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Verdienste um die Südosteuropa-Forschung

Professor Mathias Bernath †

„Mathias Bernath (…) war in München und Berlin eine Verkörperung des multikulturellen Südosteuropa und ist zugleich eine beeindruckende Wissenschaftlerpersönlichkeit. Er hat Südosteuropa als historisches Forschungsfeld abgesteckt und etabliert und er hat die bundesdeutsche Südosteuropaforschung nach Südosteuropa hin geöffnet.“ Dies sagte der Leipziger Historiker Stefan Troebst, seinerzeit Student von Professor Bernath in Berlin, in seinem Festvortrag zum 80-jährigen Bestehen des Südost-Instituts vor drei Jahren. Professor Troebst hatte als Überschrift seiner Festansprache den Titel des Habilitationsvortrags von Mathias Bernath an der Freien Universität Berlin im Jahr 1969 gewählt: „Südosteuropäische Geschichte als gesonderte Disziplin“. Damit hob er Bernaths Hauptverdienst als Begründer der historischen Teildisziplin Südosteuropäische Geschichte hervor – neben und gleichwertig mit dem bereits etablierten Teilfach Osteuropäische Geschichte. Der Untertitel des Vortrags, „Mathias Bernath in Berlin und München“, weist auf die beiden Wirkungsstätten des renommierten Südosteuropa-Historikers hin: An der FU Berlin, wo er seine akademische Laufbahn begonnen hatte, wirkte Mathias Bernath von 1971 bis 1986 als Professor für Südosteuropäische Geschichte, in München leitete er dreißig Jahre die Geschicke des Südost-Instituts.

Mathias Bernath wurde am 11. Oktober 1920 in Segenthau geboren, machte 1939 am Arader Lyzeum „Moise Nicoară“ Abitur und kam 1942 zum Studium der Geschichte und Romanistik nach Berlin. Bei Kriegsende in der französischen Besatzungszone gestrandet, setzte er sein Studium an der Universität Mainz fort. Dort promovierte er 1951 über die auswärtige Politik Nassaus zur Zeit Napoleons. 1953 wechselte Bernath an das Osteuropa-Institut der FU Berlin, wo er sich zunächst als Forschungsstipendiat, dann als Assistent der Geschichte des Donau-Balkan-Raums zuwandte. Ausschlaggebend für seine Spezialisierung auf südosteuropäische Geschichte dürften die Primärerfahrungen in der Banater Heimat sowie seine Sprach- und Landeskenntnisse gewesen sein, ebenso die Erkenntnis, dass ein erhebliches Defizit an verlässlichem Wissen in der deutschsprachigen Südostforschung besteht.

Nach dem frühen Tod des Universalhistorikers und Direktors des Münchner Südost-Instituts, Fritz Valjavec, trat Dr. Mathias Bernath im Jahr 1960 die Nachfolge seines einstigen Berliner Professors und großen Vorbilds in der Institutsleitung an. Während seiner dreißigjährigen Direktoratszeit verhalf Bernath dem 1930 gegründeten Südost-Institut zu hohem internationalem Ansehen. Prosperierende Jahrzehnte seien es gewesen, heißt es auf der Internetseite des Instituts für Ost- und Südosteuropaforschung in Regensburg, das aus der 2012 erfolgten Fusion von Osteuropa-Institut und Südost-Institut hervorgegangen ist. In der neu etablierten Gegenwartsabteilung erfolgte die Einrichtung von Länderreferaten, die gezielt die steigende Nachfrage an Expertisen zum kommunistischen Südosteuropa bedienen konnten. Mit den beiden von Bernath herausgegebenen Kompendien „Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas“ (vier Bände, 1974-1981) und „Historische Bücherkunde Südosteuropas“ (zwei Bände in vier Teilbänden, 1978-2002) legte die Historische Abteilung zwei umfangreiche Nachschlagewerke vor, an deren Erarbeitung Autoren aus Südosteuropa und der westlichen Welt beteiligt waren. Unter Bernaths Ägide entwickelte sich die Institutszeitschrift „Südost-Forschungen“ zu einem führenden Fachorgan der internationalen Südosteuropa-Forschung, und ihm ist auch die Öffnung der hauseigenen Buchreihe „Südosteuropäische Arbeiten“ für neue Themen und Autoren zu verdanken.

1971 wurde Dr. Mathias Bernath auf die neue FU-Professur für Südosteuropäische Geschichte berufen – damals die einzige im deutschen Sprachraum. In seiner Privatdozenten-Antrittsvorlesung „Das mazedonische Problem in der Sicht der komparativen Nationalismusforschung“ (erschienen in „Südost-Forschungen“, 29. Jg., 1970) sowie in seiner im Jahr darauf veröffentlichten Habilitationsschrift über „Habsburg und die Anfänge der rumänischen Nationsbildung“ machte er deutlich, dass er den Schwerpunkt der jungen Subdisziplin in der komparativen Erforschung von nationsbildenden Prozessen und Nationalismusphänomen sah. In mehreren Stellungnahmen hat Professor Bernath das Rahmen- und Schwerpunktprogramm einer erneuerten Südosteuropa-Forschung formuliert und eine gesamtheitliche, interdisziplinär angelegte Erforschung des südöstlichen Kulturraums gefordert. Ausgehend von einer ins Detail gehenden, quellengestützten Einzelforschung, sollte die Südost-Forschung nach einer globalen, völkerübergreifenden Erkenntnis streben.

Gegenüber den Forschungs- und Verwaltungsaufgaben als Institutsdirektor in München galt Professor Bernaths Leidenschaft ganz offenkundig der Berliner Lehre. Durch Ironie und einen „Schutzschleier josephinischer Konventionalität“ hat er es verstanden, sich ideologischen Kategorien zu entziehen und die notwendige Distanz zum jeweiligen Forschungsgegenstand zu wahren. Und es ist ihm gelungen, einen doch großen Kreis von Studenten für die südosteuropäische Geschichte zu begeistern und zu motivieren, sich auf diesem Gebiet zu spezialisieren.

Am 10. Oktober, einen Tag vor seinem 93. Geburtstag, verstarb Mathias Bernath in Dießen am Ammersee, wo er seinen Lebensabend verbrachte. Das Institut für Ost- und Südosteuropaforschung Regensburg (IOS) würdigte den Historiker mit den Worten: „Er hat größte Verdienste um den Aufbau der historischen und gegenwartsbezogenen Forschung zu Südosteuropa, von denen das Nachfolgeinstitut IOS bis heute profitiert.“