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Stellvertretend für die Gemeinschaft pilgerte eine kleine Gruppe Glogowatzer nach Deggingen

Zum Gedenken an die Toten der Gemeinschaft legten die Wallfahrerinnen am Glogowatzer Gedenkstein einen Kranz nieder.

Die kleine Pilgergruppe, hier vor der Sieben-Schmerzen-Kapelle, folgte dem traditionellen Wallfahrtsablauf. Einsender der Fotos: Katharina Höllich

Wieder in Ave Maria Deggingen!

Ja, uns ist dies eine Nachricht wert. Am Samstag, dem 29. Mai 2021, also am Samstag vor dem Dreifaltigkeitsfest, waren wir als kleiner Teil einer kleinen Herde stellvertretend für die Heimatortsgemeinschaft Glogowatz in Ave Maria Deggingen zur Wallfahrt. Hintergrund ist das Gelöbnis, das unsere Vorfahren vor sehr langer Zeit abgegeben haben. Sie hatten gelobt, sollten die Pest und wohl auch andere Notlagen glimpflich zu Ende gehen, jedes Jahr nach Maria Radna zu pilgern. Zu der Gelöbniswallfahrt haben sich – soweit mir bekannt – alle katholischen Gemeinden im Banat verpflichtet.

Wie Wikipedia weiß, erreichte die Wallfahrt zur Amtszeit von Bischof Augustin Pacha um das Jahr 1935 die Zahl von rund 73000 Pilgern und knüpfte an die Zahlen des 18. und 19. Jahrhunderts an, als Pilger aus allen Ländern der Stephanskrone, insbesondere aber aus dem Banat nach Maria Radna kamen – ein Weg, der durch die Teilung des Banats im Zuge des Vertrags von Trianon so nicht mehr möglich war. Wegen des großen Andrangs wurden damals die Pilgerzüge der größeren Pfarreien aus logistischen Gründen auf die Sonntage der warmen Jahreszeit verteilt.

Der größte Wallfahrtstag war zu Mariä Geburt (8. September), als bis zu 20000 Menschen nach Maria Radna pilgerten, wohl weil in einem feierlichen Gottesdienst zu Mariä Geburt 1750 der Wallfahrt offiziell stattgegeben worden ist. Für die Glogowatzer war der Dreifaltigkeitssonntag (der erste Sonntag nach Pfingsten) der Tag, an dem sich Jung und Alt, häufig zu Fuß, singend, betend und plaudernd auf den Weg nach Maria Radna gemacht haben. Verabschiedet und empfangen wurden die Pilger mit Blasmusik. Übernachtet wurde in „Radna-Betten“ bei den gastfreundlichen Hausbesitzern in und um Radna. Auf diese Weise wurde das Gelöbnis von der Gemeinschaft Jahr um Jahr eingelöst. Maria Radna blieb bis in die 1990er Jahre „unser“ Wallfahrtsort. 

Wie sich Wandel vollzieht

Bekanntlich sind wir Banater Schwaben sukzessive aus Rumänien nach Deutschland ausgesiedelt. Der Wallfahrtsort lag nun 1200 Kilometer entfernt. Was tun? War es nur Zufall oder Fügung, dass sich Ave Maria Deggingen als Alternative entwickelt hat? Ich finde es immer noch sehr beeindruckend, wenn ich höre und mir in Erinnerung rufe, was die Keimzelle für diese Entwicklung war. Die Glogowatzer Familie Schäffer, nahe bei Deggingen wohnend, pflegte zum Muttertag in Ave Maria die Andacht um 15 Uhr zu besuchen. Die so geehrte Mutter seufzte: „Ach, wäre das schön, wenn wir unsere Glogowatzer Wallfahrt an Dreifaltigkeit hier in Deggingen begehen könnten!“

Kurze Zeit später waren die Schäffers mit Mutter Elisabeth Ruck wieder in Ave Maria – und sie trafen auf die Kessels, die just zur selben Zeit dort waren. Ein Wort ergab das andere, man sprach verschiedene Landsleute an, mit dem Ergebnis, dass an der ersten Gelöbnis-Wallfahrt nach Ave Maria Deggingen im Jahr 1984 rund 50 Glogowatzer teilnahmen.

In den Folgejahren stiegen die Zahlen rasant an. Nicht nur die Glogowatzer waren froh, einen Ort des Sich-Sehens, der Begegnung, des Gebets und der gemeinsamen Erinnerung zu haben: Es war fast wie derhoam! Ehemalige Nachbarn, entferntere Verwandte, Arbeitskollegen haben sich nach der Ausreise das erste Mal wieder in Deggingen getroffen. Dem Beispiel der Glogowatzer folgten auch andere Gemeinden, so dass Ave Maria wirklich ein Ersatz für Maria Radna wurde.

