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Unterschiedliche künstlerische Wege beschritten

Es ist mittlerweile 50 Jahre her, dass Annemarie Podlipny-Hehn ihr erstes Buch veröffentlicht hat. Die studierte Germanistin hatte ab 1964, als sie eine Stelle als Kustodin an der Kunstabteilung des Banater Museums in Temeswar antrat, die Bildende Kunst, insbesondere die Banater Malerei, zum Hauptfeld ihrer Betätigung und sich durch Ausrichtung von Ausstellungen sowie Pressebeiträge einen Namen als Kunsthistorikerin und -kritikerin gemacht. Das 1972 im Bukarester Kriterion-Verlag erschienene Buch war eine dem Schwabenmaler Stefan Jäger (1877-1962) gewidmete Monografie. Mit dem Bildband legte Annemarie Podlipny-Hehn die erste umfangreichere Gesamtpräsentation des Heimatkünstlers vor, für den sie 1967 eine Retrospektivausstellung im Banater Museum ausgerichtet hatte. Dem Jäger-Album ließ sie weitere Künstlermonografien folgen: 1975 über Franz Ferch (1900-1981), einen der bedeutendsten Gegenwartskünstler des Banats, 1987, 1999 und 2016 über den Maler und Kunstpädagogen Julius Podlipny (1898-1991), mit dem sie lange Jahre verheiratet war, 1991 über die Grafikerin und Malerin Hildegard Kremper-Fackner (1933-2004), 1995 über den Maler Oskar Szuhanek (1887-1972), zwei Jahre später über Adolf Humborg (1847-1921), einen der wenigen Banater Maler, die sich in der europäischen Kunstszene behaupten konnten, 2002 über den Bildhauer Ferdinand Gallas (1893-1949), 2018 schließlich über den Maler Josef Ferenczy (1866-1925). Neben Ausstellungskatalogen sowie zahlreichen kunstkritischen und kunstgeschichtlichen Pressebeiträgen, die in den Sammelbänden „Werte aller Zeiten“ (Kriterion Verlag Bukarest, 1998) und „Kulturspiegel. Beiträge zur Kulturlandschaft einer Vielvölkerregion“ (Cosmopolitan Art Verlag Temeswar, 2014) nachzulesen sind, veröffentlichte Annemarie Podlipny-Hehn 1984 bei Kriterion den Band „Banater Malerei vom 18. bis ins 20. Jahrhundert“, der erstmals in einer Gesamtschau einen Überblick über die Entwicklung dieses wichtigen Bereichs der bildenden Kunst im Banat bot. 

Anlässlich der Heimattage der Banater Deutschen, die Ende Mai vergangenen Jahres virtuell stattfanden, präsentierte die in Temeswar lebende Kulturschaffende drei neue Bildbände, die Adolf Humborg, Stefan Jäger und Emil Lenhardt gewidmet sind. Hinsichtlich Format, Konzeption und Gestaltung folgen sie einer einheitlichen Linie: Die Künstleralben im Format 27 x 22 Zentimeter sind zweisprachig (die Übersetzung ins Rumänische besorgte Marlen Heckmann Negrescu), sie enthalten jeweils eine kompakte Darstellung von Leben und Werk des Künstlers, eine Zeittafel, einen umfangreichen Bildteil und ein Verzeichnis der Abbildungen. Die Bände wurden mit finanzieller Unterstützung des Departements für Interethnische Beziehungen im Generalsekretariat der Regierung Rumäniens über das Demokratische Forum der Deutschen im Banat im Temeswarer Verlag Cosmopolitan Art gedruckt. 

Adolf Humborg - ein Banater Maler europäischen Formats

Bei dem Band „Adolf Humborg“ handelt es sich eigentlich um eine Neuauflage des Katalogs zu der von Annemarie Podlipny-Hehn gestalteten Ausstellung „Adolf Humborg – ein Banater Maler zwischen Biedermeier und Realismus“, die 1997 in Augsburg und Düsseldorf gezeigt wurde. Im Vergleich zu dem von Walter Engel in der Schriftenreihe der Stiftung Gerhart-Hauptmann-Haus. Deutsch-osteuropäisches Forum Düsseldorf herausgegebenen Katalog hat die Autorin den neu aufgelegten Band einerseits mit zusätzlichen Reproduktionen bereichert, andererseits etliche Schwarzweiß- durch Farbreproduktionen ersetzt.

„Adolf Humborg – ein Banater Maler europäischen Formats“ – so überschrieb Annemarie Podlipny-Hehn ihre Ausführungen zum Leben und Werk des in Orawitza geborenen Künstlers, dem es gelang, die provinzielle Enge zu überwinden und als Genremaler Anerkennung zu erlangen. Der mittellose Waisenjunge, der seine Schulausbildung unterbrechen musste und eine Kaufmannslehre in Temeswar antrat, wo er seinen ersten Zeichenunterricht bei Franz Komlossy erhielt, verfolgte mit bewundernswerter Zielstrebigkeit seinen Weg zur Malerei. Die Grundlage dafür schuf er sich mit einem Studium an der Wiener Akademie der Bildenden Künste, das er an der Münchner Kunstakademie fortsetzte und 1875 abschloss. 

