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Jubiläumsfahrt nach Neu-Arad: Ein Juwel in unseren Herzen

Blick in die vollbesetzte Kirche während der Messe des 200-jährigen Kirchenjubiläums der Kirche in Neu-Arad. Über 70 Kirchweihpaare wirkten beim Kirchweihfest mit. Fotos: Josef Künstler

Drei Gedenktafeln ließ die HOG Neu-Arad anlässlich des 300-jährigen Jubiläums der Ansiedlung der Deutschen in der Gemeinde Neu-Arad erstellen. Eine von ihnen wurde im Friedhof aufgestellt.

Das 300-jährige Jubiläum der Ansiedlung der Deutschen in der Gemeinde Neu-Arad im Jahre 1723 und das 200-jährige Jubiläum der Weihe der römisch-katholischen Kirche im Jahre 1823 waren im September Anlass für die unvergessliche Reise einer Gruppe von Landsleuten in die alte Heimat. Über die Feierlichkeiten und auch über das Kirchweihfest wurde schon berichtet. Ich möchte mich in diesem Bericht deshalb auf die Reise selbst und insbesondere auf den langen Weg der Vorarbeiten beschränken, die diese überhaupt erst ermöglichten. 
Frühe Planung erforderlich
Die Vorbereitungen zu den beiden Jubiläen begannen bereits im Frühjahr 2022. Die enge und gute Zusammenarbeit der HOG mit dem Demokratischen Forum der Deutschen Arad (FDGA) war die primäre Voraussetzung für das Gelingen der beiden Jubiläen. Während das FDGA für die Organisation vor Ort zuständig war, für die Einbindung der über 70 jugendlichen Kirchweihpaare, die Einladung, Betreuung und Bewirtung der vielen Gäste, die Überwachung, Fertigung und Montage der Gedenktafeln usw., hatte die HOG Neu-Arad die Konzeption der Texte auf den Gedenktafeln, deren Finanzierung, die Anreise der Landsleute, die Gestaltung der Andacht zum Gedenken an unsere verstorbenen Landsleute im Friedhof und die der Jubiläumsmesse in der Neu-Arader Kirche übernommen.
Ziel der Reise war es, die zwei oben erwähnten Jubiläen gebührend zu feiern, Landsleuten zu begegnen, neue Bekanntschaften zu schließen sowie die Erinnerungen an die Kindheit, Jugend und das Wirken in der alten Heimat nochmal aufleben zu lassen. Die drei Gedenktafeln, die im Friedhof, an der Kirche und am Gebäude des FDGA enthüllt wurden, sollen als Visitenkarten der einst hier lebenden deutschen Gemeinde verstanden werden, gerichtet an alle, die an unserer Geschichte interessiert sind. Für viele Neu-Arader war es altersbedingt wohl die letzte Begegnung mit dem Geburtsort, doch die noch junggebliebenen Neu-Arader und ihre Nachkommen sollen durch diese Zeugnisse auch in Zukunft eine Erinnerung an ihren Heimatort haben und ihn immer besuchen können.
HOG verbindet die Entwurzelten
Die HOG Neu-Arad ist, wie viele andere Heimatortsgemeinschaften unserer Landmannschaft, dazu da, uns „Entwurzelten“, die in alle Teile der Bundesrepublik Deutschland verstreut sind, unsere Erinnerungen an die alte Heimat Neu-Arad, an unsere Traditionen, unsere Erziehung und unsere Werte zu bewahren. Auch wenn wir viele gemeinsame Grundvoraussetzungen hatten, mussten wir hier unterschiedliche neue Wege gehen, sind an den neuen Herausforderungen gewachsen oder teilweise auch gestrauchelt. Die HOG Neu-Arad hat durch die vielen Veranstaltungen, die sie - mit viel Mühe und immer viel Fleiß von Einzelnen- für uns alle organisiert hat, das Band zwischen uns allen aufrechterhalten und damit das Gefühl der Zugehörigkeit und des Beisammenseins auch in schweren Zeiten gestärkt. Die Gemeinschaft hat uns oft die Kraft gegeben, zu bestehen, wenn so mancher als Einzelner vielleicht verzagt oder aufgegeben hätte. Nun, genau dieser HOG Neu-Arad verdanken wir es, dass dieses Jubiläum in so einer perfekten Form gelungen ist, die jedem Teilnehmer gerecht wurde und allen als einmaliges Ereignis in Erinnerung geblieben ist.
