Informationsreise im Zeichen der Verbundenheit mit den Banater Schwaben
Vom 26. bis 29. Mai besuchte der Oberbürgermeister der Stadt Ingolstadt, Dr. Alfred Lehmann, das Banat, gemeinsam mit dem Fraktionsvorsitzenden der CSU-Stadtratsfraktion, Prof. Dr. Joachim Genosko, dem stellvertretenden CSU-Stadtratsfraktionsvorsitzenden Hans Süßbauer und dem Referenten des Oberbürgermeisters, Dr. Christian Lösel. Die Delegation wurde vom Bundesvorsitzenden Peter-Dietmar Leber und dem stellvertretenden Bundesvorsitzenden Hans Metzger aus Ingolstadt begleitet. Die Gäste aus Bayern wollten das Banat kennenlernen und mehr über die Banater Schwaben erfahren, deren Zahl besonders in Ingolstadt recht hoch ist. Ferner ist Ingolstadt seit 1987 Patenstadt der Banater Schwaben in Bayern und als solche unseren Landsleuten eng verbunden.
Einen geeigneten Einstieg in die Geschichte des Banats und der hier lebenden Volksgruppen erhielten die Gäste bei einem Empfang durch den Generalvikar der Diözese Temeswar, Msgr. Johann Dirschl. Er wartete mit aufschlussreichen Daten zur Situation der Diözese Temeswar auf, deren Bild sich nach dem Wegzug der meisten Deutschen gewandelt hat. Diözesanarchivar Claudiu Calin führte anschließend durch das Diözesanmuseum, welches nach 1990 auf Initiative des derzeit amtierenden Bischofs Martin Roos entstanden ist. Die Exponate vermitteln einen guten Eindruck von der Entwicklung der alten Diözese Tschanad zum Bistum Temeswar, dem acht verschiedene Völkerschaften angehören. Dem Treffen wohnten ferner der bischöfliche Sekretär Nikola Laus und Referentin Gerlinde Frei vom Amt für kirchliche Güter bei. Einer Führung durch die Domkirche schloss sich eine Besichtigung der Krypta an, in der die Bischöfe und Persönlichkeiten der Kirche bestattet sind.
Einen guten und kurzweiligen Überblick über die Geschichte der Stadt Temeswar lieferte beim an-schließenden Rundgang durch die Altstadt der Chefredakteur der in Temeswar erscheinenden Banater Zeitung, Werner Kremm. Zum Abschluss des ersten Tages fand ein aufschlussreiches Gespräch mit dem Deutschen Wirtschaftsclub in der Person seines Vorsitzenden Dr. Peter Hochmuth – aus der Nähe von Ingolstadt stammend – und dem im Banat tätigen Architekten Herbert Habenicht statt. Hochmuth hat in Temeswar die Niederlassung des Automobilzulieferers Continental aufgebaut und ist als Wirtschaftsberater in Temeswar geblieben. Er konnte über die doch recht erfolgreiche Arbeit deutscher Unternehmer im Banat berichten.
Über die Situation des traditionsreichen Nikolaus-Lenau-Lyzeums informierte am nächsten Tag Schulleiterin und Stadträtin Helene Wolf beim Besuch der Delegation in der Schule. Die Enkelin des bekannten ehemaligen Hochschullehrers und Mundartforschers Johann Wolf ist mit ihrem Team von engagierten Lehrern – darunter auch von Lehrern aus Deutschland – bestrebt, gut ausgebildete Schüler zu entlassen. Dass ihnen das besser gelingt als anderswo in Rumänien, haben die Ergebnisse der diesjährigen Abiturprüfungen gezeigt. Mehr als 90 Prozent der Kandidaten konnten die Schule mit dem begehrten Diplom in der Hand verlassen. Eine neue sehenswerte Adresse in unmittelbarer Nähe der Schule stellt das Museum der Revolution dar, in dem ein ehemaliger Revolutionär die Führung macht; er wurde aufgrund der erlittenen Schussverletzungen während des Dezemberaufstandes in Freiburg medizinisch behandelt und spricht Deutsch. Zwar wirkt hier noch vieles unfertig, der Vermittlung der Authentizität des Geschehens von damals tut dies jedoch keinen Abbruch. Das Museum im Aufbau ist in einem Gebäude in der Emanoil-Ungureanu-Straße 8 untergebracht.
