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Rückkehr an den Ort des Ursprungs

Die Sanktmartiner feierten zusammen mit ihren Gästen ein prächtiges Kirchweihfest in Gerolzhofen aus Anlass des 290-jährigen Jubiläums ihres Heimatortes . Der Festzug mit über fünfzig Trachtenpaaren wurde von den Kirchweihstraußträgern Brigitte und Waldemar Lustig angeführt. Fotos: Kulturgemeinschaft „Die Sanktmartiner“

Zur 290-Jahr-Feier ließ die Kulturgemeinschaft „Die Sanktmartiner“ eine neue Fahne anfertigen (rechts im Bild) und in der Festmesse segnen.

In einer Festmesse gedachten über 600 Sanktmartiner der Gründung ihres Heimatortes vor 290 Jahren und ihrer Vorfahren.

Am 20. Mai 1724 versammelten sich 380 Menschen auf dem Marktplatz im unterfränkischen Gerolzhofen, um den weiten Weg ins Banat anzutreten. Fast auf den Tag genau 290 Jahre später kehrten die Nachfahren der fränkischen Auswanderer von damals an den Ort des Ursprungs zurück. Mit einem prächtigen Kirchweihfest feierte die Kulturgemeinschaft „Die Sanktmartiner“ die Gründung ihres Heimatortes.

Ein prachtvoller Festzug mit über 50 Trachtenpaaren, Fahnenabordnung und Ehrengästen, angeführt von den Kirchweihstraußträgern Brigitte und Waldemar Lustig, bewegte sich zu den Klängen der „Original Banater Dorfmusikanten“ vom Schulzentrum zur Pfarrkirche am Marktplatz, dem sogenannten Steigerwalddom. Zahlreiche Trachtenpaare in Sanktmartiner Tracht nahmen teil, ebenso Trachtenpaare der Kreisverbände München und Würzburg. Aber auch eine Abordnung der Deutschen aus Elek, dem Nachbarort im heutigen Ungarn, war dabei sowie Paare in fränkischer Tracht von der Volkstanzgruppe Gerolzhofen und Umland. Zur Kirche getragen wurde eine neue Fahne, die nach dem Vorbild der Fahne der Vereine in Sanktmartin angefertigt wurde. Sie zeigt den Namenspatron des Ortes, den Heiligen Martin, und – in Bezug auf die Herkunft der Siedler aus Franken – das historische Motto „Sanctum Francorum“ (Heiliges Frankenreich).

Gesegnet wurde die neue Fahne in der  Festmesse, die von Pfarrer Stefan May aus Gerolzhofen und Heimatpfarrer Adam Possmayer zelebriert und vom Kirchenchor „Maria im Rosenkranz“ musikalisch umrahmt wurde. Pfarrer Possmayer stellte in seiner Predigt die Frage, was wohl der Pfarrer, der vor 290 Jahren den Abschiedsgottesdienst hielt, den Auswanderern mit auf den Weg gegeben habe – vielleicht auch die Abschiedsworte Jesu: „Bleibt in meiner Liebe“. Auswanderer und Vertriebene wüssten, so Pfarrer Possmayer, dass jeder Mensch einen Schatz in sich trage, der unabhängig ist von Besitz.

In der großen Sporthalle des Schulzentrums trafen sich nach dem Gottesdienst die über 600 Gäste, um Kirchweih zu feiern. Der Vorsitzende der Kulturgemeinschaft „Die Sanktmartiner“, Bernhard Fackelmann, erinnerte in seiner Ansprache daran, dass die Auswanderer vor 290 Jahren keine Abenteurer gewesen seien, sondern diesen großen Schritt gewagt hätten, um für ihre Nachkommen ein besseres Leben aufzubauen. Sanktmartin gehöre zu den ersten deutschen Dörfern des Banats, so Fackelmann. „Wir waren die Pioniere des Banats. Darauf können wir stolz sein.“ Stolz sein könne man auch auf die fränkische Abstammung, so Fackelmann weiter. Fackelmann hatte im Rahmen intensiver Forschung herausgefunden, dass die Sanktmartiner Siedler vor allem aus Unterfranken stammen und von Gerolzhofen aus losgezogen waren. Er betonte die hervorragende Zusammenarbeit mit der Stadt Gerolzhofen und die tatkräftige Unterstützung bei der Vorbereitung der Kirchweih, ohne die diese Großveranstaltung gar nicht möglich gewesen wäre. Mit einem Zitat von Willy Brandt stellte er voller Freude fest: „Hier wächst zusammen, was zusammen gehört.“

