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Auch ehemalige Zwangsverschleppte ohne rumänische Staatsangehörigkeit erhalten Entschädigung

Blick in den Plenarsaal der Abgeordnetenkammer, Rumäniens Außenminister Titus Corlăţean präsentiert vom Rednerpult aus den Standpunkt der Regierung zum Gesetzesvorhaben.

Rumänisches Parlament verabschiedet Novelle des Entschädigungsdekrets 118/1990 - Die Abgeordnetenkammer des rumänischen Parlaments hat am 5. Juni beschlossen, die Opfer von politischer Verfolgung, die nicht mehr im Besitz der rumänischen Staatsangehörigkeit sind, in den Anwendungsbereich des Entschädigungsdekrets 118/1990 einzubeziehen. Die vom Verband der Siebenbürger Sachsen in Deutschland in Absprache mit den Landsmannschaften der Banater Schwaben sowie der Sathmarschwaben angestoßene Gesetzesänderung war am 3. April von der rumänischen Regierung als Gesetzesvorhaben beschlossen und am 14. Mai vom rumänischen Senat (dem Oberhaus des rumänischen Parlaments) einstimmig als Gesetz verabschiedet worden. Der Beschluss der Abgeordnetenkammer erfolgte ebenfalls einstimmig, nachdem ein Änderungsantrag der oppositionellen Demokratisch-Liberalen Partei (PDL) abgelehnt worden war.

Nach Inkrafttreten des Gesetzes werden alle Betroffenen von politischer Verfolgung in Rumänien sowie die Opfer von Deportation und Kriegsgefangenschaft, unabhängig von der heutigen Staatsangehörigkeit und dem Wohnsitz, eine Entschädigungszahlung beantragen können. Diese wird monatlich auf das Konto der Betroffenen in Euro ausgezahlt. Antragsberechtigt sind die Betroffenen und, nach deren Ableben, die nicht wieder verheirateten Witwen/Witwer.

Betroffen sind gemäß Artikel 1, Absätze 1 und 2 des Dekrets 118/1990 – wieder-veröffentlicht im Amtlichen Gesetzblatt Rumäniens (Monitorul Oficial al României), Teil I, Nr. 631 vom 23. September 2009 – alle Personen, die auf Grund politischer Verfolgung nach Verurteilung oder auf Grund eines Haftbefehls Freiheits-entzug erlitten haben, durch Administrativmaßnahmen oder zu Untersuchungen von den Repressionsbehörden festgehalten wurden, in psychiatrische Anstalten eingewiesen waren, einen Zwangswohnsitz zugewiesen bekommen haben, zwangsweise in andere Ortschaften umgesiedelt wurden, nach dem 23. August 1944 ins Ausland verschleppt wurden, in sowjetische Kriegsgefangenschaft geraten sind oder nach Vereinbarung des Waffenstillstands in Kriegsgefangenschaft behalten wurden. Die wichtigsten Anwendungsfälle für die Deutschen aus Rumänien dürfte die Zwangsdeportationen in die Sow-jetunion sowie die Zwangsumsiedlung in die Baragan-Steppe sein.

Gemäß Artikel 4, Absatz 1 des Dekrets 118/1990 erhalten die betroffenen Personen eine monatliche Entschädigung von 200 Lei für jedes Jahr Freiheitsentzug, Zwangsumsiedlung, Verschleppung ins Ausland oder Kriegsgefangenschaft. Absatz 3 legt fest, dass dieser Betrag durch Regierungsbeschluss der Preisentwicklung angepasst wird.

Auf Einladung des rumänischen Außenministers Titus Corlatean und des Präsidenten der Abgeordnetenkammer, Valeriu Stefan Zgonea, nahm der Bundesvorsitzende des Verbandes der Siebenbürger Sachsen in Deutschland, Dr. Bernd Fabritius, an der entscheidenden Plenarsitzung der Abgeordnetenkammer teil. Am Tag davor hatte ein Arbeitstreffen im rumänischen Sozialministerium stattgefunden, unter dessen Aufsicht die für die Anwendung des Entschädigungsdekretes 118/1990 zuständigen Behörden tätig sind. Bei dem Treffen, an dem sich die Präsidentin der Nationalen Rentenbehörde, Staatssekretärin Ioana Ciutan, der Generaldirektor der Nationalen Agentur für Sozialdienstleistungen, Adrian Toader, die Direktorin der Abteilung Sozialsicherung im Arbeitsministerium, Georgeta Juganaru, und die Direktorin der Rentenkasse, Ioana Nemesi, beteiligten, konnten Grundsätze zur Vereinfachung der Antragstellung und zur Beschleunigung der Antragserledigung bis zur Auszahlung des Geldes an die Betroffenen besprochen werden, teilte Dr. Bernd Fabritius mit. So soll die Antragstellung auf einem zweisprachigen Formular möglich sein, wenn die erforderlichen Unterlagen in beglaubigter Kopie beigefügt werden. Vorgelegt werden müssen Kopien der Personenstandsurkunden der Antragsteller (Geburtsurkunde, Heiratsurkunde, gegebenenfalls Sterbeurkunde), Nachweise über die erlittene Maßnahme (Bescheinigungen, Arbeitsbücher, sofern die Maßnahme dort eingetragen ist, gegebenenfalls Zeugenaussagen), jeweils in rumänischer Sprache, sowie die für eine Auszahlung erforderlichen Belege (Zahlungserklärung, Kopie eines Kontoauszuges zum Nachweis der eigenen Bankverbindung, Lebensbescheinigung). Der Antrag kann bei der zuständigen Sozialbehörde (Agentia Judeteana pentru Plati si Inspectie Sociala) des letzten Wohnsitzes in Rumänien gestellt werden.

