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Gemeinsam gegen das Vergessen (II)

Auch die Kleinsten haben beim Umzug tapfer mitgehalten.

Innenminister Reinhold Gall wird von Trachtenträgern in der Stadthalle mit Applaus empfangen.

92 Trachtenpaare reihten sich vor der Göppinger Stadthalle zu einem Gruppenbild auf.

25 Jahre Patenschaft der Stadt Göppingen über die Banater Schwaben aus Baden-Württemberg / 49. Landestrachtenfest mit Großem Schwabenball in der Göppinger Stadthalle. 

Landestrachtenfest mit Schwabenball 

Zur Eröffnung des Landestrachtenfestes mit Großem Schwabenball begrüßte der Landesvorsitzende Josef Prunkl den Schirmherrn der Veranstaltung, Göppingens Oberbürgermeister Guido Till, den Innenminister des Landes Baden-Württemberg, Reinhold Gall MdL, Ministerialrätin Dr. Sibylle Müller vom Innenministerium in Stuttgart, den Bundesvorsitzenden der Landsmannschaft, Peter-Dietmar Leber, seinen Stellvertreter Richard Jäger, den Präsidenten des Weltdachverbandes der Donau-schwaben, Stefan Ihas, den Kulturreferenten des BdV-Landesverbandes, Albert Reich, sowie den Ehrenvorsitzenden des Kreisverbandes Göppingen, Hans Mersch. Das Landestrachtenfest sei ein Bekenntnis zur Gemeinschaft, so Prunkl. Wenn man in den Saal schaue und mit Bewunderung feststelle, wie viele Trachtenträger verschiedener Generationen hier versammelt seien, brauche man um die Zukunft unserer Gemeinschaft nicht bangen. Er dankte den Trachtengruppen und allen, die sich in die Organisation des Festes eingebracht haben.

Oberbürgermeister Till würdigte in seinem Grußwort die fruchtbare Patenschaft und den intensiven Austausch mit der Landsmannschaft, der beiden Seiten förderlich sei. Seit seinem Amtsantritt sei er auf allen Schwabenbällen gewesen und freue sich auf weitere, bekannte das Stadtoberhaupt.

Bundesvorsitzender Leber erinnerte daran, dass sich die Eingliederung der Banater Schwaben nicht in der Anonymität vollzogen habe. Sie demonstrierten immer gerne – gerade auch an einem solchen Tag wie heute – ihre kulturelle Unverwechselbarkeit. Im Aussiedlergepäck war ein besonderes kulturelles Erbe enthalten; es gelte, dieses Gepäck immer wieder zu öffnen, auszubreiten und aufzuzeigen, wie wertvoll es ist, und auch für die jüngere Generation interessant zu halten. Dafür zu sorgen, dass dieses Kulturgut weiterlebt, sei eine große Verantwortung, aber auch eine schöne Aufgabe, betonte Leber.

„Zur Identität einer Volksgruppe gehören ihre Geschichte, ihre Kultur, ihre Bräuche und ihre Traditionen. Die Tracht weist uns nach außen als Zugehörige einer bestimmten Gemeinschaft aus und sie unterstreicht das Gefühl, zusammenzugehören. So erleben wir bei einem Trachtenfest den vermutlich stärksten Ausdruck der Identität einer Volksgruppe“, sagte Innenminister Gall. Mit Veranstaltungen wie der heutigen pflegten die Banater Schwaben ihre Kultur und ihre Gemeinschaft in besonderem Maße. Seit vielen Jahren begleite sie dabei das Land Baden-Württemberg.

Das Bundesvertriebenengesetz, das in diesem Jahr seinen 60. Geburtstag feiert, habe die Weichen für die Integration von Millionen von Menschen gestellt und einen Neuanfang ermöglicht. Heutzutage werde manchmal gefragt, wo so viele Jahre nach Krieg und Vertreibung noch Platz sei für die Kulturpflege nach dem Bundesvertriebenengesetz. „Für mich stellt sich diese Frage nicht. Ich meine vielmehr, dass der Gesetzgeber damals eine zukunftsträchtige Vision geschaffen hat, die bis heute trägt“, erklärt Gall.

Der Gesetzgeber habe die Kulturpflege aber nicht auf die Vertriebenen beschränkt, sondern auf die Vertreibungsgebiete bezogen. Der Auftrag zur Kulturpflege sei also nicht an die Erlebnisgeneration gebunden und habe damit auch kein bestimmbares Ende. Weil die Erlebnisgeneration weniger werde, sei es umso wichtiger, die Erinnerung an Krieg, Flucht und Vertreibung in unser kollektives Gedächtnis zu überführen. „Es ist wichtig, dass wir diese Erinnerung pflegen, damit auch unsere Kinder und Enkel wissen, was in der Mitte Europas geschehen ist. Denn wer nicht weiß, was geschehen ist und aus welchem Grund, der läuft Gefahr, die Fehler der Vergangenheit zu wiederholen“.

