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Der Banater Identität einen Namen gegeben

Nikolaus Berwanger (rechts) bei Ludwig Schwarz (links) in Neupetsch, mit Wilhelm Junesch (an der Schreibmaschine), damals Leiter der Kulturabteilung der NBZ, und Hans Neumann, Lehrer und Kulturheimdirektor in Neupetsch Foto: Sammlung Luzian Geier

Dreißig Jahre seit dem Tod von Nikolaus Berwanger - Die „Neue Banater Zeitung“ ist untrennbar mit dem Namen Nikolaus Berwanger verbunden. Seit 1969 war er Chefredakteur der Zeitung, die unter seiner Leitung zu einer einzigartigen Publikation der Deutschen in Rumänien wurde. Landesweit einmalig führte er das Experiment der Sonderbeilagen ein. Mit dem Arader Kurier, den Reschitzaer Nachrichten, dem Lugoscher Anzeiger und den Sonderseiten für Hatzfeld und Großsanktnikolaus gab er den regionalen Eigenarten ein Sprachrohr. Andere Seiten setzten thematische Schwerpunkte und wandten sich im Sinne eines modernen Journalismus gezielt an bestimmte Interessensgruppen: Es gab eine Frauenseite, eine Jugendseite, eine Universitäts-, eine Theater- und eine Literaturseite. Ein besonderer Schwerpunkt galt den Schülern der deutschen Abteilungen und besonders den deutschen Lyzeen, worüber regelmäßig und ausführlich berichtet wurde. Die Schülerzeitung der Temeswarer Lenauschule erschien zunächst als Beilage der NBZ („Lenau Schüler Stimmen“), bevor sie, auch unter der Ägide der NBZ-Redaktion, als „Lenauschule“ zu einer eigenen Schulpublikation wurde. Mit Sonderrubriken wurden alle möglichen Interessensgruppen bedient – medizinische Ratschläge, Tipps für Gärtner, Kleintierzüchter oder Autofahrer, Kochrezepte und sogar die Ergebnisse der deutschen Bundesliga waren in der lokalen Tageszeitung zu finden, die im Laufe der Jahre von stattlichen 16 auf zum Schluss gerade mal vier Seiten schrumpfte.

Was aus heutiger Sicht wie selbstverständlicher Lokaljournalismus anmutet, war zu der Zeit eine Gratwanderung zwischen rigiden Parteivorgaben, Pragmatismus und listigem Einfallsreichtum. Berwanger war von der Aufbruchstimmung der beginnenden Ceauşescu-Ära überzeugt und wurde im Kreis Temesch Vorsitzender des 1968 neu gegründeten Rates der Werktätigen deutscher Nationalität. Diese Position verlieh ihm über viele Jahre einen breiten Rücken, an dem zunächst vieles von dem Unbill des täglichen Parteienhickhacks abprallen konnte. Sein Anliegen war es, den Banater Schwaben in dieser neuen politischen Konstellation wieder eine Identität zu geben – und diesem widmete er sich mit leidenschaftlicher Vehemenz bis hin zur Sturheit, geleitet von der profunden Kenntnis der Mentalität und der Anliegen seiner Landsleute.

Er schaute den Schwowe nicht nur „aufs Maul“, er redete sie auch in ihrer (und seiner) „Mottersproch“ an. Eine der wichtigsten Teile der NBZ war die sonntägliche Mundartbeilage „Pipatsch“, der alsbald ein Jahresalmanach („Kulener“) folgte. Damit traf man den Nerv des Alltagslebens in den Dorfgemeinschaften. Diese durften nach den Umbrüchen und Demütigungen der Nachkriegszeit wieder ihre traditionellen Kirchweih- und Trachtenfeste feiern. Selbstverständlich wurde über diese in der NBZ ausführlich berichtet. Identitätsstiftend war auch die NBZ-Marke mit der größten Außenwirkung: der „NBZ-Pipatsch-Pokal“. Er gab der Tradition der Sportwettkämpfe zwischen den Ortschaften einen institutionellen Rahmen. Diese Marke ging – wie viele andere Initiativen – über die deutsche Leserschaft weit hinaus und strahlte auch in die Bundesrepublik aus: Noch bis vor einigen Jahren wurde das Ulmer Heimattreffen von einer ähnlichen sportlichen Pokalveranstaltung flankiert.

Es ist bezeichnend, dass die „Neue Banater Zeitung“ neben dem über-regionalen „Neuen Weg“ in Bukarest die einzige deutsche Tageszeitung in Rumänien war. Und gerade der Vergleich mit dem „Neuen Weg“ zeigt, wie geschickt der hoch professionelle Journalist Berwanger sich Freiräume zu schaffen imstande war – im „Neuen Weg“ wären Bundesligaergebnisse vorher undenkbar gewesen.

Berwanger sah sich aber nicht nur als Journalist und Politiker, sondern auch als Schriftsteller. Er schrieb vor allem Gedichte – in Banater Mundart, aber auch Hochdeutsch, und knüpfte mit diesem Impuls die Region auch an eine im deutschen Sprachraum zu der Zeit aufkommende neue Welle der Dialektliteratur an. Doch auch abseits von der Mundart konnte sich (wenn auch nur für kurze Zeit) unter seiner schützenden Hand im Temeswarer Literaturkreis „Adam Müller-Guttenbrunn“ eine wenig linienkonforme junge Dichtergeneration entfalten, die sich mit der „Aktionsgruppe Banat“ und der späteren Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller in der überregionalen deutschen Literaturszene etabliert hat.

Die Energie, die Berwanger für die Belange der Banater Schwaben einsetzte, fußte auf der Prämisse eines Weiterlebens der Gemeinschaft im Banat. Die sich stetig verschlechternde politische und wirtschaftliche Lage und die damit verbundene immer massivere Auswanderung der Schwaben in die Bundesrepublik arbeiteten mit der Zeit jedoch dagegen. Obwohl er Realist genug war, die Situation zu erkennen, kämpfte er lange dagegen an und machte sich mit dieser Haltung viele Feinde unter seinen Landsleuten. Doch auch er konnte sich schließlich nicht mehr halten. 1984 setzte er sich in die Bundesrepublik ab, konnte hier aber nicht wirklich heimisch werden. Sein Tod mit nur 54 Jahren an einem 1. April mutet wie ein schlechter Scherz des Schicksals an. Dass im selben Jahr das Ende der Ceauşescu-Diktatur anbrechen sollte, hat er wohl nicht geahnt. Der Samen, den er mit der NBZ im Banat gesät hat, lebt jedoch fort – vor einigen Wochen hat deren Nachfolgerin, die „Banater Zeitung“, die als Beilage der „Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien“ in Temeswar erscheint, auch schon ihr 25-jähriges Jubiläum gefeiert. Und die Pipatsch „blieht“ dort auch noch.