Der Maler und Grafiker ist heute der Nestor der Banater Kultur
Mit 95 ist der Maler und Grafiker Julius Stürmer, geboren am 22. Mai 1915 in Karansebesch, heute der älteste Vertreter der Banater Kultur. Er ist auch einer der ältesten Bewohner der Gemeinde Geltendorf bei Landsberg in Bayern, wo der Künstler und seine Gattin Ingrid seit über vier Jahrzehnten leben. Bürgermeister Wilhelm Lehmann überbrachte am 22. Mai herzliche Glückwünsche seitens der Bewohnerschaft, die 2005 Gelegenheit hatte, das Lebenswerk des Künstlers zu überblicken, „der seit vielen Jahren still und bescheiden in unserer Mitte lebt und in dieser Zeit Werke geschaffen hat, die sich in Ausstellungen und Veröffentlichungen hoher Anerkennung erfreuen. In vier Gemälden hat er auch Motive aus der Geschichte unserer Gemeinde gestaltet“ – so Bürgermeister Lehmann.
Zahlreiche Arbeiten aus der frühen Schaffenszeit des Künstlers sind in den Kriegsjahren jedoch verloren gegangen oder verschollen, insbesondere die Originalentwürfe zu Dutzenden Plakaten und Prospekten für die deutsche Automobilindustrie, für nationale und internationale Auto- und Motorradrennen, ebenso zu Titelblättern und Illustrationen für die Zeitschriften Motor und Sport und Das Motorrad wie auch zu Plakaten für die Filmindustrie (Ufa, Bavaria Film, Terra, Tobis). Heute ist er der Letzte aus der Reihe der erfolgreichen Werbegrafiker der Vorkriegszeit wie Mundorff, Demar, Liska oder Reuters, die er ebenso gut kannte wie die Großen der Rennstrecken – Caracciola, Lang, Rosemeyer oder Stuck. Über diesen Schaffensbereich Stürmers vermerkte der Publizist Christian Steiger in der Zeitschrift Motor Klassik (12/1996): „Seine sanft kolorierten Prospekte brachten es auf Millionenauflagen, aber der Mann am Zeichentisch blieb bis heute im Dunkeln; Julius Stürmer ist einer der großen Unbekannten der Reklamekunst.“ Bis auf den heutigen Tag.
Auch die Zeichnungen, Skizzen und Aquarelle, die er der Strafgefangenschaft in Stalins Gulag geschaffen hat, sind erst spät einem breiteren Publikum bekannt geworden, zusammen mit Auszügen aus seinen Lager-Erinnerungen in der Banater Post (2001–2003) und 2006 im Band „Die eisige Hölle Workuta. Zehn Jahre im sowjetischen Straflager jenseits des Polarkreises“ (Banat-Verlag Erding). In zahlreichen Arbeiten hat Julius Stürmer Szenen der Grausamkeit des sowjetischen Gulag und des Leids der Strafgefangenen gestaltet. Die Illustrationen, die er 1956 bei seiner Heimkehr in der Doppelwand eines Koffers in den Westen geschmuggelt hat, sind die einzigen bekannten Zeugnisse dieser Art, die aus dem Lagergebiet nach Deutschland gelangten. In ihnen hat der Künstler seinen Lagergenossen und Hunderttausenden Opfern des Gulag ein Denkmal gesetzt. Dazu schreibt Hans Hausenstein-Burger im Beitrag „Kunst als Lebensstrategie“ in der Broschüre „Julius Stürmer – Grafik und Malerei aus sieben Jahrzehnten“, die das Haus des Deutschen Ostens München 2003 herausgebracht hat: „Das Thema der Strafgefangenschaft lässt den Künstler nicht los, und so nimmt es nicht wunder, dass die Niederschrift seiner Memoiren über die Jahre der Verbannung neuerdings auch wieder zu Bildern geführt hat. Programmatisch stehen sie da als Warnschilder gegen das Vergessen. Es sind inhaltsschwere Lehrbilder: auf dass Ähnliches nie wieder geschehe!“
Nach seiner Entlassung aus dem Gulag 1956 war Julius Stürmer in Deutschland als Entwurfs- und Werbegrafiker tätig, unter anderem für Firmen wie Audi, Daimler, Dornier, Opel, Porsche und Shell. Gemälde, Arbeiten in Tempera, Zeichnungen und Druckgrafik – Landschaften, Porträts, thematische Kompositionen zur Einwanderung der Deutschen ins Banat wie auch zur Aussiedlung – präsentierte er in zahlreichen Gruppenausstellungen und in eigenen Ausstellungen in Sindelfingen (1972, 1975), Temeswar und in Reschitz (1993), in einer retrospektiven Schau beim Heimattag der Banater Schwaben 2002 im Foyer der Donauhalle in Ulm, 2003 im Haus des Deutschen Ostens in München und 2005 im August-Horch-Museum Zwickau sowie in Geltendorf. Arbeiten von Julius Stürmer befinden sich in mehreren Museen und öffentlichen Sammlungen, unter anderem im Historisch-Technischen Informationszentrum Peenemünde, im Automobil-Museum Fritz B. Busch auf Schloss Wolfegg, im Porsche-Museum in Gmünd und in Zuffenhausen, im Werkarchiv Audi Tradition Ingolstadt, bei Opel in Rüsselsheim, bei Daimler in Sindelfingen, im Kulturzentrum der Landsmannschaft der Banater Schwaben in Ulm, im Banater Museum und im Adam-Müller-Guttenbrunn-Haus in Temeswar. 1978 wurde ihm der Donauschwäbische Kulturpreis des Landes Baden-Württemberg, 1984 die Nikolaus-Kopernikus-Medaille der Academia Cosmologica Nova durch Hermann Oberth überreicht; die Landsmannschaft der Banater Schwaben ehrte ihn mit der Verleihung der Verdienstmedaille in Gold und mit der Prinz-Eugen-Nadel.