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Der Erste Weltkrieg und seine Auswirkungen auf das Banat (2)

Prof. Dr. Günter Schödl

Zur 49. Kulturtagung fanden sich erneut geschichts- und kulturinteressierte Landsleute ein. Foto: Walter Tonţa

Wie bereits berichtet, widmete sich die 49. Kulturtagung der Landsmannschaft der Banater Schwaben, Landesverband Baden-Württemberg, die im vergangenen November im Haus der Donauschwaben in Sindelfingen stattfand, dem Thema „Die Banater Schwaben und der Erste Weltkrieg. Kriegsgeschehen und Auswirkungen auf das Banat“. Sechs Referenten beleuchteten das Tagungsthema unter verschiedenen Blickwinkeln, wobei insbesondere die Auswirkungen des Krieges auf die Banater Schwaben im Mittelpunkt der Betrachtung standen.

Prof. Dr. Günter Schödl stellte in seinem Einführungsvortrag „Zwischen Tradition und Umbruch. Die Banater Schwaben und der Erste Weltkrieg“ die Thematik in einen größeren, südost- und mitteleuropäischen Kontext und skizzierte eingangs, wie sich die deutsche historische Debatte um den Ersten Weltkrieg in den letzten Jahrzehnten entwickelt hat. Die Banater Schwaben seien durch den Ersten Weltkrieg erstmals in ihrer Geschichte mit der grundsätzlichen Infragestellung ihrer kollektiven Existenz konfrontiert worden und gezwungen gewesen, selbst eine Antwort auf die radikale Umwälzung zu finden, die sich in ihrer Umgebung vollzog. Wie alle anderen ethnischen Gruppen der Region hätten sich auch die Banater Schwaben „nationalisiert“ und „politisiert“. Erst die Kriegs- und Nachkriegsereignisse sowie das Spannungsverhältnis zwischen Tradition und Revolution hätten die Banater Schwaben politisch zu Deutschen gemacht, sowohl in ihrem Selbstverständnis als auch in der Wahrnehmung durch die anderen, so Professor Schödl. Der Berliner Historiker zeigte auf, wie sich diese „Nationalisierung“, die sich schon während des Krieges angebahnt hatte, nach dem Zusammenbruch der Habsburgermonarchie vollzog – einerseits vor dem Hintergrund der politischen Grundlagendebatte über die Zukunft der Deutschen im bisherigen historischen Ungarn, andererseits im Spannungsfeld eines sich auflösenden Staates (Ungarn) und zweier Staaten (Rumänien und Serbien), die das Banat für sich reklamierten.

Mit seinem Vortrag „Das Banater Bergland und der Erste Weltkrieg“ rückte Prof. Dr. Rudolf Gräf eine Teilregion in den Fokus, der zum einen aufgrund ihrer wirtschaftlichen Bedeutung eine besondere Rolle während des Krieges zukam und deren Bevölkerung zum anderen durch die gewerkschaftlich und parteipolitisch organisierte Arbeiterschaft eine andere Haltung zum Krieg einnahm als im restlichen Banat. Anhand von Bildern, Karten und Grafiken veranschaulichte der Referent die von der Privilegierten Österreichisch-ungarischen Staatseisenbahn-Gesellschaft (StEG) geprägte wirtschaftliche und demographische Entwicklung des Banater Montangebiets am Vorabend des Ersten Weltkriegs. Als Lieferant von Steinkohle, Eisenerzen, Gusseisen, Walzgut und Stahl und als Waffenproduzent sei die Region während des Krieges extrem wichtig gewesen, betonte Professor Gräf. Er legte dar, wie sich die sozialdemokratisch organisierte Arbeiterschaft, die für die Kriegsindustrie vor Ort mobilisiert worden war, zum Krieg positionierte, welche Zielsetzungen sie verfolgte und mit welchen Mitteln sie diese zu erreichen versuchte. Der Erste Weltkrieg habe sich dramatisch auf das Banater Montangebiet ausgewirkt, zumal durch die territoriale und wirtschaftliche Neuordnung die StEG 1920 in den Besitz der U.D.R. (Uzinele şi Domeniile Reşiţa) übergegangen sei, so Professor Gräf.

Ist Großrumänien durch den Willen des Volkes entstanden, wie die Geschichtsschreibung im kommunistischen Rumänien behauptete? Dieser die historische Wahrheit verschleiernde Auffassung widersprach Hans Fink in seinem Vortrag „Hinter den Kulissen des Krieges. Rumänien und Ungarn im Fadenkreuz der Großmächte“. Anhand einer Fülle von Daten und Fakten legte er dar, wie Siebenbürgen und das Banat nach dem Krieg an Rumänien gelangten. Der Eintritt Rumäniens in den Krieg an der Seite der Entente (August 1916) sei auf Grund der Zusage erfolgt, die von Rumänen bewohnten Gebiete Ungarns dem Königreich Rumänien zuzuerkennen. Nachdem die rumänischen Politiker das Hauptkriegsziel zweimal verspielt hätten, einmal auf dem Schlachtfeld – durch den Friedensvertrag Rumäniens mit den Mittelmächten vom 7. Mai 1918 war das Bündnis mit der Entente für null und nicht erklärt worden – und später am Verhandlungstisch, sei ihnen, so Hans Fink, ein unvorhersehbares Ereignis zu Hilfe gekommen: die im März 1919 ausgerufene ungarische Räterepublik. Durch seine Beteiligung an deren Niederschlagung und die Besetzung Ungarns habe Rumänien eine Änderung seines politischen Status als Verliererstaat erreicht und bei der Pariser Friedenskonferenz seine territorialen Forderungen durchsetzen können.

