Die Rehabilitierung für politische Verfolgung in Rumänien (z.B. Deportation in die Sowjetunion oder die Baragan-Steppe, politische Verhaftung, Zwangswohnsitzverfügung etc.), wurde vom rumänischen Staat in den Gesetzen (DL) 118/1990 geregelt, durch Gesetz 211/2013 auf Betroffene im Ausland unabhängig von der Staatsangehörigkeit sowie durch die Gesetze 130/2020, Nr. 232/2020 auf Kinder von Betroffenen sowie durch Gesetz 71/2022 auf Stiefkinder ausgeweitet. Kinder und Stiefkinder haben dabei einen eigenen Leistungsanspruch, der nicht von den Eltern „abgeleitet“ wird, sondern für Defizite in der eigenen Kindheit eine Direktentschädigung darstellen soll („Kinder ohne Kindheit“).
Diese monatlichen Leistungen werden nun gem. Art. 11 Absatz 1 Buchstabe a) der Dringlichkeitsverordnung 115/14.12.2023 ab dem 1.1.2024 um 13,8 % der im Vormonat zustehenden Leistung erhöht. Bezieher der Entschädigung bekommen die Erhöhung automatisch, ein eigener Antrag auf die Erhöhung ist NICHT erforderlich.
Berechtigte (Verfolgte, nach deren Tod deren Witwen/Witwer und Kinder), die noch keine Entschädigungsleistung bekommen, sollten dringend die entsprechenden Anträge auf diese monatliche Zahlung stellen, weil Leistungen erst ab dem Folgemonat nach Zugang des vollständigen Antrages mit allen nötigen Anlagen bei der rumänischen Entschädigungsbehörde gezahlt werden. Leistungen bei Neuantrgägen werden dann automatisch mit der ab dem 1.1.2024 geltenden Erhöhung berechnet.
Aktuelle und künftige Änderungen
Vorab sei nach nun drei Jahren Erfahrungen mit der Umsetzung dieser sehr wichtigen Entschädigungsregel festgehalten, dass bei ordnungsgemäßer Antragstellung die Ansprüche zuerkannt werden und – auch nach anfänglich langen Wartezeiten - die Leistungen inzwischen unproblematisch erfolgen und auf das Konto der Berechtigten in Deutschland ausgezahlt werden. Über die Voraussetzungen einer Antragstellung wurde in der Banater Post bereits mehrfach berichtet. Daher soll im Folgenden nur auf einige aktuelle und künftige Änderungen eingegangen werden:
Künftig wird bei Bezug dieser Leistung auf Grund von allgemeinen Änderungen im europäischen Leistungstransfer zweimal im Jahr (bisher einmal) die Vorlage einer Lebensbescheinigung nach amtlichem deutsch-rumänischem Formular gefordert. Dieses wird von den Behörden automatisch angefordert, es muss dann nach Bestätigung durch eine Ortsbehörde, einen Sozialleistungsträger (z.B. eine AOK oder eine Rentenbehörde) oder eine andere Dienststelle umgehend an die anfordernde Behörde zurückgesendet werden. Durch die offizielle Anforderung dürften bisherige Schwierigkeiten bei der Einholung der Bestätigung durch weniger erfahrene Gemeindeverwaltungen entfallen.
Bei einigen Kreisbehörden (AJPIS) werden erhöhte Anforderungen an vorgelegte Übersetzungen, an Belege zum genauen Zeitraum der Verfolgung oder zum letzten Wohnsitz in Rumänien oder die Bestätigung der nötigen Urkunden gestellt. AJPIS Bukarest etwa lehnt Anträge von Personen, die außerhalb Rumäniens geboren wurden (und daher nie einen Wohnsitz dort hatten) sogar rechtswidrig ab, während in anderen Kreisbehörden entsprechende Antragstellungen bei Beachtung der Verfahrensvorschriften erfolgreich sind.
Das Gesetz regelt die Zahlung von Entschädigungen für alle Arten politischer Verfolgung und auch für Opfer von Kriegsgefangenschaft und deren Nachkommen. Neu ist hingegen eine nach unserer Auffassung ebenfalls rechtswidrige Ablehnung nach Kriegsgefangenschaft oder Deportation von Rumäniendeutschen, die nicht zur rumänischen Armee, sondern nach damaligen Regeln in Rumänien zur deutschen Wehrmacht eingezogen wurden und dann von dort in Kriegsgefangenschaft oder Deportation gelangt sind. Wenn bisher nur der Vermerk „SS-Verbände“ zu Ablehnungen geführt hat, kommen immer mehr AJPIS nun rechtswidrig zur Ablehnung selbst bei dem normalen Kriegsdienst in der Wehrmacht.
Das Entschädigungsgesetz selbst spricht nur von „Kriegsgefangenschaft“. Diese ist in Rumänien in einem eigenen Gesetz Nr. 44/1994 näher definiert: Art 1 nennt zwar nur „Kämpfer in der rumänischen Armee“, Art. 2 Buchst.c erweitert dieses jedoch ausdrücklich um „Personen deutscher Volkszugehörigkeit, die verpflichtend in die Verbände der deutschen Wehrmacht eingezogen wurden und die rumänische Staatsangehörigkeit und den Wohnsitz in Rumänien behalten oder wiedererworben haben“. Die entsprechenden Ablehnungen der AJPIS beruhen daher auf Unkenntnis dort und sind rechtswidrig.