Die Ehrengäste aus Franken werden diese Botschaft sicher mit Wohlwollen vernommen haben. Der Einladung gefolgt waren der Gerolzhöfer Bürgermeister Thorsten Wozniak, seine Stellvertreter Erich Servatius und Markus Reuss, außerdem mehrere Stadträte sowie die Landtagsabgeordneten Dr. Otto Hühnerkopf und Otto Felbiger. Zur Kirchweih gekommen waren auch der Präsident des unterfränkischen Bezirkstages, Dr. Erwin Dotzel, der Landrat des Landkreises Schweinfurt, Florian Töpper, die Landrätin des Landkreises Kitzingen, Tamara Bischoff, und der Bürgermeister der ungarischen Partnerstadt Elek, László Pluhár.

Bürgermeister Thorsten Wozniak zollte den Auswanderern seinen Respekt als „Brückenbauer Europas“. Dass einer der Brückenköpfe nun auch in Gerolzhofen steht, freute das Stadtoberhaupt besonders: „Ich finde es toll, dass Sie in Gerolzhofen ein Stück Heimat wiedergefunden haben und ich kann Ihnen versichern: Sie sind hier immer herzlich willkommen.“ Die Bereitschaft der Banater Schwaben zur Völkerverständigung würdigten an diesem Nachmittag alle Redner – gerade im Hinblick auf die Europawahl.

„In Gerolzhofen wird heute auch Banater Geschichte geschrieben. Sie wird fortgeschrieben“, stellte der Bundesvorsitzende der Landsmannschaft, Peter-Dietmar Leber, fest. Er bestätigte den Sanktmartinern, Pioniere zu sein – und das gleich in doppelter Hinsicht. Zum einen hätten ihre Vorfahren zu den ersten deutschen Siedlern im Banat gehört, zum anderen sei
Gerolzhofen die erste Gemeinde in Bayern, die als Ausgangspunkt und Abstammungsort wiederentdeckt worden sei. „Der Kreis schließt sich“, so Leber. „Die Pioniere des 18. Jahrhunderts sind zu Pionieren des 21. Jahrhunderts geworden. Glückwunsch dazu!“

Als Abschluss des offiziellen Programms eröffnete Bernhard Fackelmann die Ausstellung „290 Jahre Sanktmartin“, die er selbst mit sehr viel Engagement, Zeitaufwand und Sachkenntnis zusammengetragen hat. Sie zeigt Originaldokumente aus der Gründungszeit, Heirats- und Sterbeurkunden und vor allem Hunderte von Fotos, die insbesondere das Alltagsleben in Sanktmartin dokumentieren. Die Ausstellung stieß auf lebhaftes Interesse; den ganzen Abend standen Gäste vor den Fotowänden. Die Gäste aus Franken staunten vor allem über die nach dem Schweineschlachten gut gefüllten Räucherkammern, die auf den Fotos ebenfalls zu sehen waren.

Zu einer Banater Kirchweih gehören natürlich auch Tanz, Musik und gute Laune. Als erstes gehörte die Tanzfläche den Trachtenpaaren, danach spielte die beliebte Gruppe „Trend – die Band“ mit ihrer Frontfrau Anita Merle für die Gäste auf, die sich noch bis tief in die Nacht hinein prächtig unterhielten und das Tanzbein schwangen.