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„Es gibt uns, wenn wir etwas tun“ - Tagung der Kreisverbände und Heimatortsgemeinschaften

Mit einer überwältigenden Teilnehmerzahl war in diesem Jahr das Frankenthaler Treffen der Vorsitzenden der Kreis- und Landesverbände der Landsmannschaft der Banater Schwaben und der Banater Heimatortsgemeinschaften („HOG-Tagung“) für viele sowohl eine große Wiedersehens- als auch eine Kennenlernrunde. Etliche Teilnehmer waren zum ersten Mal bei dieser Veranstaltung dabei, die in diesem Jahr zum 48. Mal von der Landsmannschaft ausgerichtet wurde, wie der Bundesvorsitzende Peter-Dietmar Leber eingangs hervorhob. „FT“, das Autokennzeichen Frankenthals, stehe seit Jahren bei der Landsmannschaft für „Freunde Treffen“, witzelte Anita Maurer, die Sprecherin der Heimatortsgemeinschaften, die die gesamte Veranstaltung moderierte. Gastgeber und verlässliche Organisatoren waren wie immer die Banater Schwaben aus Frankenthal, allen voran das Bundesvorstandsmitglied Walter Keller. Die Veranstaltung war allein schon angesichts der angemeldeten Teilnehmerzahl eine Herausforderung – rund 180 Personen, die nach den Jahren der Corona-Abstinenz teils als zahlende Zaungäste gekommen waren. „So viele waren wir schon lange nicht mehr“, zeigte sich Peter-Dietmar Leber in seiner Eröffnungsrede beeindruckt.
Der Bundesvorsitzende begrüßte die anwesenden Vertreter der Landesverbände, der Kreisverbände und der Heimatortsgemeinschaften, die Referenten und auch die Teilnehmer, die den weiten Weg aus dem Banat auf sich genommen hatten. Das Büro der Landsmannschaft in Temeswar war durch Walter Altmayer und Erna Paler vertreten, Dr. Claudiu Călin war von Seiten des Bistums Temeswar angereist und Astrid Weisz vertrat die Allgemeine Deutsche Zeitung und den Temeswarer lokalen Radiosender.
Ein besonders ergreifendes und beeindruckend dokumentiertes Grußwort richtete der Frankenthaler Oberbürgermeister Dr. Richard  Meyer an die zahlreiche Zuhörerschaft, das von Kenntnis um die Vergangenheit und Gegenwart das Banater Landsleute zeugte. Der gebürtige Münchner mit einer Großmutter aus Westpreußen zeigte sich kundig über die Lebenswelt der Aussiedler und Vertriebenen und deren Engagement für die Zukunft Europas.

In seinem Impulsvortrag „Landsmannschaft im Wandel – eine Agenda für morgen“ wies der Bundesvorsitzende Peter-Dietmar Leber darauf hin, dass unsere Landsmannschaft in diesem Jahr ihr 75. Jubiläum feiert und damit „so lang wie kein anderer Verband der Banater Schwaben“ besteht. Die Zeitspanne umfasst die Flüchtlinge der Nachkriegszeit, die Familienzusammenführung, die Aussiedler und Spätaussiedler und mittlerweile auch Mitglieder, die hier geboren und aufgewachsen sind, und sich dennoch zugehörig fühlen. Es gelte, Angebote für alle bereitzustellen. In diesem Sinn verteilte der Bundesvorsitzende teils streng, teils auffordernd Lob und Anregungen zu Öffentlichkeitsarbeit, Jugendarbeit, Formalien zu grenz- und gruppenübergreifenden Veranstaltungen, vor allem in Zusammenarbeit mit anderen Vereinen und Einrichtungen, ja auch den rumänischen Behörden und Entscheidungsträgern im Banat, denn „diesem Zusammensein liegt ein besonderer Zauber inne“. Die Mitglieder wurden aufgefordert, mit ihren Aktivitäten in der Banater Post Präsenz zeigen. Einen kurzen Ausblick auf die Heimattage in Ulm gab es auch und zum Schluss die Aufforderung „Landsmannschaft ist nicht nur geselliges Beisammensein, sondern auch die Verpflichtung für das, was geschaffen worden ist. Es gibt uns, wenn wir etwas tun!“

Gute Zusammenarbeit im Banat
Weiter im Programm standen die Gastredner aus dem Banat: Erna Paler, seit fast drei Jahren Vorsitzende der Adam-Müller-Guttenbrunn-Stiftung, die aus Deutschland und aus Rumänien Fördermittel erhält, stellte deren Einrichtungen und Dienstleistungen vor, insbesondere die umfassende Altenbetreuung in mehreren Orten des Banats. Das bereits 2011 bei der HOG-Tagung angesprochene Bedürfnis nach einem Büro der Landsmannschaft in Temeswar wurde 2022 realisiert, es wird von Walter Altmayer geführt, der in Frankenthal seine Tätigkeitsschwerpunkte als Vertreter der Landsmannschaft und des Hilfswerks Banater Schwaben im Banat schilderte. Diese Beiträge wurden vom Leiter des Hilfswerks Nikolaus Rennon und der Leiterin des Josef-Nischbach-Seniorenheims in Ingolstadt Christine Schneider mit den Aufgaben des Hilfswerks in Deutschland ergänzt. Es sei besonders wichtig, auf das Angebot des betreuten Wohnens hinzuweisen, vor allem in einer Gemeinschaft, bei der die Belegschaft die Banater Mundart, die vertraute Küche und die Bräuche pflege.
