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Deutsche Sprache als Schlüssel zum beruflichen Aufstieg

Das zur BARTH Gruppe gehörende Unternehmen BARUM Automotive mit Sitz in Temeswar ist ein gefragter Dienstleister für zerspanende Fertigungsverfahren. Foto: www.barth-praezisionstechnik.de

Lehrer und Schüler der deutschen Schulabteilung in Großsanktnikolaus nach dem Rundtischgespräch mit dem Bundesbeauftragten Hartmut Koschyk, dem Abgeordneten Ovidiu Ganț, Vizekonsul Siegfried Geilhausen und Bundesvorsitzenden Peter-Dietmar Leber. Foto: Stefanie Schramm

Notizen von einer Reise ins Banat (Teil 1)

Manche Lehrer aus dem Banat erinnern sich noch an die Bücherspenden des Instituts für Auslandsbeziehungen in Stuttgart in den siebziger Jahren. Die Klassiker der deutschen Literatur in schönen Ausgaben trafen ein, aber auch Lehrbücher mit vielen Illustrationen und Handreichungen. Für die Pädagogen waren diese Bücher Hilfsmittel bei der Vorbereitung und Durchführung des Unterrichts, aber auch ein Zeichen dafür, dass ihre Arbeit wertgeschätzt wurde. Offiziell durften die Bücher im Unterricht nicht verwendet werden, nicht alle Lehrer hielten sich daran.

Fast fünfzig Jahre später hat das Institut für Auslandsbeziehungen in Temeswar ein Regionalbüro eröffnet, das sich mit neuen Projekten in der Bildungs-, Kultur- und Jugendarbeit auch an neue Zielgruppen wendet. Dabei sollen zivilgesellschaftliche Strukturen entwickelt und gestärkt, der Dialog zwischen den Ethnien gefördert und auch über die Grenze hinaus nach Ungarn und Serbien getragen werden. Verbände und Medien der Deutschen vor Ort sind Ansprechpartner und Mittler. Es ist eine verantwortungsvolle Zukunftsaufgabe. Abgeordnete beider Länder und Regierungsmitglieder erinnern daran in ihren Grußworten. Die Mitarbeiter, hochmotiviert, pflichten bei. Die Vergangenheit ist in diesen Minuten ganz weit weg. Wer gestalten will, schaut nach vorne.

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Als der schwäbische Unternehmer Alfred Barth aus dem oberschwäbischen Landkreis Biberach noch ein Kind war, erzählte sein Vater beim Abendessen daheim von den fleißigen Banater Schwaben, die er in seiner Baufirma beschäftigt hatte. Sie würden nie auf die Uhr schauen, wenn eine Arbeit fertiggestellt werden müsse und wenn sie am späten Feierabend, an den Wochenenden, die eigenen vier Wände für ihre Familien hochziehen. Er zeichnete ein Bild von diesen Menschen, das sich bei Alfred Barth eingeprägt hat.

Als er nach der politischen Wende im Osten ein neues Unternehmen aufbauen wollte, zog er in das Land, aus dem die Banater Schwaben seiner Kindheit stammten. 1992 war er in Temeswar und ging damit den umgekehrten Weg der meisten Banater Schwaben. Und auch wenn er nicht mehr viele von ihnen vorfand, gelang es ihm, im Südwesten Temeswars eine Firma aufzubauen, die hochwertige Komponenten für die Automobilindustrie herstellt, mit einem Produkt gar Weltmarktführer ist. Seine Dreher sind wahre Meister ihres Fachs und äußerst kreativ. Wenn er ihnen eine grobe Skizze liefert, hat er wenige Stunden später das Teil, das er benötigt, mit einer Genauigkeit, die kaum noch zu übertreffen ist. „Wenn ich nicht mehr liefern könnte, stünde in Sindelfingen bald das Band still“, sagt er im Gespräch. Als zuverlässiger Zulieferer hat er für alle Fälle einen Plan B in der Schublade, der Nachschub wird nicht stocken. Auf seine Mitarbeiter, sein wichtigstes Kapital, schwört er, für sie fühlt er sich auch nach Dienstschluss verantwortlich. Manche sind in ganzen Familienverbänden mittlerweile für die Firma tätig. Sie verdienen gut, legen das Geld zusammen, sparen, bauen sich neue Häuser. Gründermentalität und Aufbruchsstimmung passen in diesem Fall zusammen, ergänzen sich.

