Der Jahresempfang 2024 des Bundes der Vertriebenen fand am 9. April in der Katholischen Akademie in Berlin statt. Der BdV-Vorsitzende Dr. Bernd Fabritius begrüßte die rund 300 erschienenen Gäste aus den Landsmannschaften, von wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Institutionen und die Vertreter der politischen Parteien. Von der Landsmannschaft der Banater Schwaben nahm Ernst Meinhardt, Vorsitzender des Kreisverbandes Berlin und neue Bundesländer, und sein Stellvertreter Hans Schmidt teil. Auch Richard Jäger, Landesvorsitzender von Baden-Württemberg, und Pfarrer Paul Kollar als Vertreter des Gerhardforums und des Gerhardwerks waren beim Jahresempfang anwesend.
Gemeinsam für Europa
Von Seiten der Politik begrüßte der BdV-Vorsitzende zahlreiche Mitglieder der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag. Auch Vertreter der SPD und der FDP waren gekommen. Fabritius bedauerte sehr, dass keine Politiker der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen der Einladung des BdV gefolgt waren, der sich immer schon überparteilich sah und die Anliegen der Vertriebenen stets in allen politischen Lagern zu vertreten sucht. Der BdV-Vorsitzende räumte aber auch ein, dass keine Abgeordneten „der linken und der rechten Ränder der Parlamente“ eingeladen wurden, da sie in ihrer jetzigen Ausprägung nicht als dialogfähig einzustufen sind und den Anliegen der Heimatvertriebenen „kein Zuhause“ bieten könnten. Als Gründe nannte er die Haltung sowohl der Linken als auch der AfD zum Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine, aber auch beider Skepsis gegenüber Europa. Deutsche Heimatvertriebene und deutsche Minderheiten sind, so Fabritius, „Mit-Architekten unseres heutigen Europas“. Entsprechend sei das Jahresleitwort 2024 des BdV, im Jahr der Europawahl: „Heimatvertriebene und Heimatverbliebene: Gemeinsam für ein friedliches Europa“. Die Vertriebenen gehörten seit der Verabschiedung der Charta der deutschen Heimatvertriebenen vor 75 Jahren zu Brückenbauern zwischen den Staaten. „Dieser Brückenbau gelingt nur durch den kompromisslosen Einsatz für Freiheit und Demokratie – und nicht durch das Herbei-Fantasieren autokratischer Gesellschaftsformen, egal welcher Ausprägung! Wer Europa ablehnt, der lehnt uns ab – und den lehnen wir ab!“, waren die deutlichen Worte des BdV-Vorsitzenden.
Fabritius hob hervor, dass vor allem die Unionsparteien – schon nach ihrem Grundsatzprogramm – wiederholt gezeigt hätten, dass die Vertriebenen „ein selbstverständlicher Teil der deutschen Geschichte und Gegenwart“ sind und stets ihre Verbundenheit mit den deutschen Heimatvertriebenen, den Aussiedlern und Spätaussiedlern gezeigt hätten. Auch mit der SPD sei die Zusammenarbeit immer sehr gut, Bundeskanzler Olaf Scholz war beim letzten Jahresempfang 2023 Gastredner gewesen. „Als Verband suchen wir stets den Dialog mit allen demokratischen Parteien“, hob der Redner hervor. „Wir arbeiten darauf hin, gerade auch bei den heute regierungstragenden Parteien offene Ohren für unsere Anliegen zu gewinnen und Rückhalt und Unterstützung der Politik zu haben.“ Umso bedauerlicher sei es, dass die deutschen Heimatvertriebenen von manchen politischen Vertretern lediglich als „ein Teil der mobilen Einwanderungsgesellschaft“ gesehen werden.
Verantwortungsvolles Erinnern gefragt
In diesem Zusammenhang kritisierte der BdV-Vorsitzende scharf den Entwurf des neuen „Rahmenkonzeptes Erinnerungskultur“ der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, das darauf abzielt, unsere „europäische Erinnerungskultur“ in eine „von Mobilität und Migration geprägte Einwanderungsgesellschaft“ zu assimilieren. Flucht und Vertreibung hätten nichts mit „Mobilität“, „Migration“ oder „Einwanderungsgesellschaft“ zu tun. „Wenn ein Land Gefahr läuft, sich und seine Geschichte höchst schlagseitig zu definieren, leistet es seiner gesamten Gesellschaft einen Bärendienst und entblättert sich dabei zudem seiner Glaubwürdigkeit.“
Der Bund der Vertriebenen stehe stattdessen seit vielen Jahren nachdrücklich dafür ein, dass „verantwortungsbewusstes Erinnern und Anerkennen von Flucht und Vertreibung ebenfalls als bittere Zeit mit bitteren Folgen in der deutschen Geschichte Beachtung findet und nicht stillschweigend dem Zeitgeist selektiver historischer Wahrnehmung geopfert werden“.