Danach ließ sich Humborg als freischaffender Künstler in München nieder. Weil er bei seiner ersten Teilnahme an einer Münchner Kunstausstellung mit dem Bild „Besuch in der Klosterküche“ Erfolg hatte, wandte er sich fortan der Darstellung von Szenen aus dem Mönchsleben zu, die er mit subtilem Humor schildert. „Sein Pinsel hält die heitere, lebensbejahende Seite des Klosterlebens fest. In all diesen Bildern verdichtet sich die romantische Ironie durch die Beziehung der Realitäten des Daseins zum Biedermeierhumor. Es sind figurenreiche Kompositionen, deren einzelne Gestalten psychologisch durchleuchtet werden. Die Ausdruckskraft der Figuren, die realistische Gestaltung, die ausgefeilte Technik und nicht zuletzt die lebhafte Farbgebung und die effektvolle Lichtverteilung brachten dem Künstler reiche und wohlverdiente Anerkennung“, schreibt die Autorin. Adolf Humborg schuf eine Vielzahl von Bildern aus dem Mönchsleben, die in ihrer Art und Aussagekraft einmalig sind, und die – wie eine Internet-Recherche ergab – bis heute bei Kunstauktionen angeboten werden. 

Die dem Themenkreis des Klosterlebens zuzuordnenden Gemälde machen auch den Großteil der Reproduktionen im Bildteil des Bandes aus, der darüber hinaus weitere Themen in Humborgs Œuvre veranschaulicht: Kinder, Familienidylle, Bildnisse, Stillleben. 

„Seine Genrebilder sind keine rührseligen Sittenbilder, keine Darstellungen von Drolligkeit oder sonntäglicher Liebenswürdigkeit, sondern zeichnen sich vorwiegend durch Beschaulichkeit und durch einen hohen Grad an Realismus aus“, resümiert Annemarie Podlipny-Hehn.

Stefan Jäger: Banater Volksleben in Bildern

Im Gegensatz zu Adolf Humborg, der sich im europäischen Kontext behaupten konnte, blieb die Kunst Stefan Jägers einem gewissen Provinzialismus verhaftet. Dass darunter nicht unbedingt etwas Abwertendes zu verstehen ist, unterstrich Podlipny-Hehn in ihrem Buch über die Banater Malerei vom 18. bis ins 20. Jahrhundert: „Im Falle Jägers handelt es sich vielmehr um eine Kunst, die sich im wahrsten Sinne des Wortes auf diese Provinz, auf das Banat, bezieht, und sie tut es voll der erhabensten, aufrichtigsten Gefühle: Liebe zur Heimat, Freude an ihrer Schönheit, Achtung vor den Menschen und ihrer Arbeit, vor ihren Traditionen. Es ist eine Kunst, die tief in dem vertrauten Heimatboden und seinen Überlieferungen verwurzelt ist.“ Gerade weil sich die Banater Schwaben mit der Aussage seiner Bilder identifizieren können und darin ihr Heimatgefühl bestätigt sehen, sei Stefan Jäger der beliebteste Maler der Banater Schwaben.

In dem nun vorliegenden Band rückt Annemarie Podlipny-Hehn ausschließlich das umfangreiche Skizzenwerk des Künstlers in den Mittelpunkt. Anders als seine Ölgemälde fanden die meisterhaft ausgeführten Skizzen und Studien lange Zeit weniger Beachtung. Erst durch eine einschlägige Publikation von Karl-Hans Gross („Stefan Jäger – Skizzen, Studien und Entwürfe“, 2004) und Ausstellungen (Bakowa 1986, Ulm 2012) erlangte dieser wichtige Teil seines Œuvres höhere Bekanntheit. Bereits in ihrer Stefan-Jäger-Monografie von 1972 hatte Annemarie Podlipny-Hehn auf die Bedeutung des Skizzenmaterials hingewiesen und einige Skizzen veröffentlicht. In dem neuen Band greift sie auf ihre Ausführungen von damals zurück und präsentiert rund siebzig Skizzen aus dem Bestand des Temeswarer Kunstmuseums.

Stefan Jäger habe sich in „ein gründliches, systematisches Studium des Banater Volkslebens vertieft“. So seien auf seinen Wanderungen durch das Banat aus unmittelbarem Erleben heraus hunderte von Skizzen in Bleistift, Tusche oder Aquarell entstanden, in denen sich die Lebensweise des schwäbischen Bauern, sein Alltag und seine Feste, die Trachten und Bräuche widerspiegeln. Mit den sparsamsten künstlerischen Mitteln, mit wenigen Umrissen und Farbflächen ausgeführt, stellten diese Zeichnungen „Bruchstücke einer schwäbischen Ethnografie“ dar, schlussfolgert die Autorin. 

In ihrer Studie „Banater Volksleben in Bildern“ geht sie auf die thematische Vielfalt des Skizzenwerks ein und unterzieht einzelne Themenkreise einer näheren Betrachtung: die Skizzen zum Einwanderungsbild, die Heidelandschaft im Rhythmus der Jahreszeiten, Szenen der Arbeit des schwäbischen Bauern, der Bauernhof und das Bauernhaus, Porträtstudien, die Trachten in ihrer Vielfalt und Farbenpracht, die Feste und Bräuche in den schwäbischen Dörfern usw.

