestalten – jeder Einzelne und alle zusammen. 
Regina Lochner, deutsche Konsulin in Temeswar, betonte, dass Heimattage viel mehr seien als nur ein schönes Zusammensein in bunter Tracht an den Orten der Kindheit. Sie senden Botschaften aus, zeigen dass,, auch wenn es manchmal nötig sei, seine alte Heimat zu verlassen und ein neue zu finden, die alte Heimat immer noch im Herzen getragen wird, mitgenommen wird als Teil des emotionalen Gepäcks. „Ich wünsche allen Teilnehmern, dass sie aus diesen Banater Heimattagen wie aus einem Brunnen schöpfen können: schönes Erinnern und eindrückliches Erleben, Wehmut, Freude, Fröhlichkeit und Zuversicht.“
Die Grußworte der rumänischen Regierung überbrachte Präsidialberater Sergiu Nistor, der die Glückwünsche des rumänischen Staatspräsidenten Klaus Johannis und die Grüße der Präsidialverwaltung übermittelte. „Durch den Glauben, die Sprache, die Traditionen, die Kultur der Arbeit und der Solidarität haben sich die Banater Schwaben eine spezifische Identität erworben. Ihre Gemeinschaft hat ihr historisches Erbe kontinuierlich gehegt und gepflegt und ist beispielhaft für die Bedeutung, die sie der Inwertsetzung des kulturellen Erbes und seiner Weitergabe in seiner vollen Authentizität von Generation zu Generation beimisst“, betonte Nistor.
Thomas Strobl, stellvertretender Ministerpräsident und Innenminister des Landes Baden-Württemberg, bezeichnete es als Glücksfall, dass seine erste Reise ins Banat mit den Heimattagen der Deutschen im Banat während des Kulturhauptstadtjahres 2023 zusammenfielen. Dies böte ihm die Gelegenheit „unmittelbar zu erfahren und zu erspüren, wie präsent und überaus lebendig die Traditionen und die Kultur der deutschen Minderheit in Südosteuropa nach wie vor ist.“ Denn wie der Philosoph Odo Marquardt zurecht feststellte: „Zukunft braucht Herkunft.“ Strobl versicherte den Anwesenden, dass das Land Baden-Württemberg sich gerne und aus voller Überzeugung für die Banater Schwaben und deren Belange engagiere. Er zeigte sich angetan von dem kulturellen Reichtum, der Multiethnizität und dem gelebten europäischen Gedanken in Temeswar und im Banat.
Dr. Thomas Şindilariu, Unterstaatsekretär im Departement für interethnische Beziehungen, ging in seinem Grußwort auf den Begriff Heimat ein. „Heimat da zu schaffen, wo das Siebenbürgische oder Banatschwäbische uns zusammenbringt, und wohin uns das dazugehörige Kulturerbe ruft und die es tragenden Menschen gleich welcher konfessionellen oder ethnischen Zugehörigkeit zusammenkommen,“ sei eine simple und zeitgemäße Antwort auf die offensichtlich nicht enden wollenden Umbrüche aller Art in unserer globalisierten Gegenwart.
