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Gemeinschaft zeigen in der Patenstadt

Alle Mitwirkenden der 21. Kultur- und Heimattage des Landesverbandes Bayern auf einen Blick: Trachtenträger, Fahnenabordnungen, Blaskapelle und Ehrengäste Fotos: Nikolaus Dornstauder

Harald Schlapansky, Vorsitzender des Landesverbandes Bayern der Landsmannschaft der Banater Schwaben, überreichte Dr. Dorothea Deneke-Stoll, zweite Bürgermeisterin der Stadt Ingolstadt und Schirmherrin der Kultur- und Heimattage, beim Empfang im Rathaus ein Buch zur Geschichte der Banater Schwaben.

Kulturreferent Dr. Michael Nusser (links) bei seiner Ansprache vor dem Denkmal am Donauufer. Foto: Nikolaus Dornstauder

Ein imposanter Trachtenzug, begleitet von den Klängen der Original Banater Dorfmusikanten aus München und mit einer Reihe von Fahnenabordnungen an der Spitze – das war die sichtbare Präsenz der Banater Schwaben aus Bayern in ihrer Patenstadt Ingolstadt, die am 8. Juli die 21. Kultur- und Heimattage des Landesverbandes Bayern feierten. „Wege entstehen dadurch, dass man sie geht“, stand als Zitat von Franz Kafka auf der Einladung zu den Heimattagen. Nach der Abstinenz der Corona-Zeit war dies eine sehnsüchtig erwartete Gelegenheit, sich mal wieder zu treffen und in der Öffentlichkeit sehen zu lassen.
Der Auftakt hatte bereits am Vorabend stattgefunden: Im Josef-Nischbach-Haus, der bekanntesten Einrichtung der Banater Schwaben in Bayern, war das Münchner Lehár-Ensemble unter der Leitung von Franz Metz zu Gast, um mit einem beschwingten Konzertabend unter dem Titel „Das Lied von Temeswar“ an die derzeitige Kulturhauptstadt Europas zu erinnern.
Am Samstagmorgen fanden alle in der imposanten Moritzkirche zusammen, die bis zum letzten Platz gefüllt war. Pfarrer Josef Hell zelebrierte, assistiert vom Vorsitzenden des Kreisverbandes Nürnberg Lucian Mot, den feierlichen Gottesdienst, der von der Donauschwäbischen Singgruppe Landshut hochkarätig musikalisch umrahmt wurde. In seiner Predigt umriss der Pfarrer den Schicksalsweg der Banater Schwaben, die nach einer Wanderung in den Osten zusammengefunden hatten, um als Gruppe wieder zurück in die Heimat ihrer Vorfahren zu kommen. Ein wichtiges Element ihres Zusammenhalts sei stets ihr Glaube gewesen, der es ihnen möglich gemacht habe, Schicksalsschläge zu überwinden und unbeirrt ihren Weg zu gehen. „Dankbar rückwärts – mutig vorwärts – gläubig aufwärts.“ Diesem Spruch, der in der Quintessenz die Lebenseinstellung der Banater Schwaben umschreibe, fügte der Pfarrer noch ein „seitwärts“ hinzu, die Liebe zueinander, die eine Gemeinschaft zusammenschweißt. Ein besonderer Blickfang waren die beiden Ministrantinnen in Wetschehauser Tracht, die auch der Pfarrer am Ende lobend erwähnte. Ungewöhnlich war das Fehlen von Orgelklängen im Gottesdienst, die Singgruppe trat a cappella auf. Erst beim letzten Lied, „Großer Gott, wir loben dich“, wurden die Gläubigen zum Mitsingen aufgefordert, ein imposanter und würdiger Abschluss des Festgottesdienstes.
Die vielen bunten Trachten, die man in der Kirche aufgereiht gesehen hatte, setzten sich nun in Bewegung, um sich in der Fußgängerzone den Blicken der Ingolstädter und der vielen Banater Schwaben, die von nah und fern angereist waren, zu stellen und einige Tänze vorzuführen. Derweil empfing die zweite Bürgermeisterin der Stadt Ingolstadt Dr. Dorothea Deneke-Stoll, die auch die Schirmherrschaft über die Kultur- und Heimattage übernommen hatte, eine Abordnung der Banater Schwaben im Rathaus. Sie zeigte sich beeindruckt von der Präsenz der Banater Schwaben, die seit 1987 „Patenkinder“ der Stadt Ingolstadt und hier immer gern gesehen sind. Wie vielfältig die Verbindungen und Verflechtungen der Banater zu Ingolstadt sind, umriss der bayerische Landesvorsitzende Harald Schlapansky in seiner Ansprache im Rathaussaal, nämlich „historisch, sozial und sichtbar“. Die historische Verbindung ist bedingt durch die Donau, auf der die Ulmer Schachteln auch an Ingolstadt vorbei (und dort durchaus auch verweilend) Richtung Osten zogen. Doch es gibt noch eine weniger bekannte Verbindung über den Grafen Florimund Mercy, erster Gouverneur von Temeswar, der die Weichen für die Ansiedlung der Banater Schwaben gestellt hatte. Er war in Ingolstadt verwurzelt, denn sein Vater und sein Großvater waren dort Stadtkommandanten gewesen. Beide sind in der Moritzkirche bestattet, wo zuvor der Festgottesdienst der Heimattage stattgefunden hatte. Der soziale Bezug der Banater Schwaben zu Ingolstadt liegt im Seniorenzentrum, dem Josef-Nischbach-Haus, wo viele Banater Schwaben im Betreuten Wohnen oder im Pflegeheim in der vertrauten Gemeinschaft von Landsleuten ihren Lebensabend verbringen. Als sichtbaren Bezug der Banater Schwaben zu Ingolstadt nannte der Landesvorsitzende das im Herbst 2019 errichtete Denkmal am Donauufer, eine angedeutete „Ulmer Schachtel“ und drei künstlerisch gestaltete Tafeln, die auf die Verbindung hinweisen. Er bedankte sich für 36 Jahre Patenschaft und erinnerte daran, dass 15000 Banater Schwaben in Ingolstadt und Umgebung eine Heimat gefunden haben und diese seit Jahren aktiv mitgestalten.
