zur Druckansicht

Bundeskanzler Helmut Kohl zum Gedenken

Altkanzler Helmut Kohl starb am 16. Juni im Alter von 87 Jahren.

Die Deutschen, die Rumänien zwischen 1968 und 1989 verlassen konnten und in der Bundesrepublik eine neue Heimat fanden, aber auch die Deutschen, die darnach auswanderten, sowie diejenigen, die in Rumänien verblieben sind, schulden dem verstorbenen deutschen Bundeskanzler Helmut Kohl ein ehrendes Gedenken und große Dankbarkeit.

Seit dem Ende des letzten Krieges, insbesondere aber in den Jahren 1968 bis 1989, hatte die Bundesrepublik Deutschland umfangreich daran gearbeitet und Erhebliches dafür getan, den unter dem kommunistischen Regime in Rumänien leidenden Deutschen den Weg in die Freiheit zu bahnen und ihnen zu einer neuen Heimat im freien Teil Deutschlands zu verhelfen. Darüber hinaus war die Bundesrepublik bemüht, die Lebensbedingungen der Deutschen, die in Rumänien verbleiben wollten oder mussten, zu erleichtern. Nach der politischen Wende in Rumänien hielt sie ihre Grenzen für alle offen, in die Bundesrepublik umzusiedeln.

Helmut Kohl hatte an allen Bemühungen großen, ja entscheidenden Anteil. Nur wenig war darüber bekannt geworden, weil die rumänische Regierung strikte Geheimhaltung zur Bedingung gemacht hatte. Einige Fakten kamen erst nach mehr als 30 Jahren an die Öffentlichkeit. Darüber wurde in Filmen, Fernsehsendungen, Zeitungen und Büchern berichtet und geschrieben. Helmut Kohl hatte auch weiterhin geschwiegen. Es lag ihm nicht, sich mit dem zu rühmen, was er für die Banater Schwaben, die Siebenbürger Sachsen, die Sathmarer Schwaben und die Berglanddeutschen politisch geleistet hatte.

Helmut Kohl hatte noch vor seiner 1982 beginnenden Kanzlerschaft als Vorsitzender der CDU und als
Oppositionsführer im Deutschen Bundestag darauf hingewirkt, die unter Kanzler Kurt Georg Kiesinger
begonnene Aktion unter dem Decknamen „Kanal“ und unter der offiziellen Bezeichnung „Familienzusammenführung Rumänien“ fortzusetzen. Er war der festen Überzeugung, dass den von den Folgen des Krieges schwer getroffenen und unter der Diktatur in Rumänien besonders leidenden Deutschen geholfen werden müsse. Das waren sein geschichtliches Verständnis, sein humanitäres Anliegen und sein politischer Wille.

Nur wenige Wochen nach dem Beginn seiner Kanzlerschaft ließ er sich umfangreich berichten und griff in den Ablauf der Ereignisse immer wieder gestaltend ein. Er suchte Rat und verständigte sich mit den Entscheidungsträgern, namentlich mit Vizekanzler und Bundesaußenminister Hans Dietrich Genscher, dem Chef des Kanzleramtes Wolfgang Schäuble, mit Innenminister Friedrich Zimmermann, mit seinem Berater Horst Teltschik und ungezählte Male auch mit dem beauftragten alleinigen Verhandlungsführer Heinz Günther Hüsch. Er tat dies in seiner unnachahmlichen direkten und offenen Weise. So entstanden ein vertrauensvolles politisches Klima und eine bemerkenswerte Klarheit für diejenigen, die seine Aufträge aus-zuführen hatten. In seiner Amtszeit gab es keinerlei Streit darüber, dass den Deutschen in Rumänien nach Kräften geholfen werden sollte. Dem dienten die diplomatischen und politischen Beziehungen, ganz besonders aber der geheime „Kanal“, über den mehr als 225000 Deutschen aus Rumänien Freiheit und Zukunft verschafft wurden. Bedenkenträgern trat Bundeskanzler Kohl entgegen und verwies sie in ihre Schranken. Auch er übersah nicht, dass vieles von dem, was Deutsche in Rumänien in Jahrhunderten geschaffen hatten, durch deren Weggang nun gefährdet war. Ihm war jedoch wichtiger, den Menschen in ihrem eigenen, ganz persönlichen Leben zu helfen. Er suchte nach Möglichkeiten, denen, die in Rumänien freiwillig oder gezwungenermaßen verblieben, Hilfen zukommen zu lassen. Ganz besonders, als sich 1987/1988 die wirtschaftliche Lage Rumäniens dramatisch verschlechterte. Schon zuvor hatte er über Jahre hin darauf drängen lassen, Härtefälle schnell zu lösen und soziale und kulturelle Hilfen anzubieten. Nun aber war er bereit, umfangreich zu helfen. Der Verhandlungsführer brauche sich keine Sorge um die Bereitstellung umfangreicher finanzieller Mittel machen, ließ er ihn deutlich wissen. Das Geld dazu werde er beschaffen.

