Seminar der Deutschen Banater Jugend und Trachtengruppen
Vor mehr als zweihundert Jahren zogen Siedler aus verschiedenen Regionen des deutschen Kaiserreiches ins Banat. Vollbeladen mit allernötigstem Gepäck traten sie die schwere Reise an und gründeten viele Dörfer und Ortschaften. So ähnlich entstand am 5. Februar 2010 eine Ansiedlung, jedoch nicht im schwäbischen Banat, sondern auf der Schwäbischen Alb. Genauer gesagt die Siedlung „Sonnenmatte“. Aus vielen Teilen Deutschlands traten die Nachkommen der damaligen Siedler ihre Reise an, doch nicht mit „Handkarren und Ulmer Schachtel“, sondern mit motorisierten Vehikeln trafen sie nach und nach ein. Viele begrüßten sich strahlend und mit innigen Umarmungen, Neuzuwanderer wurden sofort freundlich in die Gruppe aufgenommen. Man bekam ein Haus zugeteilt, richtete sich wohnlich ein und traf sich danach im „Dorf-Treff“.
Es ist wieder einmal „Seminarzeit“: das erste Tanzund Brauchtumsseminar in diesem Jahr, wozu der Vorsitzende der „Deutschen Banater Jugend und Trachtengruppen“, Harald Schlapansky und seine Stellvertreterin Theresia Teichert, eingeladen haben. Neun Tanzgruppen haben sich ange-meldet, insgesamt 105 Personen, davon die Hälfte Kinder und Jugendliche. Zugegen waren die Gruppen aus München, Nürnberg, Esslingen, Singen, Spaichingen, Würzburg und Crailsheim. Zum ersten Mal begrüßen durfte der Vorsitzende zwei vor kurzem neu gegründete Gruppen: die Trachtengruppe aus Reutlingen und die Trachtengruppe aus Pfungstadt. Die Trachtengruppe Reutlingen unter der Leitung von Christine Neu besteht aus 14 Paaren, davon 13 Aktive. Sie wurde im Mai letzten Jahres ins Leben gerufen. Die Paare tragen bei Auftritten Trachten verschiedener Ortschaften aus dem Banat: Sackelhausen, Kreuzstätten, Großsanktnikolaus, Wiesen-haid, Bakowa und Sanktanna. Ein Dank geht an dieser Stelle an Christine und ihre Gruppe, welche für den Einkauf und für die Besichtigung der Tagungsstätte zuständig waren und alles mit Fleiß und Bravour gemeistert haben.
Die Trachtengruppe „Vergissmeinnicht“ aus Pfungstadt ist dem Kreisverband Darmstadt-Dieburg zugeordnet. Ein relativ junger Kreisverband, der im Jahre 2001 gegründet wurde. Die Leitung haben Erika und Alfred Jost. Die Gruppe wurde 2007 gegründet und besteht aus sieben Paaren aus Traunauer und Neupanater Landsleuten im Alter zwischen 50 und 55 Jahren. Sie tragen alle eine Tracht, an die Traunauer Kirchweihtracht angelehnt. Gleichzeitig betreibt die Gruppe unter der Regie von Waltraud Binschedler ein reges Theaterleben. Die Tronauer Kumedi studiert jedes zweite Jahr ein neues Stück ein. Theaterstücke aus der Feder von Heimatautor Stefan Heinz Kehrer, umgeschrieben in Traunauer Mundart.
Es ist immer wieder erfreulich, festzustellen, dass unsere Landsleute den Zusammenhalt, die Tradition und das Brauchtum aus der alten Heimat pflegen und nicht ganz in Vergessenheit geraten lassen. Die Aufgabe, „hundert Mäuler zu stopfen“, übernahm – was schon fast zur Tradition geworden ist – „Die Schwowischi Kochakademie“ aus Nürnberg, an der Spitze Küchenchef Herbert Schummer. Herbert mit seinem gesamten Team übertreffen sich von einem zum anderen Mal mit ihren schwowischen Schmankerln und überraschten die ganze Meute am Freitagabend mit echten leckeren „Langosch“. Am Samstagmittag gab es Kesselfleisch, ausgebacktes Fleisch und Krumbierpiree. Beim Küchenteam lernten die Kinder, wie man „schwowische Brotworscht“ macht, aber auch „Lewerworscht, Schwortlmoh und Blutworscht“ dampfte am Samstagabend in den Kesseln. Hier einen großen Dank an die „Schwowischi Kochakademie“ für ihren unermüdlichen Einsatz von früh bis spät. Trotz dem vielen Gekochten kam auch das Backen nicht zu kurz. Unter den flinken Fingern von Theresia Teichert und Hildegard Grimm wurde Strudelteig gezogen und mit Äpfeln, Käse und Kürbis gefüllt. So manch kleiner und auch großer Zuschauer oder Helfer schleckte sich die Finger nach der Verkostung ab. Doch fand man nebst Backen und Kochen auch viel Zeit für den Tanz.