Eine hohe Publikumsbeteiligung mit vielen Fragen gab es nach dem Vortrag des gebürtigen Ferdinandsbergers Dr. Claudiu Călin, Diözesanarchivar, der die Wandlungen in der Heimatdiözese durch die Abwanderung der Schwaben, das Diözesanarchiv und das Zusammenwirken mit den ausgewanderten Landsleuten im Mittelpunkt hatte. Hauptanliegen der Ausgewanderten sei die Erhaltung der Denkmäler und Friedhöfe, wobei das Bistum und die Pfarreien behilflich seien. Auch für die heutigen Bewohner der Dörfer seine die Feste der Schwaben ein kulturelles Ereignis, die Zusammenarbeit sei daher in beiderseitigem Interesse.
Wurzeln für die nächste Generation
Eine dynamische Präsentation brachte am späten Samstagnachmittag ein Teil des Vorstands der Deutschen Banater Jugend und Trachtengruppen (DBJT) samt ihrem Vorsitzenden Patrick Polling. Sie zeigte eine beeindruckende Fülle von Veranstaltungen der jungen Leute, die größtenteils in Deutschland geboren und aufgewachsen sind. „Aber da ist noch ein bisschen mehr“, verriet Patrick den Grund für das Engagement in der DBJT. Erst eine Woche davor hatte das beliebte Brauchtumsseminar für Kinder und Erwachsene in Bad Wurzach stattgefunden, mit verschiedenen Workshops vom Tanzen und Wurstmachen bis zum Hutschmuckbasteln. Highlights des Jahres sind auch das Sportfest in Crailsheim, die Zeltlager oder die Beteiligung der Trachtengruppen an den Heimattagen mit eigenem Programm, nach dem Konzept „Gemeinschaft leben, die Tage genießen“. Hinzu kommt das Onlineangebot in den sozialen Medien und die Arbeitsgruppe DBJTours, bei der Kulturreisen zu den Folkloretagen nach Prag und Sanremo, aber auch ins Banat stattfanden. In diesem Jahr werde man an den Folkloretagen mit 40-50 Kindern und jungen Erwachsenen in Târgu Mureș teilnehmen. Die Jugendarbeit vor Ort geschehe vor allem in den Tanzgruppen, die ein Standbein der DBJT darstellen und Auftritte bei verschiedenen Events der HOGs und der Kreisverbände absolvieren. Auch wenn die Kindergruppen nicht so sichtbar sind, seien sie wichtig für den Nachwuchs, zumal hier erste Schritte im Tanz und in der Gemeinschaft ausprobiert werden. Mit einer interaktiven Übung zur Frage „Wie gelingt Jugendarbeit?“ sammelte man zum Schluss Schlagworte über Angebote und Einstellung der einzelnen Verbände und der Landsmannschaft, die den Beteiligten auch als Impuls mitgegeben wurden. Der Bundesvorsitzende dankte für den erfrischenden und bereichernden Vortrag der vier Jugendlichen und lobte: „Glücklich die Landsmannschaft, die einen solchen Jugendverband hat!“
Projekte und Initiativen
Beim Programmpunkt „Neue Projekte und Initativen“ stellte Angela Schmidt (eine gebürtige Marienfelderin) den Frauentreff in Frankenthal vor, bei dem Frauen im Ehrenamt am Vortag der HOG-Tagung zusammenkommen und mit Hilfe von Maria und Johann Reinholz (Sanktanna) die Region und ihre Kulturgüter kennenlernen. In diesem Jahr ging es ins Deutsche Kartoffelmuseum bei Fußgönheim, aufs dortige Schloss und dann ins Schloss Ruchheim, gleichzeitig Rathaus des Ortsteils von Ludwigshafen, der mit dem Glogowatzer Dennis Schmidt den bundesweit fünftjüngsten Ortsvorsteher hat. Auf Anregung der HOG-Sprecherin im Bundesvorstand Anita Maurer (Schöndorf) ging es anhand von fünf Fallbeispielen um die Friedhofspflege