Der Temeswarer Oberbürgermeister Dominic Fritz empfand es als große Ehre, die Festgesellschaft in Temeswar, in der alten Heimat, begrüßen zu dürfen. Er betonte, dass das Erbe der Banater Schwaben immer noch ein lebendiger Teil Temeswars sei. All die Erfahrungen und die Erlebnisse haben dabei nicht nur die Vergangenheit der Stadt geprägt, sondern beeinflussen auch die Zukunft und tragen dazu bei, ein neues Verständnis für die Werte Europas zu schaffen, für das Gefühl in einer neuen Heimat zu leben und der alten verbunden zu sein. „Die Banater Schwaben haben ihre Spuren hinterlassen in unserer Stadt, das sieht man an jeder Ecke, an der Architektur, in den Institutionen, aber ganz besonders in der Banater Mentalität.“ 
Der Ulmer Oberbürgermeister Gunter Czisch begrüßte die Anwesenden im Namen der Delegation der Stadt Ulm, des Donauschwäbischen Zentralmuseums und der Gemeinderäte. Seit 25 Jahren hat die Stadt Ulm die Patenschaft über die Landsmannschaft der Banater Schwaben inne und seit 50 Jahren werden dort die Heimattage gefeiert. „Wir sind gerne Gäste hier und die besondere Gastfreundschaft und Herzlichkeit hat uns wieder betört. Und wir haben große Freude. das Banat wieder kennenzulernen und diese besondere Herzlichkeit, die Sie ausstrahlen, mit nachhause zu nehmen.“
Alin Nica, Vorsitzender des Kreisrates Temesch und ehemaliger Bürgermeister von Neubeschenowa, attestiert der deutschen Minderheit, einen wichtigen Beitrag zur rumänischen Gesellschaft beizusteuern sowie eine bedeutende Rolle bei der Umsetzung von Projekten zu spielen, die die Grundlage der Entwicklung Rumäniens seien, denn: „Durch ihre harte Arbeit und die Traditionen, die sie lebendig halten, haben die Deutschen die Kultur Europas und das Erbe der Menschheit bereichert.“ 
Ignaz Bernhard Fischer, Vorsitzender des Vereins der ehemaligen Russlanddeportierten, bot in seinem Grußwort einen kurzen historischen Rückblick, um die Schaffenskraft der Banater Schwaben zu verdeutlichen, die den Widrigkeiten getrotzt und sich eine Heimat im Banat geschaffen haben. Mit dem Demokratischen Forum und der Adam-Müller-Guttenbrunn-Stiftung seien Institutionen entstanden, die den im Banat Verbliebenen eine große Stütze sind. Hervorzuheben seien hierbei die Sozialstationen und Altenheime, die auch der älteren Generation ein sorgloses Leben bereiten. Dankbar zeigte er sich für die Entschädigungszahlungen, die Russlanddeportierte und deren Kinder seitens der rumänischen Regierung erhalten.
Der Präsident des Weltdachverbands der Donauschwaben Stefan Ihas überbrachte die Grüße des Präsidiums und zeigte sich erfreut über die Teilnahme von Landsleuten aus der ganzen Welt.
Nikolaus Rennon sprach ein Grußwort als Vorsitzender des Hilfswerks der Banater Schwaben e.V.. Sein größtes Anliegen war es, in diesem Rahmen der deutschen Regierung zu danken, mit deren finanzieller Unterstützung die Sozialstationen und Altenheime im Banat, darunter das Adam-Müller-Guttenbrunn-Haus in Temeswar, betrieben werden können. Er ließ die Zuhörer aber auch teilhaben an seinem persönlichen Empfinden, das die Heimattage in ihm auslösten. „Es wird eine Saite gezupft, die wir schon als verloren dachten, die unter dem Begriff Heimat zu finden ist und dieses Klingen werden wir mit nachhause nehmen und es wird bei vielen von uns noch sehr lange nachklingen.“
Das abschließende Grußwort richtete der Ehrengast mit der längsten Anreise an die Gäste, Rainer Mathias Leh, Vertreter der Schwaben aus Entre Rios (Brasilien). „Ich bin a Schwob aus Brasilien“, mit diesen Worten stellt sich Rainer Mathias Leh in der Regel vor, zeigt sein Gegenüber Verwunderung über seine guten Deutschkenntnisse. „Zuhause war die Geschichte und der Leidensweg meiner Großeltern ein wichtiges Thema, das, nicht nur mich, berührt hat, und dazu beigetragen hat, dass die nächste, die junge Generation in Entre Rios eine donauschwäbische Identität aufgebaut hat. Die donauschwäbische Tradition wird auch in Brasilien bewahrt und weitergegeben, worauf wir sehr stolz sind.“

Festvortrag von Ovidiu Ganţ
Den Festvortrag der diesjährigen Heimattage hielt Ovidiu Ganţ. Darin bot er kurze Einblicke in die Geschichte der Banater Schwaben und hob die wichtige Funktion der Heimattage als Ort des Austauschs und der Begegnungen hervor. Er verwies  aber auch auf die tragende Funktion des Demokratischen Forums der Deutschen im Banat. Nicht zuletzt seien die Banater Schwaben Brückenbauer, mit deren Unterstützung eine starke Verbindung ins deutschsprachige Ausland aufgebaut werden könne.
