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Minderheitentagung in Temeswar

Am Rande der Minderheitentagung überreichte der Landesvorsitzende Dr. Paul-Jürgen Porr die Ehrennadel in Gold des DFDR an Markus Ferber, MdEP, stellvertretend für die Hanns-Seidel-Stiftung. Foto: Siegfried Thiel

Auf Einladung der Hanns-Seidel-Stiftung fand vom 19. bis zum 21. Oktober in Temeswar als Kulturhauptstadt Europas die Konferenz „Nationale Minderheiten in Rumänien und Europa“ statt. Interessierte Gäste und Vertreter der Institutionen hatten Gelegenheit, sich zu aktuellen Problemen der europäischen  Minderheitenpolitik auszutauschen. 
Im Festsaal des AMG-Hauses führte der Geschäftsführer des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien (DFDR) Benjamin Josza mit Witz in deutscher Sprache durch das Programm. 
Begrüßt wurden die Gäste vom Vorsitzenden des Banater DFD Dr. Johann Fernbach, vom DFDR-Landesvorsitzenden Dr. Paul-Jürgen Porr und vom Temeswarer Bürgermeister Dominic Fritz, der in seiner Rede die „natürliche Vielfalt” in Temeswar hervorhob.
Der Vorsitzende der Hanns-Seidel-Stiftung, der CSU-Politiker Markus Ferber, MdEP, hielt ein Impulsreferat in englischer Sprache über die legislative Grundlage des Minderheitenrechts in Europa. Zahlreiche Errungenschaften, Abkommen und Resolutionen seien entstanden, doch es gäbe vielfach keinen Konsens über Minderheitenrechte. Der EU fehle hier die Zuständigkeit, jedoch können Institutionen wie die Hanns-Seidel-Stiftung Diskussionen und Austausch anregen.
Im Rahmen der Veranstaltung wurde Markus Ferber vom DFDR-Vorsitzenden Dr. Paul-Jürgen Porr stellvertretend für die Leistungen der Hanns-Seidel-Stiftung die Ehrennadel in Gold feierlich überreicht. Laudator Ovidiu Ganț würdigte die Verdienste der Stiftung bei der Förderung der nationalen Minderheiten in Rumänien, insbesondere der deutschen, durch verschiedene Förderprojekte im Bereich der politischen Bildung.  
Im zweiten Teil der Konferenz referierte der DFDR-Landesvorsitzende Dr. Paul-Jürgen Porr über  die deutsche Minderheit in Rumänien. Der DFDR-Abgeordnete Ovidiu Ganț sprach anschließend über die Brückenrolle der deutschen Gemeinschaft aus Rumänien und ihre Auswirkung auf das bilaterale Verhältnis zu Deutschland und Europa. Als Erfolgsmodell präsentierte der Präsident der jüdischen Gemeinschaften Rumäniens Silviu Vexler die freundschaftliche Zusammenarbeit zwischen der deutschen und der jüdischen Gemeinde in Rumänien. 
Schluss und Höhepunkt des ersten Konferenztages bildete die Podiumsdiskussion mit Markus Ferber und Ovidiu Ganț zur Rolle der Minderheiten in Europa. Nationale Minderheiten, so das Fazit, hätten eine Vorbildfunktion für friedliches Zusammenleben und Integration zu erfüllen, wobei die Pflege der ethnischen Identität sich nicht auf Folklore beschränken dürfe. Mit Bedauern stellte Ferber fest, dass Deutschland sich hinsichtlich der deutschen Minderheiten in Mittel- und Osteuropa immer weniger öffentlich engagiere. 
Am zweiten Konferenz-Tag stand das Minderheitenrecht in europä­i­schen Ländern im Fokus. Dr. Radu Carp, Experte für Menschen- und Minderheitenrecht an der Universität Bukarest, moderierte fachkundig. Referenten waren Dr. Ihor Lossovskyi vom ukrainischen Staatsamt für Ethnien und Gewissensfreiheit, BdV-Präsident Dr. Bernd Fabritius,   der die Minderheitenrechtslage in Deutschland darstellte, sowie Thomas Șindilariu, Unterstaatssekretär im Departement für Interethnische Beziehungen (DRI), der über die Rechtslage der Minderheiten in Rumänien sprach. Die Leiterin der Direktion für die Stärkung der interethnischen Beziehungen der Republik Moldau Ludmila Burlaca schilderte die Situation der 40 anerkannten ethnischen Gruppen, die  in ihrem Land ein Viertel der Bevölkerung ausmachen. Ábel Ravasz, Präsident des Mathias Bel Instituts für die politische Unterstützung und Erforschung der Minderheiten, legte dar, dass 20 Prozent der slowakischen Bevölkerung einer  Minderheit angehören, die Hälfte davon seien Ungarn.  
In einer Podiumsrunde beleuchteten Forscher aus Rumänien, Ungarn, der Republik Moldau und der Ukraine anschließend die Sicherheitsdimension der Minderheitenproblematik. Die aktuellen Kriege würden Minderheiten hart treffen, besonders indigene Völker in der Ukraine, wie die Krimtataren, die auf kein Mutterland als Unterstützung bauen können. Wie in Transnistrien unter einem linguistischen Vorwand eine Minderheit das Leben einer Mehrheit diktiert, zeigte Alexandru Postic als Mitglied des Obersten Rates für Magistratur und strategische Planung auf, während der ungarische Forscher Dr. Atilla Demkó, Leiter des Zentrums für Geopolitik am Mathias Corvinus Kollegium in Budapest, klarmachte, dass alle jüngeren Konflikte und Kriege, von England bis Griechenland, mit Minderheiten zu tun hätten, aber auch, dass Minderheiten in internationalen Konflikten instrumentalisiert werden. Die Staaten hätten nicht nur nach einer demokratischen Stabilität zu trachten, sondern auch nach sozialer Kohäsion und interethnischer Versöhnung, lautete die Schlussfolgerung.
Die abschließenden Bemerkungen zur Tagung formulierte der Regionalleiter für Zentral- und Osteuropa der Hanns-Seidel-Stiftung Benjamin Bobbe: Gelebte Völkerverständigung sei bei der Tagung zum Ausdruck gekommen, aber auch die Notwendigkeit nach einem unterstützenden Rahmen für den Fortbestand von Minderheiten. Dieses Gerüst baue im Kern auf Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und Menschenrechte. Minderheitenrechte sollen nicht nur als EU-Beitrittskriterium abgehakt, sondern implementiert und gelebt werden. Der internationale Dialog zum Minderheitenthema sei weiter nötig, wozu die Hanns-Seidel-Stiftung ihren Beitrag leisten werde.