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Es ist wichtig, einen Ort des Gedenkens zu haben

Seit 1974 ist das Auswandererdenkmal am Donauufer in Ulm für die Banater Schwaben zentraler Ort des Gedenkens als Gruppe. Auch zur diesjährigen Gedenkstunde versammelten sich hier viele Landsleute und Gäste.

Ehrenbundesvorsitzender Bernhard Krastl hielt die Gedenkansprache am Auswandererdenkmal. Fotos: Oleg Kuchar

Auszüge aus der Gedenkansprache des Ehrenbundesvorsitzenden Bernhard Krastl am Auswandererdenkmal

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Czisch, lieber Bundesvorsitzender  Leber, liebe Mitglieder des Bundesvorstandes, liebe Ehrengäste aus dem Banat, liebe Banater Landsleute aus nah und fern, liebe Trachtenträger –Ihnen allen ein herzliches Willkommen!

Seit Jahrzehnten kommen wir, die Aussiedler und Spätaussiedler aus dem Banat, hierher an die Donau. Die Stadt Ulm, dieses Ufer und das Auswandererdenkmal sind für die Banater Schwaben zum zentralen Ort des Gedenkens als Gruppe geworden.

Dieses Denkmal wurde am 9. August 1958 zur Erinnerung an die Auswanderung nach Südosteuropa im 18. Jahrhundert sowie an Flucht und Vertreibung der Jahre 1944/1945 aufgestellt und eingeweiht. Seit nunmehr sechzig Jahren ist es das zentrale Denkmal in der für die Auswanderer symbolhaften Stadt Ulm. Seit dem Jahr 1962 heißt dieses Ufer vor dem Denkmal offiziell Donauschwabenufer.

Das kollektive Erinnern an dieser für die Deutschen aus dem Südosten Europas schicksalshaften Stelle ist zu einer der wertvollsten Traditionen unserer Gemeinschaft in Deutschland geworden, und im historischen Rückblick sehen viele Landsleute diesen Platz als den Sammelpunkt unserer Vorfahren für ihre große, schwere, aber hoffnungsvolle Fahrt ins Ungewisse, für ihre Ausreise in eine andere, eine fremde Welt, die sie als Heimat gewinnen wollten.

Sie alle gingen nicht als Eroberer oder Besatzer nach Südosteuropa. Das Haus Habsburg hatte sie gerufen, um einen Landstrich urbar zu machen, ihn zu bewirtschaften und für den Unterhalt der hier stationierten Truppen zu sorgen. Sie haben eine neue Heimat im Banat gefunden, sie mit viel Fleiß und Mut und vielen Opfern aufgebaut und erfolgreich gewirtschaftet.

Dreihundert Jahre später stehen wir hier als Aussiedler oder Spätaussiedler, zurückgekommen in die Landstriche, aus denen unsere Vorfahren ausgewandert waren. Die Folgen des Zweiten Weltkriegs, die Russlanddeportation, Enteignung und Entrechtung sowie die Bărăgandeportation waren einschneidende Ereignisse, die das Weggehen aus dem Banat auslösten. Zurückgekommen in das Land der Väter, mit nicht viel mehr als diejenigen, die damals von hier vor fast dreihundert Jahren weggegangen waren. Alles, was man mitnehmen durfte, passte in Kisten, und die wurden noch akribisch von rumänischen Zöllnern gefilzt.

Vorher wurden von den Agenten und Strohmännern des Ceaușescu-Regimes Schmier- und Erpressungsgelder eingesammelt, ein System, das viele Familien zwang, mit einem Schuldenberg in der neuen Heimat neu anzufangen. Jede Banater Familie hat auf diesem Gebiet eine eigene Geschichte, eigene Erfahrungen. Aber allen gemeinsam ist das Trauma der Aussiedlung, das mit dem Heimatverlust zusammenhängt und das nur die verstehen, die so etwas miterlebt haben.

Viele von uns, auch in der Führung der Landsmannschaft, haben es vermutet, aber erst als Dr. Heinz Günther Hüsch, der Verhandlungsführer der Bundesregierung in Sachen Freikauf der Deutschen aus Rumänien von 1968 bis 1989, vor einigen Jahren an die Öffentlichkeit trat, hatten wir Gewissheit: Um uns wurde gefeilscht wie um eine Viehherde auf dem Markt. Sklavenhandel im 20. Jahrhundert!