In seinen Bildern, Skizzen und Studien hat Stefan Jäger das Banater Volksleben in seinem unerschöpflichen Reichtum für die Nachwelt festgehalten. Darin liegt der besondere Wert seiner Heimatkunst begründet. Das Fazit der Autorin: „Es sind wahrheitsgetreue, mit strengster Genauigkeit und Sorgfalt ausgeführte Bilder der Wirklichkeit, die viel Wärme und Liebe, das ganze Verständnis des Malers für seine Mitmenschen ausstrahlen – eine umfassende schwäbische Trachtenschau und in Bildern gestaltete Banater Volkskunde.“

Emil Lenhardt: ein zu Unrecht vergessener Maler

„Man pflegt Emil Lenhardt gerne neben Stefan Jäger und Franz Ferch als dritten ‚Schwabenmaler‘ des Banats zu bezeichnen. Diesen Beinamen verdankt er jenen zahlreichen Bildern, in denen er mit überzeugendem Realismus Aspekte aus dem Leben der deutschen Bevölkerung des Banats darstellt.“ So beginnt Annemarie Podlipny-Hehns Aufsatz, der dem Bildband „Emil Lenhardt“ vorangestellt ist. Dennoch stehe Lenhardt – im Gegensatz zu Jäger und Ferch – „etwas abseits und zurückgezogen da, von seinen Landsleuten weniger zur Kenntnis genommen“. Die Absicht, diesen „zu Unrecht vergessenen Banater Maler“ mittels einer Monografie ins rechte Licht zu rücken, hegte die Kunsthistorikerin schon seit langem. Das Unterfangen erwies sich als mühsam, zumal schriftliche Zeugnisse über Lenhardt spärlich sind und sich die meisten seiner Bilder in Privatbesitz befinden. Dennoch ist es der Autorin gelungen, biografische Daten zusammenzutragen, diese mit Erzählungen von Zeitgenossen zu ergänzen und neben den 25 Werken, die 1986 in der Gedenkausstellung zum 100. Geburtstag des Künstlers im Banater Museum gezeigt wurden, weitere Lenhardt-Bilder ausfindig machen. Vorliegende Monografie bietet anhand von rund vierzig Reproduktionen einen Querschnitt durch das fast 50-jährige Schaffen Lenhardts. 

1886 in Sinersig geboren und in Lugosch aufgewachsen, studierte Emil Lenhardt an der Budapester Kunstakademie und an der Akademie der Schönen Künste in Wien. Einen Großteil seiner Werke schuf er in Lugosch. Nach Kriegsende übersiedelte er nach Temeswar, wo er einige Jahre als Restaurator an der Kunstabteilung des Banater Museums arbeitete (er hatte 1930 in München eine halbjährige Ausbildung zum Restaurator absolviert). Emil Lenhardt starb 1956 in Temeswar.

Annemarie Podlipny-Hehn beschreibt Lenhardt als einen introvertierten, bescheidenen, zurückgezogenen, wortkargen Menschen und einen kultivierten, feinsinnigen Künstler. Sie schildert die schwierigen Lebensumstände der Familie, die wegen des spärlichen Einkommens in bescheidenen Verhältnissen lebte. Lenhardt zog durch die Banater Dörfer und malte zumeist für wohlhabende Familien und Intellektuelle. 

Näher geht die Autorin auf die von Lenhardt bevorzugten Genres ein: die Landschaftsmalerei, das Porträt und das Stillleben. Beliebte Motive seiner Landschaftsmalerei seien das Dorf mit den Bauernhäusern, Lugosch und seine Umgebung sowie Alt-Temeswar mit seinen Randvierteln. Seine Porträts, insbesondere seine Bauernbildnisse, zeugten „in ihrer meisterhaften Zeichnung, erhabenen Farbgebung und der psychologischen Durchdringung des Dargestellten“ von hoher Malkultur. Von hohem künstlerischem Wert seien auch Lenhardts Stillleben, die Podlipny-Hehn als „wahre Kabinettstücke in der Art der holländischen Meister“ bezeichnet. 

Emil Lenhardt sei ein „Meister der Einfachheit und der Klarheit des Ausdrucks“, der es versuche, den kleinen Realitäten des Lebens „bedeutsame Wirkungen abzugewinnen“, zitiert die Autorin den Temeswarer Journalisten Gabriel Sárkány, der dem Maler in seinem „Gedenkblatt“ bescheinigte, bescheidene Motive der Natur und des Lebens mit „gediegenen künstlerischen Mitteln packend zu gestalten“. 

Annemarie Podlipny-Hehn: Adolf Humborg. Timişoara: Cosmopolitan Art, 2020. 112 Seiten

Annemarie Podlipny-Hehn: Stefan Jäger. Timişoara: Cosmopolitan Art, 2021. 95 Seiten

Annemarie Podlipny-Hehn: Emil Lenhardt. Timişoara: Cosmopolitan Art, 2021. 79 Seiten