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Autobahnabwärts ins Banat

Die von Mitgliedern der Donaudeutschen Landsmannschaft Speyer gebaute Ulmer Schachtel wurde von Erich Mayer (links) nach Temeswar gebracht und im Rahmen der Heimattage auf dem Domplatz ausgestellt. Foto: Stefanie Dolvig-Curac

Für viel Erstaunen sorgte der Anblick einer Ulmer Schachtel, die anlässlich der Eröffnung der Heimattage der Banater Deutschen auf dem Domplatz in Temeswar ausgestellt wurde. Sie diente jedoch nicht als Transportmittel, wie vor 300 Jahren, als sich die Siedler im Zuge der Schwabenzüge auf den Weg machten und unter anderem das Banat besiedelten. In diesem Fall wurde sie von einem Banater Schwaben von Deutschland ins Banat transportiert. Nicht auf der Donau, sondern auf einem extra langen Anhänger mit dem Auto. Dem Guttenbrunner Erich Mayer und seiner Ehefrau Helmine aus Oggersheim ist diese Aktion zu verdanken.
Ein Zufall führte dazu, dass Erich Mayer die Ulmer Schachtel vor etwa fünf Jahren in einem Schuppen entdeckte. Sie ging aus einer Stammtischidee hervor und wurde von Mitgliedern der Donaudeutschen Landsmannschaft in Speyer gebaut. Zum ersten Mal wurde sie 1988 beim Rheinland-Pfalz-Tag präsentiert, danach mehrere Male beim historischen Umzug des Speyerer Brezelfestes. Dabei ging es vordergründig um die Symbolik der Ulmer Schachtel, die als Bindeglied gesehen werden kann - einerseits zwischen Deutschland und den Siedlungsgebieten der Donauschwaben, andererseits zwischen den verschiedenen Gruppen der Aussiedler. Denn unabhängig von ihrem Ansiedlungsgebiet bestritten sie einen Teil des Weges dorthin in der Regel mit der Ulmer Schachtel. Da die Voraussetzungen an den oben genannten Umzügen teilzunehmen, immer schwieriger wurden, hat man sich dazu entschieden, den Nachbau der Ulmer Schachtel zunächst einmal sicher zu lagern. 
Als die Entscheidung fiel, dass Temeswar europäische Kulturhauptstadt wird, kam Erich Mayer sofort wieder die Ulmer Schachtel in den Sinn und er hatte die Idee, diese im Rahmen des Kulturhauptstadtjahres 2023 in Temeswar zu präsentieren. Aufgrund der guten Beziehung zwischen der Donaudeutschen Landsmannschaft in Speyer und der Donaudeutschen Landsmannschaft in Frankenthal, in der viele Banater Schwaben vertreten sind, willigten die Speyerer ein, Erich Mayer die Ulmer Schachtel für dieses Vorhaben gegen eine Spende zu überlassen. Es folgten Gespräche mit der Landsmannschaft der Banater Schwaben und dem Demokratischen Forum der Deutschen im Banat und die Umsetzung der Idee nahm Gestalt an.
Unterstützt von zwei Mitarbeitern führte Mayer nötige Reinigungsarbeiten und Reparaturen an der Ulmer Schachtel durch. Sie wurde komplett neu gestrichen und ein passender Anhänger für den Transport organisiert. Mit einer Länge von 6 Metern, einer Breite von 2,80 Metern und einer Höhe von 2,50 Metern ist der Nachbau der Ulmer Schachtel fünfmal kleiner als das Original. Auch der Hausaufbau wurde dementsprechend kleiner gehalten. Originalgetreu sind der fehlende Kiel und die Ruderstange, die zum Lenken auf der Fahrt flussabwärts nötig war.
Am 30. Mai begann die große Reise. Das erste Mal legte die Ulmer Schachtel in Wien an. Dieser Zwischenstopp hatte historische Beweggründe, da viele Fahrten der Ulmer Schachteln in Wien endeten. Dort wurden die Ankömmlinge registriert und es ging auf anderen Schiffen oder auf dem Landweg weiter. „Es war alles andere als einfach, die Ulmer Schachtel ins Banat zu transportieren, wobei die erlaubte Höchstgeschwindigkeit des Gespanns von 80 km/h die Fahrt sehr in die Länge zog“, erklärte Erich Mayer. Erstes Ziel im Banat war Lenauheim, wo die Ulmer Schachtel im Rahmen des Kulturtags der Gemeinde Lenauheim ausgestellt wurde. Pünktlich zur offiziellen Eröffnung der Heimattage auf dem Temeswarer Domplatz erreichte das Ehepaar Mayer am Morgen des 2. Juni sein Ziel - nach 1300 Kilometern. 
In seiner Ansprache würdigte Erich Mayer die große Bedeutung der Ulmer Schachtel für die Geschichte der Banater Schwaben, aber auch die daraus entstandene Beziehung zwischen den Banater Schwaben und der Stadt Ulm. Ulms Oberbürgermeister Gunter Czisch, der Anfang Juni ebenfalls mit einer Delegation in Temeswar weilte, zeigte sich erfreut: „Wir freuen uns natürlich, dass an prominenter Stelle eine Ulmer Schachtel steht. Das Wort Ulmer Schachtel prägt ja auch die über 300-jährige Geschichte von Auswanderung, Flucht und Vertreibung, von schlimmen Zeiten, aber auch von Mut, von Innovation, von Tatkraft, geprägt von der europäischen Idee, von Frieden und Freiheit, an der wir alle arbeiten, weil wir daran glauben.“
Wie die Ulmer Schachteln zu Zeiten der Ansiedlung wird auch diese Ulmer Schachtel im Banat verbleiben. Sie wird aber nicht wie damals auseinandergebaut und als Baumaterial und Brennholz verwendet, sondern der Adam-Müller-Guttenbrunn-Stiftung überlassen - nicht nur als historisches Ausstellungsstück, sondern auch zu schulischen Zwecken. Einen geeigneten Platz im Hof des Adam-Müller-Guttenbrunn-Hauses habe man dafür schon gefunden, versicherte Helmut Weinschrott, Leiter der Stiftung. Während der Heimattage war die Ulmer Schachtel auf dem Domplatz jedenfalls ein Hingucker und ein beliebtes Fotomotiv für Temeswarer und die Gäste von nah und fern.