Es ist zu befürchten, dass immer mehr Entschädigungsbehörden diese klare gesetzliche Regelung in Rumänien weiter missachten und es auf Rechtsstreitigkeiten ankommen lassen werden. Betroffenen empfehlen wir, unter Vorlage geeigneter Unterlagen den Antrag gem. Art. 5 dieses Gesetzes eine Bestätigung der Kriegsgefangeneneigenschaft (constatarea calitatii de prizonier de razboi) bei dem dafür zuständigen rumänischen Verteidigungsministerium zu beantragen.
Anrechenbarkeit von Entschädigungen
Da vermehrt Rückfragen zur Anmeldepflicht bzw. Anrechenbarkeit dieser monatlich für politische Verfolgung und Benachteiligung zu Zeiten des kommunistischen Unrechtsregimes in Rumänien gezahlten Entschädigung für Berechtigte in Deutschland gestellt werden, soll hier nochmals zur Rechtsnatur dieser Zahlung Stellung genommen werden:
Gem. Art. 7 Abs. 1 des Entschädigungsgesetzes (DL 118/1990) sind die Entschädigungszahlungen nach diesem Gesetz Sonderleistungen als Entschädigung für konkret benannte Sachverhalte von politischer Verfolgung und von einer Anrechnung auf andere Sozialleistungen, auf Leistungen von Wohngeld, von Schüler- und Studentenbeihilfen und vergleichbaren Leistungen ausgenommen. Sie dürfen bei Prüfung von Einkommensgrenzen, z.B. für Wohngeld oder Wohnberechtigungen, nicht berücksichtigt werden. Gem. Art. 7 Abs. 2 sind die Entschädigungsleistungen steuerfrei und bezugsneutral für andere Sozial- und Rentenleistungen.
Die Leistung entspricht damit vom Leistungszweck und der rechtlichen Einordnung einer Entschädigungsleistung nach der Richtlinie über eine Anerkennungsleistung für ehemalige deutsche Zwangsarbeiter vom 7.6.2016 (ADZ-Richtlinie) in Deutschland. Es ist keine „Rente“, sondern eine monatliche Sonderleistung nach Entschädigungsrecht. Es ist auch nicht eine Leistung „aus der gesetzlichen Rentenversicherung“ und auch keine Ersatzleistung an Stelle einer solchen, selbst wenn die Auszahlung durch die Rentenkasse in Rumänien erfolgt. Genehmigt wird diese Leistung nämlich nicht vom Rentenamt CJP (Casa Judeţeană de Pensii), sondern dem Grunde nach von dem rumänischen Entschädigungsamt AJPIS (Agenţia Judeţeană pentru Plăţi și Inspecţie Socială). Der Rentenzahlstelle wurde nur die Auszahlung dieser Entschädigungsleistung aus dem für Entschädigungen vorgesehenen Haushalt übertragen, nach Erhalt des Genehmigungsbescheides seitens der Entschädigungsbehörde AJPIS
Auf Leistungen nach dem SGB XII (Grundsicherung, Sozialhilfe usw.) in Deutschland ist diese Entschädigungsleistung nicht anzurechnen, weil sie ausschließlich Entschädigungscharakter für politische Verfolgung hat. Sie dient damit einem anderen Zweck als alle Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Nr. XII. Es handelt sich um berücksichtigungsfreie Einnahmen nach § 82 SGB XII in gleicher Anwendung der Regelungen für Leistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) und der Anwendungsgesetze.
Bei Anträgen an die Krankenhasse auf Befreiung von der Zuzahlungspflicht zu Ausgaben für die Gesundheit nach § 62 SGB V sind solche Entschädigungsleistungen bei Prüfung der Belastungsgrenze nach dem Gemeinsamen Rundschreiben der Spitzenverbände der Krankenkassen vom 4.12.2013, in der Fassung vom 18/19.6.2019, nicht zu berücksichtigen (Rundschreiben, Punkt 6.2.)
Die Entschädigungsleistung ist kein Einkommen im Sinne des Steuerrechtes und damit auch in Deutschland steuerfrei.
Muss ich die Entschädigung nach Dekret 118/1990 bei Behörden angeben?
Die Frage nach einer Angabepflicht dieser Entschädigungsleistung ist von der Frage nach einer Anrechenbarkeit dieser Entschädigungsleistung auf unterschiedliche andere Leistungen zu unterscheiden: Ob die Leistung in Fragebögen oder bei Anträgen anzugeben ist, kann nicht allgemein beantwortet werden. Es kommt immer darauf an, wonach gefragt wird.
Wird etwa im Antrag auf Rente der gesetzlichen Rentenversicherung gefragt, ob andere Renten aus dem Ausland bezogen werden, muss die Entschädigungsleistung nicht angegeben werden, weil sie keine Rente ist. Wird hingegen in einem Formular einer Behörde nach „sonstigen Einnahmen“ gefragt, muss natürlich diese Leistung unter richtiger Benennung als „monatliche Entschädigungsleistung für politische Verfolgung“ angegeben werden. Jede Behörde prüft dann in Abhängigkeit des anzuwendenden Rechtsgebietes, ob die Entschädigungsleistung dort anzurechnen ist oder nicht. In aller Regel ist sie auf Grund ihres Sondercharakters als Entschädigung für Verfolgung und Deportation nicht anzurechnen. Wichtig ist, die Leistung richtig zu benennen, um Behörden nicht unbeabsichtigt in die Irre zu führen und dadurch falsche Anrechnungen herbeizuführen. Im Zweifel wäre gegen Bescheide mit einer Anrechnung dieser Entschädigung rechtzeitig Widerspruch einzulegen und eine Überprüfung der Anrechenbarkeit zu beantragen.
Rat und Hilfe bei Stellung dieser Anträge erteilen Rechtsanwälte mit besonderer Erfahrung auf dem Gebiet des rumänischen Entschädigungsrechtes.