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Was verbindest Du mit dem Banat? Der Generationendialog der DBJT

Brigitte und Johann Polling als Vortänzerpaar bei der Kirchweih 1987 in Gertianosch

32 Jahre später: Brigitte und Johann Polling mit Tochter Julia und Sohn Patrick, beide in der DBJT aktiv, beim Triebswetterer Heimattreffen 2019 Einsender der Fotos: Patrick Polling

Elisabeth und Andreas Schöps mit ihren Kindern in schwowischer Tracht im Jahr 1980 in Gertianosch

In den letzten Jahren sind wieder größere Differenzen, teils Spaltungen, in der Gesellschaft zu beobachten. Das Gleiche können wir auch in unserer Gemeinschaft feststellen. Da dieser Umstand nicht nur Probleme bereitet, sondern auch die Chance bietet, in einen interessanten Dialog zu treten, hat die DBJT die Rubrik „Generationendialog“ ins Leben rufen, die in zwangloser Folge in unserer Verbandszeitung erscheinen soll. 

Der Anfang wurde in der Dezember-Doppelnummer des Jahres 2020 gemacht. Damals ging es um das Thema „Digitale Veranstaltungen – Chance oder ‚nur‘ Ersatz?“. Gleichzeitig wurde das Thema des nächsten Dialogs bekanntgegeben: „Was verbindest Du mit dem Banat?“ Dazu werden in dieser Ausgabe ausnahmsweise drei Stellungnahmen veröffentlicht.

Zur Erinnerung, wie das Ganze funktioniert: Beim Erscheinen der Rubrik wird das Thema des folgenden „Generationendialogs“ bekanntgegeben und die Einsendefrist mitgeteilt. Zu dem jeweiligen Thema werden zwei Meinungen veröffentlicht. Alle weiteren Einsendungen sind unter www.dbjt.de einsehbar. Themenvorschläge können auch von den Leserinnen und Lesern unterbreitet werden (per Mail an 
info@dbjt.de). Nach Möglichkeit werden wir sie berücksichtigen.

Das Thema des nächsten Dialogs lautet: „Welche Rolle spielt die Kirche in unserem Leben?“ Dazu erwarten wir Eure Meinungen und Standpunkte unter info@dbjt.de bis zum 30. April 2021. 

Das Banat hat uns zu dem gemacht, was wir sind

Wenn wir an das Banat denken, sehen wir vor unserem geistigen Auge die Hühner im Hof, das Schweinschlachten oder die Oma, die aus dem Korb frisches Obst holt und sagt: „Kumm Kind, ich han was“. Wir verbinden mit dem Banat schöne Kindheitserinnerungen, wie den Chor, den Bändertanz oder das Tanzen in Tracht allgemein. Wenn wir an die Schulzeit denken, haben wir auch nicht so schöne Bilder im Kopf, etwa das Ziehen an den Ohren, die Schläge auf die Fingerspitzen, die Uniform, die perfekt sitzen musste, und andere strenge Regeln. Dennoch hat uns diese Phase im Leben Respekt vor anderen gelehrt. Wir erinnern uns ans die „Chefuri“ (feuchtfröhliche Abende) in der Hausküche, ans Ständchensingen oder an die Namenstags- und Geburtstagsfeiern. Wir denken an die frühe Ausbildung und harte Arbeit bereits im Kindesalter. Trotzdem glauben wir, dass diese harte Arbeit und das Leben als Selbstversorger uns zu dem gemacht hat, was wir sind. Schwowe sind mit wenig zufrieden und sehr fleißig. Erst kommt die Arbeit, dann der Rest. Das haben wir von unseren Eltern gelernt. Im Banat gab es ein Gefühl von Gemeinschaft. Es ist auch hier in Deutschland noch so. Schwowe halten zusammen, sind hilfsbereit und füreinander da. Wir haben früher voneinander gelernt, ganz ohne Internet oder Bücher. Mit dem Banat verbinden wir nicht zuletzt die traditionelle Küche. Auch heute noch kochen wir unsere Banater Gerichte. Mit einfachen Lebensmitteln lassen sich günstige und leckere Speisen zaubern. 

Auch wenn wir viel durchgemacht haben, insbesondere aufgrund des kommunistischen Regimes, der harten Arbeit oder der Fluchterfahrungen, bekommen wir immer noch Tränen in die Augen, sobald das Lied „Nach meiner Heimat zieht’s mich wieder“ erklingt. In solchen Augenblicken werden die schlechten Erfahrungen von den guten überdeckt. Es würde uns reizen, das Haus und den Friedhof nochmals zu besuchen, aber wohnen wollen wir nur hier in Deutschland. Wir sind froh, hier zu sein und trotzdem stolz darauf, „a Schwob zu sin“.

Andreas (geb. 1943 Gertianosch) und Elisabeth Schöps (geb.1949 Kleinjetscha)

Wenn ich an das Banat denke, spüre ich Heimat

Wenn ich an das Banat denke, rieche ich den Akazienblütenduft in den heißen Sommern. Bei starkem, warmem Sommerregen gab es diesen Staubgeruch in der Nase. Ich denke an bitterkalte Winter, sodass in der Nase „die Rotz gfror is“. Da denke ich auch an die Schritte durch den frischen Schnee zum Zug, ganz früh am Morgen.

