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Aktuelle Aufgaben, Zielsetzungen und Perspektiven

Foto: Walter Tonţa

Ansprache des Bundesvorsitzenden Peter-Dietmar Leber bei der Verbandstagung in Frankenthal (Teil 2) - Suchen wir verbindende Elemente und Anknüpfung an aktuelle Entwicklungen. Die Donaustrategie zum Beispiel ist zurzeit in aller Munde. Warum versuchen wir nicht, uns hier einzubringen? Es geht um die Menschen entlang der Donau, dem Schicksalsstrom der Südostdeutschen. Wir könnten uns hier mit unserer fast dreihundertjährigen Geschichte einbringen. Ich glaube, es wäre ein Ansatzpunkt.
Wir sollten unser Wirken im Heimatgebiet für die nächste Generation interessant behalten, und da denke ich vor allem an die Kultur.

Wir sollten zudem unseren Organisationsgrad erhöhen und versuchen, die Standesorganisationen – Lehrer, Ärzte, Ingenieure, Vertreter der Wirtschaft – stärker einzubinden. Ähnlich ist es im Banat selbst. Es ist uns nicht gelungen, und ich betrachte es nach wie vor als eine wichtige Aufgabe, die dort lebenden Vertreter der deutschen Wirtschaft, Lehrer, Künstler, die Rückkehrer und die Verbliebenen zusammenzuführen, ein neues Verständnis zu entwickeln für alle, die Interesse an unserer Geschichte und Kultur haben.

Stärkere Öffnungnach außen

Wir wissen, dass die Jugend heute vor allem im Internet präsent ist, dass sie über Spaß und Freude Zugang zur Gruppe, zur Gemeinschaft, zu unserer Geschichte sucht. Versuchen wir, ein Angebot für sie bereitzuhalten.

Ich wünsche mir ein wesentlich stärkeres politisches Agieren unserer Verbandsvertreter in den Gemeinderäten, in den politischen Parteien. Wir dürfen hier auch auf die Siebenbürger Sachsen schauen, die das schon seit Jahren recht selbstbewusst und erfolgreich praktizieren. Im Herbst vergangenen Jahres ist sogar einer aus ihren Reihen zum Staatspräsidenten Rumäniens gewählt worden.

Wenn wir in die Zukunft blicken, so glaube ich, dass nicht die Herkunft allein unsere Zukunft als ehemalige und bestehende Gemeinschaft oder Landsmannschaft, als Heimatortsgemeinschaft oder Kreisverband bestimmen wird, sondern vor allem das Interesse für uns, unsere Geschichte und unsere Kultur. Unsere Aufgabe muss es sein, uns besser und stärker zu artikulieren, uns zu öffnen und auf alle zuzugehen, die sich für uns und unsere Anliegen interessieren.

Die Geschichte unserer Gemeinschaft ist eine Geschichte unserer Heimatorte, die aber in den USA nach den großen Auswanderungswellen und nach der Aussiedlung in Deutschland fortgesetzt, aber noch nicht fortgeschrieben worden ist. Suchen Sie die noch lebenden Zeitzeugen mit Kamera und Interviewleitfaden auf und halten Sie fest, was diese Leute noch berichten können. Befragen Sie aber auch junge Leute nach Ihrer Einstellung zur Heimat der Eltern und Großeltern und danach, was es für sie heißt, „Secondos“ zu sein. Dieser Begriff wurde an der Universität Regensburg geprägt, nachdem dortige Wissenschaftler festgestellt hatten, dass die Generation der schon in Deutschland geborenen Banater Schwaben, Siebenbürger Sachsen usw. bestimmte Fertigkeiten, bestimmte Kompetenzen mitbringt, die eben nur in der betreffenden Gruppe vorhanden sind und die es verdienen, entdeckt und gefördert zu werden.

Beziehungen zu den Heimatorten

Suchen Sie in den Heimatbüchern nach Jubiläen, nach Persönlichkeiten aus Ihrem Heimatort und stellen Sie Bezüge zur Situation heute her. Versuchen Sie diese Informationen über Lehrer, Pfarrer, Vereine in der Heimatgemeinde zu verbreiten. Ich habe bei meinen Besuchen im Banat oft festgestellt, und das wurde mir auch von einigen HOG-Vorsitzenden bestätigt, dass in manchen Ortschaften gezielt nach Bezügen zur Geschichte der Deutschen im Ort gesucht wird. Das Ergebnis sind Heimatstuben, Gedenktafeln, Gedenksteine bzw. -kreuze für unsere Vorfahren – von einigen Heimatortsgemeinschaften bereits errichtet, von anderen noch geplant.

Es könnten viele weitere Beipiele aktiver Betätigung angeführt werden, einige werden ja noch hier vorgetragen. Wichtig erscheint mir, dass wir bei all diesen Aktivitäten als Vorstände mit dem dazu nötigen Selbstbewusstsein auftreten. Wir sind als gewählte Vorstände Grundpfeiler unserer Gemeinschaft, Träger einer besonderen Geschichte, und es liegt allein in unserer Hand, durch unser Tun oder Unterlassen zu entscheiden, wohin wir uns begeben und bewegen. Begnügen uns wir uns mit der Rolle des sinnierenden oder stallierenden Zuschauers, den wir oft auch in unseren Reihen haben, sind wir nur Objekt der Entwicklung. Aber wir alle sind ja heute hier, weil wir mitgestalten, mitbestimmen und etwas bewegen wollen.

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Ich sage immer, die Fragen nach dem Woher und Wohin, die kommen irgendwann, bei unseren Kindern und Enkeln auch. Auch wenn für die zweite und dritte Generation der Vertriebenen die Integration im Mittelpunkt stand, auch wenn viele schnell ablegen wollten, was sie unverwechselbar gemacht hat, die Suche nach den Wurzeln bleibt hochaktuell. Wir sehen das oft in Amerika, und wie so vieles aus Amerika wird auch diese Welle zu uns überschwappen. Wir sollten sie nutzen.
„Den Menschen mit Zwang von seiner Heimat trennen, bedeutet, ihn im Geiste töten“, hatte ich eingangs aus der Charta der Heimatvertriebenen zitiert. 1950 wurde dieser Satz formuliert. Knapp 65 Jahre später können wir doch noch mit Stolz sagen, dass sich die Heimatvertriebenen eine Heimat im Geiste, eine Heimat im Herzen erhalten haben. In Ihnen, die Sie heute hier sind, lebt sie fort. Es ist schön, daran teilhaben zu dürfen.