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Literatur und Kunst vom Feinsten - Kulturnachmittag im KDZ Ulm

Der Literaturwissenschaftler Dr. Walter Engel (rechts) und der Künstler Walter Andreas Kirchner wurden „als Ausdruck der Dankbarkeit und Anerkennung für herausragende Leistungen um die Banater Schwaben“ mit der Adam-Müller-Guttenbrunn-Medaille ausgezeichnet. Die Ehrung durch den Bundesvorsitzenden Peter-Dietmar Leber fand im Rahmen des Kulturnachmittags im Kultur- und Dokumentationszentrum der Landsmannschaft in Ulm statt.

Emil Banciu führte das Publikum durch eine virtuelle Ausstellung des Künstlers Walter Andreas Kirchner. Fotos: Stefanie Dolvig-Curac

Der Vortragsraum war bis auf den letzten Platz besetzt, als am Samstag, dem 26. November 2022, die Betreuerin des Kultur- und Dokumentationszentrums unserer Landsmannschaft in Ulm Halrun Reinholz die Gäste herzlich begrüßte. Es war nicht nur die Feier zum ersten Advent, welche viele Banater Schwaben nach Ulm lockte, vielmehr standen interessante Punkte auf dem Programm.

Der Literaturwissenschaftler Dr. Walter Engel, ehemaliger Dozent an der Universität Temeswar, war als Referent eingeladen. In seinem Vortrag „Identifikation eines Dichters mit der banatschwäbischen Lebenswelt“ sprach er über den Dichter Josef Gabriel d.J., anlässlich dessen 75. Todestag. Der Referent streifte das Leben des 1907 in Mercydorf geborenen Schriftstellers, der in erster Reihe ein Landwirt war, und als Folge der Russland-deportation von 1945 bereits zwei Jahre später in Frankfurt an der Oder starb, wohin er mit einem Krankentransport entlassen worden war. Als Dr. Engel aus den Gedichtbänden „Saatgang“ und „Am Heidebrunnen“ vorlas, waren wohl viele Gäste gedanklich im Banat. „Ermüdet lehnt der Schnitter wie ein Held / Nach schwerer Schlacht sich an die Sense die er schwang / Die Garbenkreuze dunkeln rings um ihn im Feld / Und Grillen stimmen schon zum Nachtgesang.“ (Der Schnitter)

Im zweiten Teil des Nachmittags stand eine Hommage an den Maler, Grafiker und Bildhauer Walter Andreas Kirchner zum vollendeten 80. Lebensjahr auf dem Programm. Der Künstler war zusammen mit seiner Frau Hedi, die ihn all die Jahre in seinem künstlerischen Schaffen unterstützt hat, zugegen. Noch vor der Pause ergriff Peter-Dietmar Leber das Wort. Es wurde sehr still im Raum, als er in seiner Eigenschaft als Bundesvorsitzender der Landsmannschaft der Banater Schwaben verkündete, dass er gekommen war, um zwei Kulturgrößen mit der Adam-Müller-Guttenbrunn-Medaille als Ausdruck der Dankbarkeit und Anerkennung für herausragende Leistungen um die Banater Schwaben auszuzeichnen: Dr. Walter Engel und Walter Andreas Kirchner. Beide nahmen die feierlich überreichten Medaillen und Urkunden gerührt entgegen. 

Nach einer anregenden Pause, in welcher sich die Gäste bei Kaffee und Plätzchen unterhalten konnten, begaben sich die Besucher in den Bibliotheksraum, wo ein großer Bildschirm aufgestellt war. Zunächst stellte Dr. Walter Engel Leben und Werk des Künstlers Walter Andreas Kirchner vor, dem er auf vielen Stationen seines Lebens begegnet war. Da er den Künstler schon seit vielen Jahren kennt, wurde es eine sehr persönliche und emotionale Rede. Von den Schülerjahren in der Lenauschule kam er zu den ersten Gedichten des Künstlers, der eigentlich Philologie studieren wollte, und der dann durch den Künstler Leon Vreme, der seine Begabung erkannte, doch den Weg der bildenden Kunst einschlug. Der bekannte Temeswarer Künstler Julius Podlipny, von dem Kirchner Zeichenunterricht erhielt, wurde als wegweisend erwähnt. Nach der Kunsthochschule in Temeswar folgte eine Station in Siebenbürgen, wieder Temeswar und schließlich die Auswanderung nach Deutschland. Überall und zu jeder Zeit war Walter Andreas Kirchner ein Suchender und ein produktiver Künstler, der nun ein großes, sehr umfangreiches Werk aufweisen kann. Seine Arbeiten wurden in vielen Ausstellungen gezeigt und erzielten bedeutende Preise.

Berührend war es, als Dr. Walter Engel das Gedicht „Prophet. Zwiegespräch mit einem Stein“ vorlas, in welchem der Künstler sein Credo offenbart. Der Stein fragt: „Wie willst du mich gestalten?“ Die Antwort ist klar, er will keine Ware schaffen, sondern: „Das Sichtbarmachen der / Geschehnisse und / Betrachtungen unserer Zeit.“ Und weiter über den Sinn seiner Arbeit, die wahrlich auch physisch keine leichte ist, empfindet sich der Künstler als Sisyphos, wenn er sagt: „Es gehört zu meiner Bestimmung, / meinem Schicksal, den Stein / den Berg hochzurollen.“ Aber sagte nicht schon Albert Camus, dass wir uns Sisyphos als einen glücklichen Menschen vorstellen müssen?! Das Fazit des Künstlers: „Ich habe mich abgearbeitet / an mir und den Menschen, / um nicht zu verzweifeln. / Ich WUSSTE es / nicht anders.“

Zum Schluss setzte Emil Banciu, Betreiber des Portals www.banat-media.eu, die Werke des Künstlers virtuell als 3-D-Präsentation in Szene. Er führte die Gäste durch virtuelle Ausstellungsräume, die jeder auch daheim am Bildschirm auf der Internetseite www.walter-andreas-kirchner.de besuchen kann. Was allerdings ein Privileg der Gäste des Kulturnachmittags war: Man konnte dem Künstler Fragen stellen, die er auch geduldig und ausgiebig beantwortete.

Es war ein wunderbarer Nachmittag mit vielen schönen Begegnungen und Kunstgenuss vom Feinsten.