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Bahnhofsvorplatz in Cham nach Ludwig Schwan benannt

In der Nacht zum 18. April 1945 bombardierte die britische Royal Air Force das Gelände um den Bahnhof der oberpfälzischen Kreisstadt Cham. Bei diesem Angriff fanden 63 Menschen den Tod, 46 Personen wurden verletzt. Unter den Opfern befanden sich auch der junge Lehrer Ludwig Schwan und sieben seiner Schüler, die mit ihm und weiteren Schulkindern im Alter zwischen 12 und 15 Jahren im Herbst 1944 aus Karlsdorf im Banat geflüchtet waren, um in Deutschland Schutz zu finden. Das tragische Schicksal Ludwig Schwans und der ihm anvertrauten Schüler dürfte den Lesern unserer Zeitung bekannt sein, zumal der Landesverband Bayern der Landsmannschaft der Banater Schwaben zusammen mit der Stadt Cham anlässlich des 55. und 60. Jahrestags der Luftangriffe von 1945 mit einer Gedenkveranstaltung auf dem Friedhof in Cham daran erinnert hatte und in der „Banater Post“ zwei dokumentarische Beiträge von Peter Krier und Peter-Dietmar Leber (in den Ausgaben vom 20. März 2000 bzw. vom 20. Juni 2005) erschienen sind.

Anlässlich des 70. Jahrestags der Bombardierung Chams erhielt der Bahnhofsvorplatz den Namen Ludwig-Schwan-Platz. Die Idee dazu hatte Stadtrat Georg Kerschberger. Da es immer weniger Zeitzeugen gebe, sei die Umbenennung des Platzes ein wichtiger Schritt, um die Erinnerung an die schrecklichen Geschehnisse vor siebzig Jahren wachzuhalten, erklärte Kerschberger. Nachdem der Bauausschuss der Stadt dem Vorhaben am 18. März zugestimmt und auch die Deutsche Bahn ihr Plazet gegeben hatte, wurde der Ludwig-Schwan-Platz am 18. April eingeweiht. An dem Festakt nahmen Vertreter der Stadtverwaltung, der Politik, der Schulen und der Kirchen teil.

Bürgermeisterin Karin Bucher erinnerte in ihrer Rede an die Bombardierung des Chamer Bahnhofs in der Nacht vom 17. auf den 18. April 1945, die 63 Menschen in den Tod riss. Sie zeichnete die Flucht-Odyssee der Schulkinder aus Karlsdorf in Begleitung ihres Lehrers Ludwig Schwan nach. „Lehrer Schwan folgte seiner Überzeugung. Er ist ein Beispiel dafür, seinem Gewissen zu jeder Zeit zu folgen“, sagte Bucher. Ludwig Schwan war und bleibe trotz seiner erst 24 Jahre Vorbild. Claudia Zimmermann von der Friedensinitiative Cham betonte, dass die Umbenennung des Platzes eine Form der Erinnerungskultur sei, die der Stadt Cham gut stehe. „Hier, wo Menschen von einer Reise ankommen und sich verabschieden, ist es gut, dass auch dem tragischen Ende einer Reise am 18. April 1945 gedacht wird.“ An die Opfer erinnern bedeute immer wieder zu mahnen, dass Kriege als Mittel der Politik zu ächten seien. Diese Mahnung erscheine auch heute, siebzig Jahre nach Kriegsende, dringlicher denn je, betonten beide Rednerinnen.

Das Straßenschild ist mit einer erläuternden Tafel versehen, worauf folgendes steht: „Ludwig Schwan
* 1920 † 1945, Lehrer aus dem heutigen Serbien, umgekommen bei Bombardierung des Bahnhofs Cham auf der Flucht mit ihm anvertrauten Schülern“. Abgesehen von dem etwas ungelenken Satzbau, weist der Text weder auf die Herkunftsregion der Opfer hin noch auf ihre ethnische Zugehörigkeit. Ob die schwammige Formulierung „aus dem heutigen Serbien“ eher einer Gedankenlosigkeit oder doch einer gezielten Verschleierung von Tatsachen geschuldet ist, sei dahingestellt. Die Initiative der Stadt Cham, den Platz des damaligen Geschehens nach Ludwig Schwan zu benennen, ist auf jeden Fall begrüßenswert.