Der Bürgermeister der Stadt Temeswar, Gheorghe Ciuhandu, begrüßte die Gäste der Stadt in tadellosem Deutsch, das auch Verhandlungssprache blieb. Sein Ingolstädter Amtskollege Dr. Alfred Lehmann bekundete das Interesse seiner Stadt an Projekten zur regenerativen Energiegewinnung, aber auch an einer Zusammenarbeit im medizinischen Bereich. Eine solche Zusammenarbeit bestehe bereits mit Großwardein, sie solle nach Temeswar ausgedehnt werden. Gekommen sei er mit seiner Delegation aber als Pate der Banater Schwaben in Bayern, um mehr über das Banat und seine Menschen zu erfahren. Zum an-schließenden Mittagessen hatte der deutsche Konsul in Temeswar, Klaus Olasz, eingeladen, der die Delegation bei allen Terminen begleitet hatte und auch im Vorfeld unterstützend tätig war. Hier informierte der Parlamentsabgeordnete des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien, Ovidiu Gant, die Gäste über aktuelle Themen der rumänischen Politik und die Situation der Deutschen im Land. In Hatzfeld wurde die Delegation von Bürgermeister Gabor Kaba, dem stellvertretenden Kreisratsvorsitzenden Zoltan Marossy (stammt aus Hatzfeld) und dem Forumsvorsitzenden Hans Jirkowsky empfangen. Das kleine Städtchen auf der Banater Heide hat seine politischen und wirtschaftlichen Hausaufgaben recht gut gemeistert, es wirkt einladend und hat mit einer kleinen, aber feinen Museenlandschaft durchaus Besonderheiten aufzuweisen. Die Gäste besichtigten das Stefan-Jäger-Gedenkhaus mit einer Ausstellung über Leben und Werk des Malers der schwäbischen Welt sowie eine ethnografischen Sammlung und das Pressemuseum Sever Bocu, das einzige seiner Art in Rumänien. In Lenauheim begrüßte Bürgermeister Ilie Suciu die Gäste in deutscher Sprache mit starkem schwäbischem Akzent. Die Erklärung dafür lieferte er schnell nach. Er sei in Johannisfeld aufgewachsen, einem damals deutschen Dorf. Als Rumäne habe er sich damals auch die Sprache der örtlichen Bevölkerungsmehrheit angeeignet. In Lenauheim waren auch der Bürgermeister von Großsanktnikolaus, Danut Groza, sowie mehrere Gemeinderäte aus den zur Gemeinde gehörenden Ortschaften Bogarosch und Grabatz zum Empfang der Gäste erschienen. Im ehemaligen Rentamt, einem Gebäude aus dem 18. Jahrhundert, führte Elfriede Klein, eine in Lenauheim verbliebene Banater Schwäbin, die Gäste durch die Ausstellung über den berühmtesten Sohn des Ortes, dessen Name seit dem Jahre 1926 Teil der offiziellen Ortsbezeichnung ist. In der ethnografischen Abteilung des Museums gab es sowohl für die bayerischen Gäste als auch die rumänischen Gastgeber aus Lenauheim und den umliegenden Ortschaften Neues wie auch Vertrautes zu entdecken. Beim Besuch der katholischen Kirche waren einige im Banat verbliebene Landsleute zugegen. Mit einem rheinischem Akzent berichtete eine Anwesende, dass sie seit einigen Jahren den Sommer in Lenauheim verbringe. Vor vierzig Jahren sei sie ausgesiedelt. Der gastfreundliche Empfang in Lenauheim fand seinen Abschluss mit einem Auftritt einer Kinder- und Jugendtanzgruppe aus Billed, die mit ihrem Bürgermeister Leontin Duta angereist kamen. Sie boten Volks- und klassische Tänze dar.
Die Situation der im Banat verbliebenen Deutschen und der Kultur- und Sozialeinrichtungen des Demokratischen Forums der Deutschen im Banat stand im Mittelpunkt der Gespräche mit dem Forumsvorsitzenden Dr. Karl Singer, dem Leiter des Adam-Müller-Guttenbrunn-Hauses in Temeswar, Helmut Weinschrott, dem Leiter des Banater Vereins für internationale Kooperation „Banatia“, Horst Martin, und der Geschäftsführerin des Forums, Ute Moisuc. Man ist darum bemüht, die Strukturen aufrecht zu erhalten und als Stimme der deutschen Minderheit Gehör zu finden. Beim an-schließenden Rundgang durch das Haus, in Gesprächen mit einigen Heiminsassen, der Besichtigung der Sammlungen des Hauses, der beiden Ausstellungen zur Russland- und zur Baragan-Deportation fanden die Ingolstädter Gäste einen weiteren Zugang zur Geschichte des Banats und der Banater Schwaben. Schlusspunkt des kurzen aber intensiven Reiseprogramms bildete ein Abstecher nach Maria Radna, wo die Delegation eine hl. Messe mitfeierte, zelebriert von Pfarrer Attila Ando aus Lippa, und anschließend unter Führung von Architekt Herbert Habenicht die Wallfahrtskirche und das ehemalige Kloster besichtigte. Ein großes Restaurierungsprojekt harrt hier der Durchführung.
Das Banat präsentiert sich als eine Region vieler Gegensätze. Während in Temeswar das städtische Leben pulsiert, wirken viele Dörfer öde und verwaist. Die Deutschen sind hier größtenteils ausgesiedelt, die junge und mittlere Generation der rumänischen Bevölkerung arbeitet vornehmlich in Spanien und Italien. Auch die architektonischen Spuren der Deutschen treten in den Hintergrund, verschwinden langsam. Umso mehr freut man sich über Oasen deutscher Geschichte und Kultur wie in Hatzfeld oder Lenauheim, oder die verschiedenen Einrichtungen deutscher Kultur in Temeswar. Sie verdienten es, besser vernetzt zu werden, auch mit vergleichbaren Einrichtungen in Deutschland, auch der Landsmannschaft, und öffentlichkeitswirksamer aufzutreten.