Das Denkmal am Donauufer war das nächste Ziel des Trachtenzuges, der sich zu den Klängen der Blasmusik in Bewegung setzte und die Blicke der Passanten auf sich zog. Auch hier hieß die Bürgermeisterin und Schirmherrin nochmals alle herzlich willkommen. Dr. Michael Nusser, Kulturreferent des Kulturwerks Banater Schwaben Bayern, hatte nun Gelegenheit, die Arbeit des Kulturwerks vorzustellen, das mit Mitteln des Bayerischen Staatsministeriums für Familie, Arbeit und Soziales die Kulturarbeit der Banater Schwaben in Bayern nachhaltig fördert, nicht zuletzt auch diese Kultur- und Heimattage in Ingolstadt.
Höhepunkt der Heimattage war die Festveranstaltung im Ingolstädter Stadttheater, wo der Zug mit den zehn Fahnenabordnungen verschiedener Kreisverbände und Heimatortsgemeinschaften an der Spitze einzog. Der Landesvorsitzende Harald Schlapansky begrüßte mehr als 400 Festgäste und besonders die Ehrengäste, die sich im Stadttheater zu diesem festlichen Anlass eingefunden hatten. Zu ihnen gehörten neben der Schirmherrin Dr. Dorothea Deneke-Stoll der Landtagsabgeordnete Andreas Lorenz, die Generalkonsulin Rumäniens in München Janette-Constanta Carabasu, der bayerische BdV-Vorsitzende Christian Knauer in Begleitung seiner Geschäftsführerin Stefanie Sander-Sawatzki und des BdV-Vorsitzenden im Kreisverband Ingolstadt Manfred Binder und auch mit Annemarie Probst, Vorstandsmitglied im BdV Landesverband. Begrüßt wurde auch Stefan Ihas, Präsident des Weltdachverbands der Donauschwaben und Karl-Heinz Wendel, stellvertretender Vorsitzender des Landesverbandes Bayern der Donauschwaben. Neben dem Bundesvorsitzenden unserer Landsmannschaft Peter Dietmar Leber nahm für den Bundesvorstand auch die Sprecherin der Heimatortsgemeinschaften Anita Maurer an der Festveranstaltung teil. Das Kulturwerk der Banater Schwaben Bayern war vertreten durch seinen Vorstandsvorsitzenden Bernhard Fackelmann und den Kulturreferenten Dr. Michael Nusser, die DBJT durch ihren stellvertretenden Vorsitzenden Lukas Krispin. Herzlich begrüßt wurden die beiden Banaterinnen, die in bayerischen Stadträten vertreten sind: Helmine Buchsbaum in Nürnberg und Dr. Hella Gerber in Augsburg, wo sie jeweils beide auch in den Kreisverbänden und/oder der HOG-Arbeit eingebunden sind. Stellvertretend für 19 anwesende Kreisvorsitzende wurde Gastgeber Johann Metzger begrüßt, der mit seinem Team vom Kreisverband Ingolstadt mit beispielhaftem Einsatz dafür gesorgt hat, dass dieses Fest stattfinden konnte und der Ablauf reibungslos funktionierte. Auch die Leitung des Seniorenzentrums Josef Nischbach, Elisabeth Klein mit Stellvertreterin Christine Schneider, wurde eigens und dankbar begrüßt. Von den Heimatortsgemeinschaften waren 20 mit Vorstandsmitgliedern vertreten, stellvertretend begrüßt wurde Nikolaus Heber von der HOG Deutschsanktmichael.