Die Odyssee der Schulkinder aus Karlsdorf hatte im Herbst 1944 begonnen. Aus Angst vor der heran-
rückenden Roten Armee und den Aktionen der Partisanenverbände entschließt sich der erst 24-jährige Lehrer Ludwig Schwan, mit dem Einverständnis der Eltern, die ihm anvertrauten Schüler nach Deutschland in Sicherheit zu bringen. Schwan wurde 1920 in Petersdorf (Vladimirovac) geboren und war 1942 an die Volksschule in Karlsdorf gekommen, wo er völlig in seinem Beruf aufgeht. Am 1. Oktober bricht die Gruppe auf. Ausgehungert, erschöpft, von Heimweh geplagt erreicht sie über Belgrad und Wien am 7. Oktober Passau. Hier wird die Gruppe getrennt: Die Mädchen ziehen mit einer Lehrerin nach Hof an der Saale, Lehrer Ludwig Schwan mit den Jungen nach Mallersdorf bei Landshut. Schwan schreibt bald darauf den Mädchen: „Ich war zwei Jahre Euer Lehrer. Das Schicksal hat uns auseinandergerissen. Aber ich glaube mit Recht sagen zu dürfen, ich war nicht nur Euer Lehrer, sondern Euer bester Kamerad. Ich hab Euch alle von Herzen gern gehabt. Ihr wart ein Teil von mir.“

Ende Januar 1945 begleitet Schwan seine Schüler im Rahmen der Kinderlandverschickung nach Böhmen. Als die erst 13 und 14 Jahre alten Jungen in Beraun (heute Beroun) in den Volkssturm eingegliedert werden sollen, um den vor Prag stehenden sowjetischen Truppen Einhalt zu gebieten, entschließt sich Schwan, mit seinen Schützlingen abermals die Flucht anzutreten. Mit dem Zug geht es nach Pilsen, dann nach Furth im Wald. Dort überstehen Lehrer und Schüler einen Tieffliegerangriff im Splittergraben. Am 17. April, spätabends, erreichen sie Cham, wo sie im Wartesaal des Bahnhofs eine Notunterkunft finden. Als um vier Uhr morgens der Fliegerangriff beginnt, stürmt alles ins Freie. In dem Bombeninferno hören die Kinder ihrer Lehrer noch rufen: „Lauf dort hinüber, Josef!“ und „Hansi, bist du noch da?“ Dann verstummt seine Stimme. Die Jungen ahnen: Der Mann, der über ein halbes Jahr lang ihr selbstloser Wegweiser und Behüter war und sie durch alle Fährnisse geleitet hatte, ist selbst getroffen worden. Auch weitere sieben ihrer Kameraden wurden von den Bomben zerfetzt, fünf wurden verletzt geborgen. Dies geschah 21 Tage vor Kriegsende, als der Ausgang des Krieges längst entschieden war, und die Amerikaner schon einen Teil der Oberpfalz besetzt hatten. Eine sinnlose Tat also, die auf eine gewisse Weise die gesamte Tragik des Krieges symbolisiert.

Ludwig Schwans selbstloser Einsatz für seine Schützlinge war einzigartig und vorbildlich zugleich. Die überlieferten Zeugnisse zeigen, wie sehr der junge Lehrer an seinen Schülern hing. Er kümmerte sich aufopferungsvoll um sie, machte ihnen Mut, gab ihnen Zuversicht, suchte sie auch unter den widrigsten Umständen zu schützen. Bis zum letzten Atemzug war er um das Wohl der Kinder besorgt. Sein Einsatz ist nicht umsonst gewesen, denn durch seine mutigen Taten wurde die Mehrzahl seiner Schüler gerettet. An diese außergewöhnliche Lehrerpersönlichkeit erinnert nun der Ludwig-Schwan-Platz in Cham.