Im europäischen Geist stehe der Verband „für die versöhnliche, ausgestreckte Hand in Richtung der damaligen Vertreiberstaaten, mit denen wir in guter Nachbarschaft unter dem europäischen Dach heute als Freunde vereint sind“. Auf vielen Ebenen würden dabei „haltbare Fäden der Freundschaft und der Verständigung“ mit den Menschen in Polen, Tschechien, Ungarn, Rumänien, Serbien oder der Slowakei geknüpft. „Das ist Arbeit für eine gute Zukunft in Europa – für die kommenden Generationen“.
Teil des gesamtdeutschen Kulturguts
Er erinnerte die Bundesregierung an ihre Verpflichtung, das kulturelle Erbe der deutschen Vertriebenen als „Teil des gesamtdeutschen Kulturguts“ „beherzt und nicht zaghaft“ zu unterstützen und zu fördern. „Es muss daher Schluss sein mit einer Politik der Kulturförderung, die unsensibel, unhistorisch und oft ideologisch agiert!“
Ausdrücklich wandte sich Fabritius an den Gastredner und CDU-Fraktionsvorsitzenden Friedrich Merz und erinnerte daran, dass die Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen als landsmannschaftlich übergreifend tätige und deutschlandweit agierende Kultureinrichtung in der vorangegangenen Legislaturperiode aufgrund einer Koalitionsvereinbarung gefördert wird und die Fortführung dieser Förderung auch in der Ampelkoalition eingefordert werden sollte, damit die Vernetzungsarbeit dieser Stiftung weiterhin Früchte tragen könne. „Wir wollen nicht nur musealisiert und von außen erforscht werden. Wir wollen selbst unseren aktiven Beitrag zur Kulturpflege und Wissenschaft leisten, so wie es das Bundesvertriebenengesetz vorsieht!“, forderte der BdV-Vorsitzende.
Merz als Festredner für Tag der Heimat
Fabritius erinnerte in diesem Zusammenhang auch an das immer noch ungelöste Problem der „personenkreisspezifischen Altersarmut der Aussiedler und Spätaussiedler“ durch die rechtliche Benachteiligung durch das Fremdrentengestz und forderte erneut, diese durch längst überfällige und vom BdV wiederholt geforderte Anpassungen zu beseitigen.
Bevor der BdV-Vorsitzende das Rednerpult der „kleinen Bühne“ des BdV, wie er den Jahresempfang bezeichnete, für Friedrich Merz freigab, lud er ihn förmlich ein, bei der „großen Bühne“, dem Tag der Heimat des BdV 2025, Festredner zu sein. „Wir feiern 75 Jahre Charta der Heimatvertriebenen und Sie haben einen guten Stand in den Reihen der Heimatvertriebenen und Spätaussiedler“, zeigte er sich überzeugt.
Tür für Spätaussiedler muss offen bleiben
Friedrich Merz sagte unter anderem, dass die Union in der Zeit der Großen Koalition gegenüber den deutschen Heimatvertriebenen und (Spät-)Aussiedlern kein gutes Bild abgegeben habe. Ein Beispiel dafür sei die Benachteiligung der Aussiedler bei der Rente. Merz forderte, dass die Tür nach Deutschland für Spätaussiedler weiter offenbleiben muss. Er kritisierte, dass unter Staatsministerin Claudia Roth (Grüne) aus dem Namen des Oldenburger Bundesinstituts für Geschichte und Kultur der Deutschen im östlichen Europa das Wort „der Deutschen“ gestrichen wurde ein deutliches Zeichen für die Missachtung der deutschen Geschichte und Kultur.
Der Jahresempfang bot wie immer Gelegenheit zum zwanglosen Meinungsaustausch zwischen Politik, Diplomatie, Kirchen, Wissenschaft, Kultur und Verbänden. Unter den Gästen waren auch Vertreter des Diplomatischen Corps und Botschafter der östlichen Nachbarländer, unter anderem auch die Botschafterin von Rumänien Adriana Stănescu. Unter den Vertretern der Kirchen und Glaubensgemeinschaften wurden der Leiter des Kommissariats der Deutschen Bischöfe und Hausherr des Veranstaltungsortes Prälat Dr.Karl Jüsten, sowie den Stellvertreter der Bevollmächtigten des Rats der Evangelischen Kirche in Deutschland, Dr. Stephan Iro besonders begrüßt, ebenso wie die anwesenden Vertreter aller Nichtregierungsorganisationen und Verbände, von Stiftungen und Museen, Gesellschaften und Opferverbänden.