Im „Banater Schwabenlied“ unseres Schriftstellers Adam Müller-Guttenbrunn heißt es: „Von deutscher Erde sind wir abgeglitten / auf diese Insel weit im Völkermeer. / Doch wo des Schwaben Pflug das Land durchschnitten, / wird deutsch die Erde, und er weicht nicht mehr.“ Müller-Guttenbrunn hat sich geirrt. Wir mussten das Banat verlassen und dieser Landstrich ist nicht mehr deutsch.

Liebe Landsleute, die Stadt Ulm und das Land Baden-Württemberg haben 1998, vor zwanzig Jahren, die Patenschaft für die Landsmannschaft der Banater Schwaben übernommen. Der damalige Ministerpräsident des Saarlandes Oskar Lafontaine hatte anlässlich der Feier zum 30-jährigen Jubiläum der Patenschaft des Saarlandes für die Banater Schwaben dem damaligen Bundesvorsitzenden Jakob Laub mitteilen lassen, dass kein Interesse mehr an der Weiterführung dieser Patenschaft bestehe und wir uns einen neuen Paten suchen sollten. Das Land Baden-Württemberg unter dem damaligen Ministerpräsidenten Erwin Teufel und die Stadt Ulm unter dem damaligen Oberbürgermeister Ivo Gönner haben diese Patenschaft übernommen und ich bin der Meinung, wir hätten keine besseren Paten finden können.

Für uns, die wir unserer Heimat beraubt wurden, ist es wichtig, zentral solche Orte zu haben, ein Stück Heimat, wo wir sagen können: Da gehören wir hin. Wir sind nach Deutschland gekommen, weil wir dazugehören, weil wir Teil der deutschen Nation sein wollten und wir uns hier mit unseren Eigenheiten einbringen wollten.

Von Theodor Heuss, dem ersten Bundespräsidenten der Bundesrepublik Deutschland, stammt die Aussage: „Europa ist auf drei Hügeln aufgebaut, auf der Akropolis in Athen, auf dem Kapitol in Rom und auf Golgotha.“ Die Akropolis steht für die griechische Philosophie, das Kapitol für das römische Recht, der Golgo-tha- Hügel für das Christentum. Diese drei Elemente sind konstitutiv für Europa. Wie die griechische Philosophie und das römische Recht, so gehört auch das Christentum zu Europa. Anders ausgedrückt: Ohne das christliche Erbe, ohne die christlichen Werte, ohne die christliche Geistes- und Kulturgeschichte wäre Europa nicht das, was es ist.

Das Grundgesetz ist für uns Banater Schwaben bindend und Verpflichtung. Wenn man sagt, man wolle dazugehören – modern heißt das Integration –, dann muss man meiner Meinung nach zu den Werten stehen, die diese Gesellschaft ausmachen. Integration ist eine Bringschuld derer, die hierherkommen und zu dieser Gesellschaft gehören wollen. Integration muss von innen kommen und kann nicht von außen aufgezwungen werden.

In der Charta der deutschen Heimatvertrieben haben die Flüchtlinge und Vertriebenen schon 1950 auf Rache und Vergeltung verzichtet, zur Beteiligung am Wiederaufbau Deutschlands und zur Schaffung
eines geeinten Europas aufgerufen. Die Heimatvertriebenen, Aussiedler und Spätaussiedler und ihre Verbände, darunter auch unsere Landsmannschaft, haben Wort gehalten.

Liebe Landsleute, die Beziehungen zum Banat und auch zu Rumänien sind vorbildhaft und besonders zu unseren in der alten Heimat verbliebenen Landsleuten sind die Kontakte intensiv und freundschaftlich. Ausdruck dieser Freundschaft ist nicht nur das Einbringen in die sozialen Einrichtungen des Hilfswerks der Banater Schwaben, es sind auch die Kirchweihfeste, Jubiläumsfeiern der Heimatsortsgemeinschaften, Wallfahrten nach Maria Radna, Klassentreffen usw. Wir sind Europäer und freuen uns über das Reisen ohne Schlagbäume. Deshalb stehen wir für ein Europa der Menschen, die oft vergessen oder als Verfügungsmasse behandelt werden.