Jubiläen zählen durch ihre intervallartige Wiederholung zu den Mechanismen der symbolischen Repräsentation von Institutionen und Gemeinschaften, so Josef Wolf in der Einführung zu seinem Vortrag „Selbstrepräsentation und politische Neuorientierung der Banater Schwaben 1918-1925“. Der Tübinger Historiker umriss zunächst den politischen Kontext, auf dessen Hintergrund sich die neue Jubiläumskultur der Banater Schwaben nach dem Ersten Weltkrieg entfaltete. Dieser habe einen politischen Ethnisierungsprozess in Gang gesetzt, der vorerst zu unterschiedlichen Parteigründungen und 1921 zur Bildung der Deutsch-Schwäbischen Volksgemeinschaft als übergeordneter Trägerorganisation der nationalen Gemeinschaft führte. Den Schwerpunkt seiner Ausführungen legte der Referent auf die Zweihundertjahrfeier der Ansiedlung in Temeswar im Jahre 1923, wobei er ausführlicher auf die Planung und Organisation der Feierlichkeiten einging und die Signifikanz der Feier hervorhob. Mit politischer Symbolsetzung verbunden, habe die Ansiedlungsfeier die Gruppenidentität und das politische Selbstverständnis der Banater Schwaben dauerhaft geprägt, so Josef Wolf. Sie habe dazu gedient, über geschichtliche Erinnerung die eigenen politischen Grundsatzpositionen zu klären.

Franz Heinz konturierte in seinem Vortrag mit dem Titel „Zwei Uniformen – ein Dichter. Otto Alscher und die Schwierigkeit im Umgang mit der Wahrheit“ ein differenziertes Bild des  Schriftstellers und Publizisten Otto Alscher (1880-1944). Als Bezugspunkte dienten ihm Alschers Tätigkeit als Redakteur der Besatzerzeitung „Belgrader Nachrichten“ (1917-1918) und sein Wirken als Kulturrat der Deutschen Volksgruppe in Rumänien ab 1941. Im Falle Alscher gäbe es nicht die eine Wahrheit, so Heinz. Zu einer sachlichen Bewertung seiner publizistischen Arbeit fehle uns bis heute der Überblick. In den „Belgrader Nachrichten“ seien seine Beiträge weder durch überbetontes patriotisches Pathos noch durch pangermanistische Parolen aufgefallen. Unwiderlegbar bleibe allerdings, dass Alscher in der Volksgruppen-Ära nationalsozialistisch geprägte Vorträge gehalten und in Zeitungsbeiträgen bekannt habe, schon immer dem großdeutschen Gedankengut verbunden gewesen zu sein. Großdeutsche Bezugspunkte ließen sich zwar auch in seinem literarischen Werk aufdecken, wesentlich ausgeprägter seien jedoch die gesellschaftskritischen Merkmale. Heinz’ Fazit: „Es gibt, literaturkritisch betrachtet, eben nicht nur den einen Alscher, und es wäre nicht nur literaturhistorisch schlichtweg falsch, ihn aufgrund später Äußerungen einseitig zu kategorisieren.“

Dr. Bernhard Böttcher ordnete in seinem „Kriegerdenkmäler des Ersten Weltkriegs bei den Banater Schwaben“ betitelten Referat zunächst diese Denkmäler in die Erinnerungskultur ein. Sie seien „Kristallisationspunkte gemeinsamer Erinnerung mit Überschuss an symbolischen Wert“ und dienten dazu, die Erfahrungen der Kriegszeit und den Kriegstod zu verarbeiten und religiösen Trost zu vermitteln. Sie seien darüber hinaus ein Mittel, um Geschichte zu deuten und – im Falle von Minderheitengruppen – ein Mittel der Selbstpositionierung in der neuen Situation nach 1918. Anhand von Fallbeispielen aus verschiedenen Banater Orten analysierte der Referent die Kriegerdenkmäler im Hinblick auf ihre Genese, ihren Standort, ihre Gestaltung und ikonografische Symbolik, ihre Inschriften usw. Dem Referenten ging es vornehmlich darum, den Krieg bzw. Kriegstod anhand der Inschriften zu deuten und die religiöse Grundierung des Gefallenengedenkens herauszustellen. Die Kriegerdenkmäler der Banater Schwaben, so sein Fazit, seien nicht nur als „steinerne Zeugen“ wichtig und erhaltenswert, sondern auch, weil sie als Vorbild für gelungene Trauer- und Erinnerungsarbeit dienen können.

Die Tagungsbeiträge werden, wie immer, in einem Dokumentationsband veröffentlicht.