Wie im Leben gibt es auch bei der Wallfahrt einen Höhepunkt, ab dem dann die Talfahrt beginnt. Waren es in der Hochphase bis zu 2000 Pilger aus den größeren Banater Ortschaften, die mittels von den HOGs organisierten Busfahrten aus ganz Deutschland zu ihrem Wallfahrtstag anreisten, wurde die „die kleine Herde“ in den Folgejahren immer kleiner. Dies stellte auch die HOGs vor Herausforderungen, zumal es zunehmend schwierig wurde, Busse zu chartern, weil die Kosten infolge zu kleiner Teilnehmerzahlen unverhältnismäßig hoch waren. Die Anreise erfolgte daher irgendwann überwiegend nur noch mit dem eigenen PKW. Wer nicht selbst fahren konnte und niemanden zur Mitfahrt fand, musste zuhause bleiben. Diese „Daheimgebliebenen“ vermissten die Gemeinschaft und die Gemeinschaft vermisste sie.

Vielleicht ein neuer Anfang? 

Wie schmerzlich diese Trennung gerade für diejenigen war, die Jahrzehnte zur Wallfahrt gekommen sind und durch ihre Teilnahme zur Bewahrung der Tradition beigetragen haben, war den HOG-Verantwortlichen sehr wohl bewusst. Dass Handlungsbedarf besteht, lag auf der Hand. Als HOG-Vorstand hatten wir uns im Sommer 2019 dazu Gedanken gemacht und Ideen entwickelt, um die Teilnahme auch jenen zu ermöglichen, die nicht mehr so gut zu Fuß sind, aber gerne dabei sein wollen. Diese Überlegungen liegen nun vorerst auf Eis. Denn es kam anders: Corona hat uns allen einen dicken Strich durch die Rechnung und durch alle Planungen gemacht. 

Dass wir auch 2021 nicht zu einer „Vor-Corona-Zeit“ zurückkehren können, war uns klar, aber wir wollten dennoch nicht ganz aufgeben. So haben wir in der Mai-Sitzung sehr kurzfristig und spontan entschieden, mit einer kleinen Abordnung an der regelmäßig samstags um 9 Uhr stattfinden Wallfahrtsmesse in Ave Maria teilzunehmen. In bekannt-bewährter Banater Bescheidenheit haben wir nur ganz klein geplant, weil wir den Ablauf in Deggingen nicht beeinträchtigen wollten. Rückblickend lässt sich sagen: Wir hätten mutiger sein dürfen. Wir wurden in Ave Maria vom Pfarrer und den anderen Verantwortlichen freundlich empfangen und willkommen geheißen. Wir konnten den Kranz zum Gedenken an die Toten und das wie jedes Jahr schön geschmückte Wallfahrtskruzifix vor dem Ambo aufstellen. In seiner Predigt ging der Pfarrer auf unsere Anliegen ein. Die ersten Bankreihen waren für uns reserviert. Es wäre noch Platz für weitere Personen gewesen. Beim nächsten Mal werden es mehr Personen sein! Versprochen.

Für uns Anwesende war es ein schönes Gefühl, als Wallfahrtsgruppe, und sei sie noch so klein, an „unserem“ Tag in Ave Maria zu sein. Im kleinen Kreis sind wir dem traditionellen Ablauf, so gut es eben ging, gefolgt – und wir hatten viel Freude dabei. Gefreut hat uns, dass wir noch drei Personen aus Vinga begegnet sind, deren Gelöbnis-Tag ebenfalls das Dreifaltigkeitsfest ist. Maria führt eben zusammen! Mit einem Vaterunser am Grab von Pater Flavian haben wir die Wallfahrt ausklingen lassen. Wir wissen, wie viel wir ihm verdanken. Ohne sein stetes Wohlwollen wäre vieles nicht möglich gewesen. 

Allen Glogowatzern, die durch Anwesenheit und Gebet zum Gelingen beigetragen haben, sei ein aufrichtiges Dankeschön und ein Vergelt’s Gott gesagt. Jene Landsleute, die sich ebenfalls gerne eingebracht hätten oder einfach dabei hätten sein wollen, bitten wir um Nachsicht, dass wir sie nicht vorab informiert haben – wir waren zu ängstlich und zu bescheiden, die Zeit für eine umfassendere Planung war nach dem spontanen Beschluss zu kurz. 

Allen interessierten Heimatortsgemeinschaften können wir mitteilen, dass in Absprache mit dem Pfarrbüro von Ave Maria Deggingen mehr geht: Bis zu 20 Personen in der allgemeinen Wallfahrtsmesse sind an sich kein Problem. Wenn die eine oder andere HOG wie wir das Gelöbnis der Vorfahren ebenfalls noch dieses Jahr stellvertretend für die ganze Gemeinde erfüllen will, dann ist dies auch unter den bestehenden Rahmenbedingungen durchaus möglich. Wir freuen uns auf die Zeit, wenn wir wieder wie früher nach Ave Maria können, nicht zuletzt deshalb, weil Gemeinschaft einfach gut tut.