Bereits im Mai 2022 sind Vertreter der HOG - der Vorsitzende Anton Hans und die beiden Stellvertreter Josef Künstler und Johann Zabos - nach Neu-Arad gefahren, um vor Ort Kontakt zu Pfarrer Mathias Dirschl sowie zu den Vertretern des Forums Adelheid Simon und Michael Szellner aufzunehmen, um das Jubiläums-Projekt, den Ablauf, den Wortlaut der Gedenktafeln und den möglichen Ort ihrer Anbringung detailliert zu besprechen.
Das Forum befindet sich im ehemaligen Haus von Anton Braun und im Garten dieses Gebäudes wurde ein neuer Festsaal gebaut, der insbesondere den Jugendlichen und Künstlern für kulturelle Veranstaltungen dienen soll. Die Eröffnung des Kulturheims am 8. September, das Hochamt mit Kirchweih am 9. September und die Messe am 10. September wurden besprochen. Die Gedenktafeln mussten natürlich auch mit der Stadt Arad abgestimmt und offiziell genehmigt werden, bevor man sie in Auftrag geben konnte. Auch die Kosten mussten bedacht und kalkuliert werden.
Frühzeitig wurde ein Flyer konzipier. Er beinhaltet eine kurzgefasste Geschichte der römisch-katholischen Kirche und Jahreszahlen der wichtigsten Ereignisse aus der Geschichte der deutschen Gemeinde Neu-Arad. Auch die Eckdaten des Reiseprogramms und die Kontaktdaten zum Busreiseunternehmen Feil Reisen wurden im Flyer kommuniziert , damit sich jeder persönlich anmelden konnte. Im September 2022 wurde das Vorhaben in groben Umrissen beim Kirchweihball in Ingolstadt vorgestellt.
Nach den ersten verbindlichen Anmeldungen war rasch klar, dass die Zahl der Teilnehmer an der Jubiläumsfeier zwei Busse erforderlich machen würde, zusätzlich wollten viele Neu-Arader aber auch privat anreisen. Um auch noch das letzte Detail vor Beginn der Reise perfekt abzustimmen, fuhr Josef Künstler im Mai 2023 nochmals nach Neu-Arad. Nun wurden auch die Ausflüge nach Temeswar und Radna abgestimmt.
Alte Erinnerungen leben auf
Die Reiseteilnehmer starteten voller Erwartung, Neugierde und Aufregung. Die meisten waren im Temeswarer Hotel Continental untergebracht, was viele persönliche Gespräche, lustige Frühstücksbuffets und grüppchenweise Abendspaziergänge erlaubte. Alte Erinnerungen und lustige Geschichten aus der Schulzeit wurden lebendig und man ignorierte den Zahn der Zeit für diese kurzweilige Woche. Der Marktbesuch war fast ein Muss, stand doch so mancher als Kind mit der Oma hinter der Verkaufstheke. Bei der Fülle und Vielfalt der dargebotenen Waren wurde so mancher Gaumengenuss wieder lebendig, den man in Deutschland mit viel Geld nicht bezahlen kann. Die Süße der Früchte, das langersehnte Erlebnis der Reife des Obstes vom Baum, die aus der Kindheit bekannten Käsesorten, der Langos. Auch die Besuche in den Konditoreien mit den immer noch gleichen Tortensorten aus der Kindheit und auch der Genuss der traditionellen rumänischen Gerichte machten die Woche zum kulinarischen Erlebnis. In Erinnerung bleibt die wunderbare Führung durch Temeswar mit Benjamin Neurohr und der gesellige Abend in der Casa Gian Marco, zu dem die HOG Neu-Arad alle eingeladen hatte. Ein Höhepunkt war der Ausflug nach Maria Radna mit dem ergreifenden Wallfahrtsgottesdienst, den Pfarrer Reinholz speziell auf die Neu-Arader abgestimmt hatte. Die Lieder berührten uns sehr, zeigten sie uns doch, wie vergänglich Menschenleben ist und wie wunderbar zeitüberdauernd die Lieder und die tiefen Gefühle, die sie in uns auslösen können. Im Klostermuseum entdeckten wir auf so mancher Gedenktafel bekannte Persönlichkeiten. Das Essen im Speisesaal des Klosters war auch von der HOG Neu-Arad vorab organisiert. Tief aufgewühlt und dankbar fuhren wir mit dem Bus wieder ins Hotel zurück, vorbei an Dörfern, die wir zum Teil nicht mehr wiedererkannten.