 

Goldene Ehrennadel für Martin Roos
Mit der goldenen Ehrennadel ehrt das Demokratische Forum der Deutschen im Banat Persönlichkeiten für ihr Engagement und ihr Handeln für die Banater Schwaben. Der diesjährige Preisträger ist Martin Roos, emeritierter Bischof von Temeswar, der für sein Lebenswerk ausgezeichnet wurde. Aus gesundheitlichen Gründen konnte er nicht persönlich an der Verleihung teilnehmen, stellvertretend tat dies sein letzter Sekretär, László Bakó. Die Laudatio hielt Diözesanarchivar Dr. Claudiu Călin. In den verlesenen Dankesworten des aus Knees stammenden Altbischofs  zeigte sich dieser geehrt und dankbar und wie gewohnt bescheiden. 

Stefan-Jäger-Förderpreis verliehen
Die Stefan-Jäger-Stiftung ist eine Einrichtung des Demokratischen Forums der Deutschen im Banat mit kulturellen und sozialen Zielen. „Mit dem Stefan-Jäger-Preis werden junge Menschen ausgezeichnet, die sich verdient gemacht haben, um den Erhalt und die Förderung der deutschen Sprache und der Traditionen der Deutschen im Banat“ erläuterte Benjamin Neurohr, Geschäftsführer der Stiftung. Preisträgerin für das Jahr 2022 wurde Oana Eremie, Gymnasiallehrerin für die Fächer Geschichte, Geschichte der deutschen Minderheit und Latein an der Nikolaus-Lenau-Schule und auch Tanzleiterin der Temeswar Jugendtanzgruppe „Banater Rosmarein“. Ausgezeichnet wurde sie für besondere Leistungen in der Jugendarbeit, der Förderung der deutschen Sprache und der Pflege der Traditionen. Neben der Stefan-Jäger-Medaille ist der Förderpreis mit 1500 Lei dotiert. Die Laudatio auf Oana Eremie hielt Andreea Lăpugean, selbst Preisträgerin des Jahres 2018 und Lehrerin an der Lenau-Schule. Sie hob hervor, welche Rolle die deutsche Sprache sowie die Kultur und die Traditionen der Deutschen im Banat in Oana Eremies bisherigem Werdegang spielten. Nach dem deutschsprachigen Kindergarten besuchte sie die Lenau-Schule und studierte Deutschen Sprache und Literatur. Während all dieser Zeit war sie aktives Mitglied der Tanzgruppe „Banater Rosmarein“ - zunächst in der Kindergruppe „Hänschenklein“, danach in der Jugendgruppe. Seit 2018 engagiert sie sich im Vorstand des Deutschen Forums der Banater Jugend und des Demokratischen Forums der Deutschen im Banat. Der Dank der Preisträgerin galt ihren Eltern, ihrer Grundschullehrerin Brigitte Szokob, Edith Singer, Vorsitzende des Temeswarer Deutschen Forums, Sorana Beică, ehemalige Leiterin des Jugendforums, und all ihren Kollegen des Jugendtrachtenvereins, ohne deren Enthusiasmus, alles für den Erhalt des Brauchtums, der Tracht und der banatschwäbischen Tänze zu tun, auch ihr Beitrag nicht möglich gewesen wäre.


Musikalisch umrahmt wurde der Festakt vom Salonorchester unter der Leitung von Andreas Schein, das unter anderem mit dem Duett „Mädel, ach du weißt es nicht“ gesungen von Maria Boldan und Wilfried Michl, einen Vorgeschmack bot auf die Operette „Grüß mein Temeswar“ von Emmerich Bartzer, die am 28. Oktober ihre Premiere in Temeswar feiern wird. 
Auch die Banater Musikanten Temeswar unter der Leitung von Franz Hoffner sorgten mit dem „Temeswarer Corso-Marsch“ von Isidor Frey für ein musikalisches Intermezzo.