Die zwei Tanzreferenten Stefan Ruttner und Hansi Müller hatten viel zu tun. Ersterer übte mit den Erwachsenen, besonders mit den zwei neuen Gruppen, den „Kathi-Ländler“, aber auch andere Volkstänze wie Mazurka, Siebenschritt, Sterntanz und andere. Hansi Müller, der Bundestanzleiter, hatte die Kinder und Jugendlichen unter seine Fittiche genommen. Und obwohl er nur Samstagnachmittag Zeit fand, mit ihnen zu üben, konnten die Kinder am Sonntagvormittag den „Plätscher“, die Platschpolka und den „Kissjetanz“ zum Besten geben. Die gesamte Schar überraschte ihre Eltern und Begleitpersonen mit einer Runde Discofox mit verschiedenen Drehungen und Figuren. In der Tanzpause studierten der Kinderund Jugendlichenchor mit Siegfried Schreier zwei Lieder ein, welche im „Schwowical“ an Pfingsten beim Heimattag in Ulm dargeboten werden sollen.
Auch die Trachtenpflege stand dieses Mal im Blickpunkt. Hildegard Grimm war für alle Fragen rund um Trachten offen und gab hilfreiche Tipps und Ratschläge. Sie zeigte, wie man Röcke richtig stärkt, bügelt und alleine in Falten legt. Hildegard konnte auch in Sachen Halstuchbinden und -knüpfen weiterhelfen. Wichtig ist für die Organisatoren, dass die Männer in die Kunst des „Trachtanziehens“ einbezogen werden. Buben wie auch Männer sollen in Zukunft den Frauen und Mädchen helfen können, die Tracht anzulegen.
Nach solchen anstrengenden Stunden war eine kleine Pause nötig. Harald animierte viele Leute zu einer kleinen Wanderung um das Dorf. Nach der Kaffeepause ging es in den jeweiligen Gruppen weiter. Günther Wagner, der Theaterreferent, gab viele Tipps zum richtigen Theaterspielen. Er beriet die Gruppen für ihr Vorhaben bei den Heimattagen, wo kurze Szenen aus dem schwäbischen Alltag dargeboten werden. Nach dem Abendessen am Samstag gab Günther mit noch sechs weiteren Erwachsenen einen kleinen Sketch zum Besten. Das Stück „Richtige Männer“ stammte aus der Feder von Helmut Schlauch, welcher auch darin die Hauptrolle spielte. Die Darsteller hatten großen Erfolg. Nach dem Programm gab es ein deftiges Abendessen mit „Brotworscht un Krumbiere“.
Für die Kinder war am Samstagabend Sport angesagt beim Tischtennis und beim Billard. Unter der Aufsicht von Sportreferent Erich Furak hatten sie viel Spaß und Freude dabei. Der absolute Höhepunkt dieses Seminars fand für die Kinder und Jugendlichen am Samstagvormittag statt. Dr. Swantje Volkmann vom Donauschwäbischen Zentralmuseum Ulm genehmigte für unsere Kinder und Jugendlichen ein Workshop über die Auswanderung der Deutschen ins Banat vor mehr als zweihundert Jahren. Die drei Referentinnen Rita Siegmund, Cornelia Baier und Sabrina Schöllhorn animierten die Kinder zu einer szenischen Darstellung über die Auswanderung. Fünf Gruppen von Kindern, jeweils mit einer Betreuerin, stellten das Leben einer Familie nach der Auswanderung in der neuen Heimat dar. Die Kinder hatten in ihren Rollenspielen viel Spaß, und so mancher kleine Schauspieler kam dabei auf seine Kosten, mal in die Rolle eines anderen zu schlüpfen und dies auszuleben.
Unser größter Dank geht an den Bundesverband der Landsmannschaft der Banater Schwaben, der das Seminar förderte und finanzierte. Durch diese riesige Unterstützung ist es der DBJT erst möglich, alle Mitglieder und mitwirkenden Tanzund Trachtengruppen für die Erhaltung und Vererbung des schwäbischen Brauchtums an unsere Kinder weiterzugeben. Ich kann von meinen eigenen Kindern erzählen: Dass sie sich, obwohl jetzt erst zum dritten Mal dabei, schon wochenlang vorher darauf gefreut haben, Freunde wiederzusehen und sich mit ihnen auszutauschen. Und mal ganz ehrlich, mir erging es genauso. Viele Ideen, neu Gelerntes, alt Aufgefrischtes haben wir mit heimgenommen und werden es in den jeweiligen Gruppen weitergeben. Ein herzlicher Dank geht an alle Organisatoren und Helfer, die hier nicht namentlich aufgeführt sind, an die jeweiligen Gruppen und ihre Leiter und Leiterinnen für den geleisteten Küchendienst und jegliche Hilfe am reibungslosen Ablauf des Seminars.
Ein besonderes Dankeschön geht nochmal an Herbert Schummer und sein Küchenteam, denn mit leerem Magen kann man keine gute Laune verbreiten. Wir hoffen, dass seine Mannschaft uns bei solchen Begegnungen immer erhalten bleibt.
Nun sind die Häuser in dem kleinen Dorf wieder menschenleer. Verlassen sind die Straßen, kein Kinderlachen, kein freundlicher Nachbargruß oder schwäbisches Wort dringt mehr an das Ohr des Betrachters. So verlassen wie die Ortschaften im Banat. Nur eines ist anders: Diese Gruppe Siedler trennte sich mit einem Versprechen: irgendwann und irgendwo sich wiederzusehen und gemeinsam ein paar Tage zu verbringen und in alten Erinnerungen zu schwelgen, gerade so, als wären die letzten 25 Jahre seit der Auswanderung aus dem Banat nicht vergangen.