Angebotene und geheim zu haltende Vereinbarungen scheiterten jedoch am rüden Nein, das Ceauşescu anordnete und persönlich aussprach, obwohl auch er die Dramatik der Lage in Rumänien kannte. Er verlangte von seinem eigenen Volk unzumutbare Opfer und ließ es darben. Den Kanzler der Deutschen verdächtigte er, eine internationale Herabwürdigung Rumäniens zu betreiben. Das Gegenteil war der Fall. Als Rumänien seine Zahlungsunfähigkeit erklärte, war es die Bundesrepublik, die sofort politisch und wirtschaftlich geholfen hatte. Trotz Schwierigkeiten in der bedrängten deutschen Textilindustrie gab es umfangreiche Exportkontingente zu Gunsten Rumäniens. Es gibt weit mehr Ereignisse und Vorgänge, bei denen die Bundesrepublik Rumänien beigestanden ist – immer in der Sorge um die Deutschen in Rumänien und in dem Willen, ein für die Ausreiseverhandlungen günstiges Klima zu schaffen – selbst auf die Gefahr hin, das damalige politische System Rumäniens zu stabilisieren.

So wies Kanzler Helmut Kohl die politische Richtung. Hardlinern, die eine kraftvolle politische und ideologische Auseinandersetzung suchten, folgte er nicht. Alle Maßnahmen sollten so gesteuert werden, dass die Interessen der Deutschen in Rumänien nicht gefährdet wurden. Selbst dann nicht, wenn die rumänischen Verhandler neue und oftmals unangemessene Forderungen trotz bestehender Vereinbarungen öfters strikt verlangend und fast erpresserisch stellten. Rumänien sollte „sein Gesicht nicht verlieren“. Obwohl unter den freiheitlichen westlichen Ländern abgesprochen war, den rumänischen Staats- und Parteichef Ceauşescu nicht mehr durch hochrangige Besuche aufzuwerten, war Kanzler Kohl zu einer Verletzung der Absprachen und zu einer Reise nach Bukarest bereit, wenn dadurch die Zahl der Ausreisen hätte erhöht werden können und den in Rumänien verbleibenden Deutschen hätte geholfen werden können. Für dieses Ziel riskierte er den Unwillen west-licher Freunde. Aber auch dieser Versuch scheiterte an dem harten Nein des rumänischen Diktators.

Dennoch gab Helmut Kohl nicht nach. Er blieb dabei, nach Kräften für die Rechte und die Hoffnungen der Deutschen in Rumänien einzutreten und darüber hinaus auch der ungarischen Minderheit beizustehen, worum er von Ungarn gebeten worden war. Während sich im Dezember 1989 die Ereignisse in Rumänien überstürzten, war Helmut Kohl um das Schicksal der Deutschen in Rumänien besorgt. Er hielt daran fest, ihnen auch künftig zu helfen. Als sich dann Rumäniens Grenzen öffneten und mehr als 120000 Deutsche aus Rumänen in die Bundesrepublik drängten, waren sie willkommen. Es folgten der Freundschaftsvertrag mit Rumänien – nunmehr mit dem wiedervereinigten Deutschland – und die nun schon über Jahrzehnte andauernden deutschen Hilfen. Dank nicht zuletzt der Europapolitik Helmut Kohls sind Deutschland und Rumänien wieder Freunde geworden. Dass es so bleibt, sollte unser politischer Dank an den großen Deutschen und großen Europäer, den Freund der Deutschen aus und in Rumänien, sein: unser Dank an Helmut Kohl.

***
Bundesvorsitzender Peter-Dietmar Leber würdigte Helmut Kohl als einen deutschen Patrioten und großen Europäer. Beim Erreichen der staatlichen Einheit Deutschlands habe er sich unschätzbare und bleibende Verdienste erworben. „Andere sahen die Probleme, er sah die einmalige Chance und ergriff sie“, sagte der Bundesvorsitzende. Hierfür sind wir ihm zu Dank verpflichtet. In der Aussöhnung mit allen europäischen Nachbarn und der festen Verankerung in den christlichen, freiheitlichen und demokratischen Werten Europas sah er den richtigen Weg und den Platz Deutschlands in der Welt. Den Deutschen in Rumänien und den Banater Schwaben im Besonderen, aufgrund der pfälzischen Herkunft vieler Siedler, war Helmut Kohl immer verbunden. In ihm hatten sie einen bedeutenden Fürsprecher, egal ob sie sich für das Gehen oder das Bleiben entschieden hatten. Die Landsmannschaft der Banater Schwaben wird ihm ein ehrendes Gedenken bewahren. Wir trauern um einen großen Staatsmann.