Besonders begrüßt wurden die etwa 130 Teilnehmer des Trachtenzugs. Aus Bayern waren die DBJT-Tanzgruppen aus Ingolstadt, Augsburg, München, Nürnberg, Traunreut und Würzburg vertreten, verstärkt mit den Partnern der Donauschwäbischen Tanzgruppe Freising und von Gästen der Tanzgruppe Esslingen. Als besondere und jüngste Gäste wurden die Mitglieder der Tanzgruppe „Vergissmeinnicht“ aus Busiasch begrüßt, die mit ihrer farbenfrohen Bakowaer Tracht (Busiasch hat keine eigene) schon im Zug aufgefallen war. Die Jugendlichen im Alter von 10-15 Jahren haben unter der engagierten Leitung von Edda Kurz erst im Oktober des letzten Jahres zur Tanzgruppe zusammengefunden, zeigten aber gekonnt und ohne Scheu ihre Tänze vor dem großen Publikum, das ihnen einen besonders herzlichen Sonderapplaus spendete. Mit den beeindruckenden DBJT-Gemeinschaftstänzen sorgten die Tanzpaare zwischen den Grußworten für Abwechslung und Kurzweil. Musikalisches Geleit gaben ihnen die Original Banater Dorfmusikanten München, die auch unter Applaus in den Saal eingezogen waren.
Schirmherrin Dr. Dorothea Deneke-Stoll eröffnete den Reigen der Grußworte, indem sie die gute Integration der Banater Schwaben in Bayern und speziell in Ingolstadt lobte. Andreas Lorenz, Mitglied im Bayerischen Landtag, erinnerte daran, dass Bayern sich seiner Verantwortung für die Vertriebenen und für die Erhaltung ihrer Kultur stets gestellt habe und dies auch weiterhin tun werde, auch wenn die Bundesregierung diese Aufgabe teilweise aus den Augen verloren habe. Die Beauftragte der Bayerischen Staatsregierung für Aussiedler und Vertriebene Silvia Stierstorfer konnte aus terminlichen Gründen nicht an der Veranstaltung teilnehmen, schickte jedoch eine schriftliche Grußbotschaft, die Harald Schlapansky vorlas. Darin bescheinigte sie der Landsmannschaft der Banater Schwaben, eine der lebendigsten und aktivsten im Freistaat zu sein. Besonders hob sie ihren Einsatz als Brückenbauer nach Rumänien hervor: „Die Banater Schwaben sind ein Musterbeispiel für das Zusammenwachsen Europas und durch ihre Kultur eine einzigartige Bereicherung für den Freistaat“, betonte sie. Auch der BdV-Vorsitzende Christian Knauer hob die herausragende Rolle der Vertriebenen, Aussiedler und Spätaussiedler für die wirtschaftliche Entwicklung der Nachkriegszeit, aber auch für die Bereicherung der Kulturlandschaft hervor. Er lud alle Anwesenden zum Heimattag des BdV Bayern am 16. Juli ein, eine weitere Möglichkeit, die Vielfalt der Vertriebenenkultur in der Öffentlichkeit zu präsentieren.
Eine spontane Wortmeldung kam von Stefan Ihas, Präsident des Weltdachverbandes der Donauschwaben. In seinem Grußwort würdigte er den Bundesvorsitzenden der Landsmannschaft der Banater Schwaben Peter-Dietmar Leber für seine Verdienste um die Geschichte und Kultur der Banater Schwaben, aber auch der Donauschwaben weltweit, und verlieh ihm die Ehrennadel des Weltdachverbandes der Donauschwaben in Gold. Peter-Dietmar Leber zeigte sich überwältigt und dankte für die Ehrung und das Vertrauen. Er gratulierte dem Landesverband Bayern für den geglückten Neustart nach der Pandemie-Pause. Es sei wichtig, dass Kultur- und Heimattage in der Öffentlichkeit stattfinden, betonte er. Feste wie dieses zeigen, dass sich auch viele junge Leute zu Herkunft und Tradition bekennen. „Die heute hier sind, das sind die am besten integrierten Banater Schwaben. Das sind die Starken, die wissen, was unsere Identität ausmacht.“ Ein besonderes Lob galt der Zusammenarbeit mit der Gruppe aus Busiasch, der man damit ein Tor nach Europa öffne. Solche Kooperationsprojekte betreibe die DBJT mit großer Selbstverständlichkeit schon seit vielen Jahren.
Nach den letzten Tanzdarbietungen verabschiedeten sich die Trachtengruppen und gaben die Bühne frei für die Donauschwäbische Singgruppe Landshut, die dem beeindruckten Publikum bewies, dass sie im weltlichen Repertoire ebenso zuhause ist wie im geistlichen, das in der Kirche zu hören gewesen war. Der Rest des Abends gehörte der Geselligkeit – zunächst noch zu den Blasmusikklängen der Banater Dorfmusikanten, danach zu den flotten Rhythmen der „Primtaler“. „Wie fruchtbar ist der kleine Kreis / wenn man ihn wohl zu pflegen weiß.“ Dieser Goethe-Spruch stand als zweites Motto der Veranstaltung auf der Einladung des Landesverbandes. So lange der „kleine Kreis“ unserer Traditionen gepflegt wird, ist er fruchtbar. Das haben auch diese bayerischen Kultur- und Heimattage wieder auf beeindruckende Weise gezeigt.