Das heute immer wieder geforderte Abwerben gut ausgebildeter Fachkräfte in allen Bereichen führt zu
einem intellektuellen Ausbluten der ost- und südosteuropäischen Länder, die sich nicht dagegen wehren können. Was uns fehlt, ist eine Europäische Sozialcharta, die für gleiche
Lebensbedingungen in allen EU-Ländern sorgt und solchen Auswüchsen vorbeugt. Wenn man Fachkräfte braucht, muss man vor der eigenen Tür kehren, das heißt die eigenen Schulsysteme entsprechend ausbauen und neben dem Fördern auch fordern.

Liebe Landsleute, ich möchte zum Schluss noch einige Worte zu unserer Integration hinzufügen. Unser Landsmann Prof. Dr. Anton Sterbling, der sich intensiv mit diesem Thema befasst hat, vertritt die Meinung, dass die soziale Integration der Banater Schwaben in der Bundesrepublik Deutschland als weitgehend gelungen – ja, geradezu als mustergültig – angesehen werden könne.

Laut Sterbling lasse sich die erfolgreiche Integration sowohl an objektiven Lebensgegebenheiten ablesen, insbesondere an einer guten beruflichen und wirtschaftlichen Eingliederung, an einem sichtlichen Wohlstand oder auch an überdurchschnittlichen Schul- und Bildungsergebnissen der Aussiedlerkinder der ersten und zweiten Generation. Ebenso lasse sie sich unter subjektiven Gesichtspunkten wie der Zufriedenheit mit der gesellschaftlichen Aufnahme und materiellen Lebenslage, der sozialen Integration und der weitgehenden Identifikation mit der deutschen Gesellschaft sowie der Loyalität dieser gegenüber ausdrücklich feststellen.

Welches waren die spezifischen Voraussetzungen, welches die besonderen Aufnahmebedingungen der Banater Schwaben? Wir folgen hier Sterblings Ausführungen.

Die aus dem Banat stammenden deutschen Aussiedler brachten zumeist eine hohe Leistungsbereitschaft, eine solide Schulbildung und vielfach gute berufliche Qualifikationen mit. Hinzu kamen in den meisten Fällen gute deutsche Sprachkenntnisse, viele kulturelle und sozialmoralische Gemeinsamkeiten – zumindest mit eher konservativ orientierten Teilen der bundesdeutschen Bevölkerung – sowie eine starke Identifikation der Aussiedler mit Deutschland und eine hohe Loyalitätsbereitschaft dem freiheitlich-demokratischen deutschen Staat gegenüber.

Diese vorteilhaften Voraussetzungen trafen in der Bundesrepublik Deutschland auf ebenso günstige Aufnahmebedingungen: Eine bevorzugte Bewegung der Aussiedlerströme in wirtschaftsstrukturell dynamische Gebiete, insbesondere Bayerns und Baden-Württembergs, in denen ohnehin bereits häufig Familienangehörige, Verwandte oder Landsleute lebten, ermöglichten zumeist eine rasche „lebensweltliche“ Anpassung und berufliche Integration.

Auch der verbandförmigen landsmannschaftlichen Organisation kam bei der erfolgreich verlaufenen Integration eine erhebliche Bedeutung zu. Die landsmannschaftlichen Organisationsstrukturen stellen sich als ein in geeigneter Weise differenziertes und effizient zusammenwirkendes integrationsförderliches Gefüge dar. Die Landsmannschaft und ihre Untergliederungen verfügen über verschiedene Kommunikationsmedien und soziale Netzwerke. Sie unterstützten und unterstützen gezielt die Eingliederungsprozesse und Interessen der Landsleute. Zudem sind sie Träger vielfältiger kultureller Aktivitäten – nicht zuletzt im Hinblick auf historische Erinnerungsarbeit und Heimatkulturpflege, aber auch hinsichtlich gegenwärtiger kultureller und sonstiger Kontakte zur alten Heimat – und ebenso Initiatoren geselliger und anderer Freizeitveranstaltungen.

Liebe Landsleute, unterstützen Sie weiter die Arbeit unserer Landsmannschaft durch Ihre aktive Teilnahme an unseren Veranstaltungen und Treffen! Danke für Ihre Aufmerksamkeit.