Die donauschwäbisch-brasilianische Kulturstiftung Vitoria Entre Rios / Guarapava-Parana hatte vom 4. bis 8. Januar zur Jubiläumsfeier anlässlich der Gründung der donauschwäbischen Siedlung Entre Rios in Brasilien vor sechzig Jahren eingeladen. Ich durfte bei den Feierlichkeiten dabei sein, beim ökumenischen Gottesdienst zur Eröffnung der Feier, an der Einweihung des Heimatmuseums wie auch an der Gestaltung einer Eucharistiefeier am 5. Januar in der Herz-Jesu-Kirche im Hauptort Vitoria.
Bei der Jubiläumsfeier waren neben den vielen Gästen aus der ganzen Welt auch die Botschafter Deutschlands, Österreichs und Kroatiens, der Gouverneur von Parana und der Präsident des Weltdachverbandes der Donauschwaben, Berhard Krastl, anwesend. Ein Hauptziel der Kulturstiftung ist der Erhalt und die Verbreitung der traditionellen donauschwäbischen Kultur und deren Einbringung in die Kultur des neuen Heimatlandes Brasilien. Die Siedlung Entre Rios ist die jüngste und zugleich erfolgreichste Ansiedlung von Deutschen in Brasilien. Das Siedlungswerk begann am 5. Mai 1951 mit der Gründung der Genossenschaft Agraria in der Munizipalstadt Guarapava.
Am 8. Juni 1951 betraten die ersten Siedler unter Schweizer Reisebegleitung das Gebiet Entre Rios. In der folgenden Zeit wurden fünf Dörfer angelegt. In Gemeinschaftsarbeit wurden die ersten Gebäude errichtet, Straßen angelegt, Dorfschule und Kirche gebaut. Von Anfang an waren die Siedler bestrebt, beim Aufbau der neuen Heimat den Glauben, die Sitten und die in den Herkunftsgebieten Südosteuropas geführte Lebensweise zu erhalten. Entre Rios wurde die neue Heimat für 500 in Europa infolge des Krieges entwurzelte Donauschwaben. Mit Unterstützung der Schweizer Europahilfe, der brasilianischen Bundesregierung und der Staatsregierung von Parana wurden 22000 Hektar Land im Distrikt Entre Rios gekauft. Träger des Siedlungswerks ist die Cooperativa Agraria.
Entre Rios kann seit Jahrzehnten als eine der produktivsten und gesündesten Gemeinwesen in ganz Brasilien gesehen werden, dies auch dank eines durchdachten und vorausschauenden Zusammenwirkens aller Kräfte, dank internationaler Planung und der Entwicklungshilfe aus der Schweiz, Deutschland und Österreich. Grundlage für dieses kleine Wirtschaftswunder ist der Fleiß, die Kreativität und der Zusammenhalt der Siedler. Ich konnte gleich am ersten Tag meines Aufenthaltes in Entre Rios einen Einblick in die Lebensweise der Donauschwaben gewinnen. Auf der Straße begrüßt man sich „schwowisch“, Frauen nähen, kochen und versehen den Haushalt, wie einst in den Dörfern der Batschka, des Banats oder Syrmiens. Gleich nach meiner Ankunft durfte ich im lokalen Rundfunk – es gibt eine tägliche Sendung in deutscher Sprache – ein Gespräch führen. Dabei wurde ich eingeladen, mich in „schwowisch“ an die Landsleute zu wenden. Im Ort gibt es auch eine Schule, in der in Landessprache Portugiesisch und auch auf Deutsch unterrichtet wird.
Unter der Ägide der Genossenschaft Agraria wurde im Ort ein Krankenhaus und eine Apotheke errichtet. In einem Projekt für die Unterstützung von Randgruppen engagieren sich vornehmlich Frauen seit mehr als zehn Jahren für die Betreuung und Ausbildung von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen. Hauptverantwortlich für die Gestaltung des gesellschaftlichen Lebens der Siedlung ist die Genossenschaft Agraria. Die Ansiedlung der einzelnen Dörfer erfolgte nach dem Muster der habsburgischen Siedlungen im Banat. Breite, gerade Straßen mit großen Gärten und viel Raum zwischen den Wohnhäusern prägen das Bild. Jeder Familie wurden seitens der Genossenschaft groß-zügige Baugrundstücke (0,5 Hektar) zugewiesen. Dazu kamen noch 15 Hektar Ackerland und vier Hektar Wald. Neben den Wohnhäusern errichteten die Siedler natürlich auch die nötigen Wirtschaftgebäude, legten Obst-, Gemüse- und Weingärten an.
Die ersten Gottesdienste in Entre Rios wurden entweder als Feldgottesdienst oder in der Dorfschule gefeiert. Die katholische Kirche im Hauptort Vitoria wurde 1953 erbaut. 1958 wurden die letzten Gotteshäuser eingeweiht. Die große Mehrheit der Einwohner von Entre Rios sind Katholiken, knapp ein Zehntel ist evangelisch. Letztere haben ihre Kirche im Dorf Cachoeira. Pater Wendelin Gruber, der die Donauschwaben in Entre Rios mehrere Jahre seelsorgerisch betreut hat, organisierte 1964 die erste Marienwallfahrt zur Kirche „Maria Mutter von der immerwährenden Hilfe“ in Soccoro. Aus allen Dörfern strömten die Siedler in einer großen Prozession mit Kirchenfahnen und Muttergottesstatuen, die von Marienmädchen getragenen wurden, zum Wallfahrtsort – wie es auch in der alten Heimat üblich war.
Im Rosenkranzmonat pilgerte man zur Kirche Maria Himmelfahrt in Samambaia. Pater Gruber und die im Vernichtungslager Gakowo gefangenen Donauschwaben legten am 24. März 1946 ein Gelöbnis ab, in dem es heißt: „Und wenn wir nochmals zu Hab und Gut kommen, wollen wir eine Danksagungskirche zu Ehren unserer Retterin Maria erbauen.“ So wurde 1966 im Zentrum der Siedlung der Grundstein für eine Marienkapelle gelegt. Am 15. Oktober 1967 zelebrierte Bischof Friedrich Helmel den Festgottesdienst noch im Rohbau. In Samambaia, dem fünften donau-schwäbischen Dorf in Entre Rios, wurde die Kirche 1957 geweiht. Der Kirchenbau ist im Originalzustand erhalten. Für den Bau der Kirche spendete jede Familie 300 Kilogramm Reis. Kirchweihfeste werden in Entre Rios natürlich nach donauschwäbischer Sitte gefeiert: Mit Trachtenumzug, Rosmarinstrauß und Blasmusik.
Abschließend möchte ich einige Aussagen der in Entre Rios beheimateten Donauschwaben widergeben: „Es ist ein sehr schöner Ort, an dem wir leben, das muss man schon sagen“: „In der Siedlung fühlt man sich wohl und geborgen. Alle kennen alle und alle schätzen auch alle“: „Am Anfang hatte man ein paar Hektar Feld, und die konnte man kaum bearbeiten mit den zwei Pferden, die wir hatten. Heute sitzt man auf dem Mähdrescher, und der macht alles“: „Ich bin so stolz auf meine Großeltern und will über das, was sie geleistet haben, immer wieder gern erzählen. Gebe der Herrgott auch weiterhin seinen Segen jedem, der dort lebt“. Eine Art Zusammenfassung gibt uns Franz Remlinger: „Das, was in Entre Rios passiert ist, gibt es so nirgendwo auf der Welt. Diese Entwicklung ist einmalig, und man spürt sie jeden Tag.“