Am 5. Juni fand dann die Plenarsitzung der Abgeordnetenkammer statt. Außenminister Corlatean stellte das Gesetzesvorhaben vor, betonte die herausragende Bedeutung der Deutschen aus Rumänien für die Entwicklung des Landes im Laufe der vergangenen Jahrhunderte sowie die Ungerechtigkeit des Kriegsfolgeschicksals und bat die Abgeordneten daher um breite Unterstützung für diese „lange überfällige“ Reparation. Danach nutzte auch der Abgeordnete des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien, Ovidiu Gant, als stellvertretender Vorsitzender der Fraktion der ethnischen Minderheiten die Gelegenheit, die Bedeutung dieser Rechtsanpassung für die Gesamtgemeinschaft der Deutschen aus Rumänien hervorzuheben. Danach wurde das Änderungsgesetz mit 269 von 270 Stimmen bei einer Stimmenthaltung einstimmig beschlossen.

„Es ist heute ein besonders wichtiger Augenblick, und so ist es auch zu erklären, dass die rumänische Regierung dieses im Grundsatz vom Außenministerium verwaltete Gesetzesvorhaben auf den Weg gebracht hat. Es ist eine Geste, die – wie wir wissen – von den aus Rumänien stammenden Deutschen begrüßt wird, von denen, die in Rumänien und in anderen Ländern wohnen, und ich weiß, dass dieses auch in Berlin erwartet wird und dass es positive Auswirkungen haben wird“, sagte der rumänische Außenminister und dankte den Abgeordneten für die einstimmige Zustimmung zu diesem Gesetz. Der Abgeordnete Ovidiu Gant dankte seinerseits seinen Kollegen für die Einstimmigkeit bei dieser Abstimmung sowie der rumänischen Regierung für dieses Vorhaben im Namen der in Rumänien und im Ausland lebenden Deutschen.

Die Landsmannschaft der Banater Schwaben begrüßt die Verabschiedung des Gesetzes durch das Bukarester Parlament und dankt der rumänischen Regierung, insbesondere Außenminister Titus Corlatean, für die Einbringung der Gesetzesvorlage. Damit wird eine langährige Forderung der Landsmannschaften der Deutschen aus Rumänien umgesetzt. Nach Inkrafttreten des Gesetzes wird die Landsmannschaft hierzu ein Seminar für ihre Gliederungen (Kreisverbände und Heimatortsgemeinschaften) anbieten.  (BP)

Entschädigung auch ohne rumänische Staatsangehörigkeit

Das neue Gesetz, durch das ehemals Deportierte auch dann eine rumänische Rente beantragen können, wenn sie die rumänische Staatsangehörigkeit nicht mehr besitzen, gilt auch für Baragan-Deportierte. Dies sagte der rumänische Außenminister Titus Corlatean auf Nachfrage der Landsmannschaft der Banater Schwaben auf einer Veranstaltung der Friedrich-Ebert-Stiftung am 10. Juni in Berlin. Corlatean zufolge wird durch das neue Gesetz das Entschädigungsdekret 118/1990 so ergänzt, dass nun auch ehemals Deportierte einbezogen werden, die die rumänische Staatsangehörigkeit nicht mehr besitzen. Auf derselben Veranstaltung räumte Premier Victor Ponta vor rund 200 Zuhörern ein, dass das neue Gesetz spät komme. „Aber besser spät als gar nicht“, betonte Ponta. Mit dem Gesetz wolle seine Regierung auch den deutschen Deportierten Gerechtigkeit widerfahren lassen. Ernst Meinhardt (Berlin)