im Heimatort. Es wurden die Situationen und Lösungen für Bogarosch Ewald Spang), Großjetscha (Dr. Norbert Neidenbach), Guttenbrunn (Hiltrud Leber), Orzydorf (Eduard Ortmann) und Sanktandres (Johann Janzer) präsentiert. Weitere Initiativen und Projektpräsentationen mussten den Sonntag abwarten: Geplante Kirchweihfeste und Jubiläumsfeiern im Banat (Guttenbrunn, Großsanktnikolaus, Periamosch, Lovrin und Deutschsanktpeter) und in Deutschland (Sanktmartin, das seine 300-Jahr-Feier im fränkischen Herkunftsort feiert, wie der HOG-Vorsitzende Bernhard Fackelmann erläuterte). Ein weiterer Schwerpunkt waren Formalien und der Austausch zu Themen wie GEMA-Gebühren bei Veranstaltungen. Aus dem Publikum gefordert waren Aussprachen zum Thema der doppelten Staatsbürgerschaft, zumal es nicht selten vorkomme, dass diese von den deutschen Behörden auch als rumänisch geführt wird, der Redaktionsschluss der Banater Post, die Förderung durch das Kulturwerk Banater Schwaben aus Bayern, aber auch andere Formalien.
Die Tagungsmappe enthielt zudem statistische Zusammenstellungen über die rund 10.000 zahlenden Mitglieder der Landsmannschaft, die hauptsächlich über das Beziehen der Banater Post erfasst werden. Die Heimatortsgemeinschaften sind nicht immer eingetragene Vereine, ihre Mitgliederzahlen sind nicht als solche erfasst und bei weitem beziehen nicht alle die Vereinszeitung. Der Samstag endete mit dem kurzweiligen Mundart-Theaterstück „Matz macht Most“ von Helmut Schlauch, das die noch recht neue Theatergruppe des Augsburger Kreisverbandes zum Vergnügen der Zuschauer darbot.
Am Sonntag standen wie immer eine Heimatortsgemeinschaft und ein Kreisverband im Mittelpunkt. Dorothea Schlimmer stellte die 120 Mitglieder starke Heimatortsgemeinschaft Blumethal-Fibisch vor, die sich vor allem durch ein herausragendes „Musikantentreffen“ auszeichnet. Originell war der „Blumenthaler“ aus Schokolade, den die HOG zur 225-Jahr_Feier des Ortes herausgab. Die 250-Jahr-Feier musste pandemiebedingt mit Verspätung 2023 nachgeholt werden.
Der Einsatz lohnt sich
Anton Michels präsentierte als dessen langjähriger Vorsitzender den Kreisverband Heilbronn, der mehr als 200 Mitglieder zählt und im letzten Jahr sein 60-jähriges Bestehen feiern konnte. Die Gemeinschaft der Banater Schwaben vor Ort wird gefördert durch gemeinsame gesellige Unternehmungen und Reisen, früher aber auch durch Hilfsangebote, die vor allem den neu Zugezogenen zugutekamen. Wie überall gab es einen Einbruch durch die Pandemie, der auch die Tanzgruppe zum Opfer fiel. Derzeit setze man neben den eingespielten geselligen Veranstaltungen, Wanderungen, Maiandachten und Reisen vor allem auf Kinderaktivitäten und digitale Angebote (WhatsApp-Kanal).
Die Aussprachen und Wortmeldungen schnitten viele Themen an, die im Detail nicht alle durchgesprochen werden konnten, aber im Fokus bleiben. Das ist, wie sich wieder zeigte, neben dem persönlichen Kontakt das eigentliche Anliegen dieser jährlichen Treffen: Austausch und die Vergewisserung, dass man mit dem ehrenamtlichen Engagement nicht allein dasteht, dass man sich Anregungen holen kann und dass der Einsatz sich lohnt. Man verabschiedete sich mit dem festen Vorsatz eines Wiedersehens bei den Heimattagen in Ulm am Pfingstwochenende.