Wie es mal weiter gehen wird? Der Endsechziger plant auch in diese Richtung und hat dabei seine Enkel fest im Blick. Genauso wie er, wird wohl auch einer von ihnen nach Temeswar kommen, die rumänische Sprache erlernen und die Firma weiterentwickeln. Grundstücke für eine Erweiterung der Produktion wurden bereits erworben.

Obzwar Samstagnachmittag, wird an einigen Maschinen gearbeitet. Wir bekommen sie zu sehen. Wenn Besucher aus Korea kommen, werden sie mit Planen abgedeckt. Das kleine Teil für den Mercedes ist durch kein Patent geschützt, trotzdem konnte es noch keiner kopieren und darauf ist Alfred Barth unheimlich stolz. Genauso wie seine 280 Mitarbeiter, die bereits an Motorteilen der Zukunft arbeiten.
Beim Abschied stelle ich mich als Vertreter der in Deutschland lebenden Banater Schwaben vor und drücke meine Freude darüber aus, dass er unsere Landsleute von ihrer besten Seite kennengelernt hat. Auch wenn keine von ihnen in seiner Firma in Temeswar arbeiten – Unternehmer Barth konnte in seiner Firma ein Ethos von Innovation, Eifer und Pflichterfüllung entwickeln, der auch den Banater Schwaben seiner Kindheit zu Ehren gereicht hätte.

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Das deutschsprachige Schulwesen im Banat kann auf eine große Tradition zurückblicken. Heute wird es vor allem von Kindern aus rumänischen Familien in Anspruch genommen. Die deutsche Sprache ist vielerorts ein Schlüssel zum beruflichen Aufstieg, die guten Schüler im Lenau-Lyzeum legen ein bundesdeutsches Abitur ab, studieren an deutschen Hochschulen, arbeiten in München, London oder auch in Temeswar. Ein geringeres Augenmerk liegt derweil auf den deutschsprachigen Schulen und Schulabteilungen in Arad, Großsanktnikolaus, Lugosch, Sanktanna oder Reschitza.

In Großsanktnikolaus hatte die Vorsitzende des örtlichen Deutschen Forums, Dietlinde Huhn, anlässlich des Besuchs des Bundesbeauftragten Hartmut Koschyk Lehrer und Schüler von heute zu einem Rundtischgespräch eingeladen. Wer unterrichtet heute in Großsanktnikolaus wen in deutscher Sprache und warum gehen Kinder aus rumänischen oder gemischtsprachigen Familien in die deutsche Schule? Die Frage stellt sich sicher so mancher der ausgesiedelten Landsleute, die Antwort fällt vielschichtig aus. Die Lehrer sind Deutsche, die in Großsanktnikolaus verblieben sind. Sie heißen Roos, Melcher, Kappel oder Toth. Letztere stammt aus Lenauheim, sie ist aus Deutschland zurückgekehrt. Dietlinde Huhn ist bereits im Ruhestand, hilft jedoch aus, wenn sie an der Schule gebraucht wird. Die Lehrer sind sehr engagiert und sehen ihren Beruf als Berufung. In der freien Wirtschaft würden sie gerade in Großsanktnikolaus, wo westliche Investoren stets auf der Suche nach deutschsprachigen Mitarbeitern sind, sofort eine besser bezahlte Stelle finden. Dass sie sich trotzdem für die deutsche Schule entschieden haben, hat vielleicht etwas mit dieser Tradition zu tun und mit ihrem Willen, etwas davon zu erhalten.

Und die Schüler? „Ich habe mir durch den Besuch der deutschen Schule, die vielen außerschulischen Aktivitäten so etwas wie eine zweite, eine deutsche Identität zugelegt“, sagte eine ehemalige Schülerin. In ihrem Verwandtenkreis werde das auch so gesehen. Die erstrebten oder erreichten Karrieren sind bemerkenswert. Trotzdem ist die deutsche Schule in Großsanktnikolaus kein Selbstläufer. Die Lehrer gehen in die Kindergärten und werben für ihre Schule. Die ersten Jahre sind hart, aber der Erfolg gibt ihnen Recht. Von dieser Entwicklung sichtlich angetan ist auch der Abgeordnete des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien, Ovidiu Ganţ. Er schwört auf diese neue Generation, die zwar jetzt einer Unterstützung bedarf, aber in einigen Jahrzehnten die Entscheider-Generation in der Region sein wird.