Stimmungsvolles Volkstanzfestival

Im Rahmen des diesjährigen Landestrachtenfestes mit Großem Schwabenball fand auch das 18. Volkstanzfestival der Jugend- und Trachtengruppen des Landesverbandes Baden-Württemberg statt. Die Organisation oblag, wie schon in den Jahren zuvor, der Brauchtumsbeauftragten des Landesverbandes, Theresia Teichert, die auch das Volkstanzfestival eröffnete. Durch das Programm führten Melanie Müller und Lukas Krispin. Begleitet wurden die Auftritte der Trachtengruppen von der Original Banater Schwabenkapelle aus Göppingen. Die von Ulmbacher Musikanten gegründete Kapelle feiert im September dieses Jahres ihr dreißigjähriges Bestehen. Auch etliche Trachtengruppen begehen heuer ihr Gründungsjubiläum: Karlsruhe kann auf eine zwanzig-jährige Tätigkeit zurückblicken, während Crailsheim, Esslingen und Singen sich jeweils seit 25 Jahren der Trachten- und Volkstanzpflege widmen. Und die Leimener Trachtengruppe konnte bereits im vergangenen Jahr ihr zwanzigjähriges Bestehen feiern. 

Den Anfang machten die Kleinsten: Die Erdbeergruppe aus Karlsruhe unter der Leitung von Helga Ebner und Angela Schmidt führte mit den „Kieler Sprotten“ einen norddeutschen Volkstanz vor. Die Kindergruppe des Kreisverbandes Karlsruhe wurde im Jahr 2001 gegründet. Mit der „Resi-Polka“ aus der Feder des tschechischen Komponisten Karel Kohout präsentierten sich die „Banater Schwabenkinder“, eine erst im vergangenen Jahr entstandene Gruppe, die von Dagmar Österreicher betreut wird und unter der Schirmherrschaft der HOG Jahrmarkt steht. Zuhause ist sie in Karlsruhe-Rheinstetten. Die von Renate Krispin geleitete Kinder- und Jugendgruppe des Kreisverbandes Esslingen zeigte als nächstes den „Nagelschmied“, einen der bekanntesten Schweizer Volkstänze. Lukas Krispin begleitete den Auftritt auf dem Akkordeon. Die Reihe der Tanzvorführungen der Kinder- und Jugendgruppen beschloss die von Heidi Müller und Werner Gilde geleitete Jugendtanzgruppe Karlsruhe mit der „Kochlöffel-Polka“.

Bei den Erwachsenentanzgruppen, die im Anschluss auftraten, machte die Formation des Kreisverbandes Karlsruhe (Leitung: Heidi Müller und Werner Gilde) den Anfang. Sie trägt vorwiegend Billeder Tracht und führte die „Liduschka-Polka“ vor. Die Leitung der 1988 gegründeten Tanzgruppe der Banater Schwaben aus Crailsheim übernahm 1999 Klara Weber. Die Crailsheimer präsentierten sich dem Publikum mit der „Stern-Polka“. Seit mehr als einem Vierteljahrhundert besteht die Banater Trachtengruppe Nürnberg. Die Tanzleitung hat Sandra Hirsch inne, Gruppenleiter sind Melanie Kling und Johann Burger. Auf dem Akkordeon von Lukas Krispin begleitet, zeigten die Gäste aus Bayern den Bändertanz. „Banater Unschuldswalzer“ hieß der nächste Tanz, vorgeführt von der Trachtentanzgruppe Heidelberg-Leimen. Die 1992 gegründete Gruppe steht unter der Leitung von Josef und Hilde Klein. Eine Gründung neueren Datums ist die Trachtengruppe Reutlingen, die 2009 auf Initiative von Christine Neu aus der Taufe gehoben wurde (Tanzleiter Manfred Klotzbier. Die aus 14 Paaren bestehende Gruppe tanzte die „Fuchsgraben-Polka“. In Großjetschaer Tracht tritt die vor 25 Jahren ins Leben gerufene Tanzgruppe aus Singen (Leiter: Hilde und Horst Redl) auf. Diesmal begeisterte sie mit der Polka „Trara, es brennt“. Wie die Singener Gruppe, kann auch die Volkstanzgruppe Esslingen unter der Leitung von Renate Krispin auf 25 erfolgreiche Jahre zurückschauen. Tanztrainerin ist Helga Schutz. Für ihren Auftritt in Göppingen hatte sie den Walzer „Rosen der Liebe“ ausgewählt. Zum Abschluss des Programms präsentierten alle Gruppen gemeinsamen die Tänze der Banater Jugendorganisation: „Kathi-Ländler“, „Mein Banater Land“ und „Veilchenblaue Augen“. Bei Tanzunterhaltung mit dem Duo Intakt (Franz Tröster und Horst Reiter), klang der Abend aus.