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Wer sind die Rumäniendeutschen?

Eine Tagung über die Geschichte der Rumäniendeutschen findet in der Bildungs- und Begegnungsstätte Der Heiligenhof in Bad Kissingen vom 5. bis 10. Dezember statt. Infolge des Zweiten Weltkriegs ist in Rumänien ein Kapitel deutscher Siedlungsgeschichte spätestens mit der letzten großen Migrationswelle nach der politischen Wende in Ostmitteleuropa 1989/1990 in seiner bisherigen Form zu Ende gegangen. Auf dem Territorium des nach dem Ersten Weltkriegs geschaffenen Groß-rumänien lebten damals zwölf deutsche Siedlergruppen: Siebenbürger Sachsen, Banater Schwaben und Sathmarer Schwaben, Bessarabiendeutsche, Buchenlanddeutsche, Dobrudschadeutsche, Landler, Durlacher, Deutschböhmen, Steyrer, Temeswarer, Zipser.

Sie unterschieden sich hinsichtlich ihrer Herkunftsgebiete, dem Zeitpunkt ihrer Einwanderung, ihrer Siedlungsgebiete und ihrer historischen Entwicklung. Die Zahl der Angehörigen der deutschen Minderheiten im Groß-rumänien der Zwischenkriegszeit betrug noch etwa 750 000 Menschen. Mit dem Hitler-Stalin-Pakt am 23. August 1939 wurde die Aufteilung Europas in Interessensphären vereinbart und in Zusatzprotokollen die Aussiedlung der Bukowina-, Bessarabien- und Dobrudschadeutschen aus Rumänien, die im Jahr 1940 vollzogen wurde. Durch zwischenstaatliche Abkommen wurden in der Kriegszeit die wehrfähigen rumäniendeutschen Männer ab 1943 fast ausnahmslos in die Waffen-SS eingezogen. Sie kamen, sofern sie den Krieg überlebt hatten, nicht nach Rumänien zurück. 1944 mußten die zeitweilig zu Ungarn gehörenden Nordsiebenbürger Sachsen vor der herannahenden Roten Armee nach Österreich flüchten. Anfang 1945 wurden weitere 70000 Rumäniendeutsche zur Zwangs- und Wiederaufbauarbeit für fünf Jahre in die Sowjetunion verschleppt. Einige davon wurden in die SBZ und nicht nach Rumänien entlassen. Durch diese Ereignisse waren viele
Familien getrennt.

In den fünfziger und sechziger Jahren fand unter humanitären Gesichtspunkten eine Familienzusammenführung dieser Kriegsfolgenschicksale statt – meist in der Bundesrepublik Deutschland. 1978 schlossen die damalige Bundesregierung unter Bundeskanzler Helmut Schmidt und die rumänische Regierung unter dem KP-Chef Ceausescu ein Abkommen, welches ein jährliches Aussiedlungskontingent von 15 000 Personen aus Rumänien in die Bundesrepublik vorsah. Die Bundesrepublik Deutschland bezahlte für diese Personen jeweils einen fünf- bis sechsstelligen DM-Betrag. Von 1977 bis zum Sturz des kommunistischen Regimes war bereits die Hälfte aller autochthonen Deutschen emigriert.

Als Referenten haben ihre Teilnahme zugesagt: Ernst Meinhardt, Deutsche Welle: Die Banater Schwaben; Rechtsanwalt Dr. Heinz Günther Hüsch, ehem. Verhandlungsführer der Bundesregierung bezüglich des Freikaufs: Der Freikauf der Rumäniendeutschen. Hüsch hatte zwischen 1968 und 1990 auf geheimen Weg die Ausreise von Deutschen aus Rumänien mit der Securitate verhandelt und mehr als 210 000 Ausreiseerlaubnisse erreicht und auch über manche andere Fragen Verhandlungen geführt. Sein Auftraggeber: Die Bundesrepublik Deutschland – Innenministerium – unter den Kanzlern Kiesinger, Brandt, Schmidt und Kohl. Dr. Michael Kroner: Eine kurze Geschichte der Siebenbürger Sachsen und die Deportation der Rumäniendeutschen in die Sowjetunion 1945–1949, Ursachen, Hintergründe; Dr. Cornelia Schlarb: Die Bessarabiendeutschen; Dr. Meinolf Arens: Die Bukowinadeutschen; Michael Markel: Literarische Bearbeitungen der Rußlanddeportation der rumäniendeutschen Texte von Rainer Biemel, Bernhard Ohsam, Erwin Wittstock, Joachim Wittstock, Richard Wagner; Prof. Dr. Andreas Möckel: Ergebung und Widerstand – Die Siebenbürger Sachsen und der Nationalsozialismus; Prof. Dr. Paul Philippi: Die politische Vertretung und Rolle der Deutschen Rumäniens in der Gegenwart. Außerdem lesen die Autoren Werner Schmitz (Mit der Sonne stehe ich auf – Lebenserinnerung einer Bäuerin aus Deutsch-Weißkirch) sowie Rolf Bauerdick (Wie die Madonna auf den Mond kam) aus ihren Werken.

Die Tagungsteilnahme kostet 150 Euro (ermäßigt für Studenten, Auszubildende, Teilnehmer aus Ostmitteleuropa etc. 30 Euro), inklusiv Unterkunft und Verpflegung, zuzüglich Kurtaxe (8,25 Euro), gegebenenfalls Einzelzimmerzuschlag (25 Euro) für den gesamten Zeitraum. Weitere Informationen mit detailliertem Tagungsprogramm und Anmeldung bis zum 1. Dezember beim Studienleiter Gustav Binder, Kennwort „Rumäniendeutsche“, Der Heiligenhof, Alte Euerdorfer Strasse 1, 97688 Bad Kissingen, Telefon 0971 / 714714, Fax 0971 / 714747, E-Mail studienleiter@heiligenhof.de. Die Tagung ist für Interessierte frei zugänglich.