Unser Erbe in guten Händen
Über Jubiläumstage wurde bereits viel berichtet, es wurden Reden gehalten, Dankesworte ausgetauscht und Gedenktafeln enthüllt. Nichts kann aber darüber hinwegtäuschen, dass es die Deutschen im Banat in 50 Jahren nicht mehr geben wird. Also sind wir dankbar, dass die heute in Neu-Arad lebenden Nationalitäten, vor allem die Rumänen, unsere Sprache, einen Großteil unserer Traditionen und unsere Häuser unter der Schirmherrschaft des Forums pflegen und die Erinnerung an uns durch die angebrachten Gedenktafeln wachhalten. Dies zeugt davon, dass nach 300 Jahren des friedlichen Zusammenlebens das Positive, das mit dem Herzblut, den Entbehrungen und der Plackerei unsrer Ahnen aufgebaut worden ist, überleben wird. Das Forum, die Gedenktafeln, die Tradition der Kirchweih, die vielen kulinarischen Besonderheiten, die deutsche Unterrichtssprache am Gymnasium, die Blasmusik, die Tänze erinnern an uns und unsere deutsche Kultur. Auch wenn es fremde Menschen sind, die die Erinnerung an uns am Leben halten. Wir haben die Heimat durch freie Entscheidung verlassen, nicht als Vertriebene. Diese Heimat hat sich in 50 Jahren verändert, so wie wir auch. Wichtig bleibt die Erinnerung, das Besinnen auf das, was wir waren, was uns geprägt hat, was wir sind. Viele Deutsche haben über fast 300 Jahre das Banat mitgestaltet. Wir können nur hoffen und wünschen, dass unser Vermächtnis von den neuen Banatern gepflegt und gewürdigt wird. Die Arbeit des Forums ist eine Anerkennung dessen, was die Neu-Arader sich einst aufgebaut und erkämpft haben, trotz oft widriger Umstände.
Die HOG Neu-Arad hilft uns, in Deutschland im Kontakt zu bleiben. Sie hilft uns aber auch, die alte Heimat nicht zu vergessen, uns zu erinnern, was schön war, was auch grausam war, was uns aber geprägt hat. An alles, was uns zu dem heranwachsen ließ, was wir heute sind. Sie hilft uns, uns regelmäßig wiederzusehen. Die HOG ist für uns alle der Anker im Weltmeer des Vergessens. Bemühen wir uns alle, sie zu erhalten und zu unterstützen – und all die, die sich mit Ideen und Fleiß in ihr einbringen. Für die sehr gut organisierte Jubiläumsreise sagen wir in diesem Sinn ein aufrichtiges Dankeschön. Der immense Einsatz der Vorstandschaft der HOG Neu-Arad hat uns allen ein unvergessliches Erlebnis bereitet, das wir noch lange wie ein kleines Juwel in unseren Herzen tragen werden.