Ich denke an eine schöne Kindheit mit meinen Geschwistern, an den deutschen Kindergarten, die deutsche Schule, und ich bin froh darüber, meine Muttersprache sprechen zu können. Neben der Schule denke ich an die Freiheit, sich mit anderen Kindern am Eck treffen zu können. Ich erinnere mich an das Spiel Grobegroßi/Brunnekatz, bei dem ein Kind im Graben steht und diejenigen Kinder fangen muss, die den Graben durchqueren. Auch das Katschkei-Spiel „uf de Hutwett“ wird mir immer in Erinnerung bleiben. Hierbei musste eine kurze Holzlatte, die in einem Loch steckte, mit einem Stock so weit wie möglich geschleudert werden. Ich denke an die Radfahrten zur Oma, die immer für uns da war. Beim Spielen kam sie oft zu uns und rief: „Kinner, es git Fettbrot“. Wir waren drei Kinder und hatten ein einziges Paar Schlittschuhe, mit dem wir uns auf der zugefrorenen „Kaul“ vergnügt haben. Wir hatten zwar nicht viel, aber wir wussten genau, wie wir uns die Natur zunutze machen können und waren dadurch einfach glücklich. 

Ich erinnere mich auch an den Freitagmittag, an dem der Religionsunterricht für deutsche Kinder in der katholischen Kirche stattfand. Dort durften wir uns die tollsten Geschichten anhören und nach dem Unterricht im Pfarrgarten Verstecken spielen. Wenn ich an das Banat denke, sehe ich unsere Tiere auf dem Hof vor mir. Ich denke an unsere Hunde, Katzen, Schweine, Hühner und besonders an die Tauben und das Storchennest auf dem Dach. Ich erinnere mich jedoch auch an die harte Arbeit auf dem Feld, die wir schon im Kindesalter verrichten mussten. Das überzählige Gemüse und Obst wurde auf dem Markt verkauft. Ich spüre immer noch meine kalten Füße, wenn ich an das Stampfen von Kraut oder Trauben denke. Der Schweineschrei bei der Schlachtung und der Geruch von frischer Wurst oder geräuchertem Schinken werden mir ebenfalls im Gedächtnis bleiben. Wenn ich an das Banat denke, fällt mir sofort unsere kleine Küche ein, in der lediglich ein Tisch mit Stühlen und die Kredenz standen. Trotz dieser einfachen Ausstattung war sie der Dreh- und Angelpunkt in unserem Haus – der gemütlichste Platz. 

Im Jugendalter spürten wir die Auswirkungen der kommunistischen Mangelwirtschaft in größerem Ausmaße. Abends wurde oft der Strom abgestellt und wir mussten die Hausaufgaben bei Kerzenschein erledigen. Die Grundnahrungsmittel, wie beispielsweise Fleisch und Brot, waren rationiert. Es war eine schwere Zeit, dennoch haben wir Banater Schwaben stets zusammengehalten und uns gegenseitig geholfen, wo es nur ging. Damit verbinde ich Gemeinschaft, Hilfsbereitschaft, Zusammenhörigkeit. Die Tanzveranstaltungen und Kulturfeste in den einzelnen Dörfern haben uns sehr zusammengeschweißt. Besonders die Kerweih kommt mir hier in den Sinn. Gefeiert wurde von Samstagfrüh bis Montag. Eine Woche später folgte die Nohkerweih. Heute weiß ich gar nicht mehr, woher diese ganze Energie und Kraft kamen, um drei Tage durchzufeiern ohne Schlaf. Aber es war ein Erlebnis, jedes Jahr aufs Neue. 

Zusammenfassend kann ich also sagen: Wenn ich an das Banat denke, denke ich an ein stressfreies Leben ohne Hektik, an die Pflege von Tradition, Brauchtum und Gemeinschaft, an das Leben als Selbstversorger und die damit einhergehende Verbindung zur Natur. Ich spüre Liebe, Freundschaft und auch Heimat.

Johann Polling (geb. 1967, Triebswetter) und Brigitte Polling (geb. 1968, Gertianosch)

Wenn auch hier geboren: Ich bin eine Schwowin

Wer bin ich? Wenn mich jemand fragt, wer ich bin, sage ich: „Ich bin eine Schwowin“. Aber was heißt das genau? Ich bin hier in Deutschland geboren und aufgewachsen. Ich ging hier zur Schule und studiere derzeit. Dennoch weiß ich genau, dass ich nicht das bin, was die anderen sind, die keine Banater Wurzeln haben. Meine Herkunft ist eine andere, auch wenn ich hier geboren bin. 
Wenn ich an das Banat denke, spüre ich eine Verbundenheit, die – so denke ich – aufgrund des Dialekts, der Tanzgruppe, der Tanzveranstaltungen, der Brauchtumsseminare, der Arbeit im DBJT-Vorstand und vielem mehr existiert. Die Pflege der Banater Tradition nimmt einen großen Teil meiner Zeit in Anspruch und darauf bin ich stolz. Ich verbinde mit dem Banat die faszinierende Geschichte meiner Eltern und Großeltern. In meiner Erziehung legten sie Wert darauf, immer hilfsbereit und herzlich zu sein, erst meine Arbeit zu machen und mich dann dem Vergnügen zu widmen. Mir wurde beigebracht, stets fleißig zu sein und respektvoll mit anderen, insbesondere mit älteren Menschen umzugehen. Dies sind meiner Meinung nach Attitüden, die meine Eltern aus dem Banat mit übernommen haben. Genau diese Einstellungen bemerke ich auch, wenn ich Freunde besuche, die ebenfalls Banater Wurzeln haben. Ich weiß genau, dass ich auf jedes Mitglied meiner Tanzgruppe zählen kann und meine Hand für jeden einzelnen ins Feuer legen würde. Wenn ich mich frage, warum das so ist, ist die Antwort ganz klar: Weil sie Banater Schwaben sind und ich mit diesen Menschen aufgewachsen bin. Besonders deutlich nehme ich die Gastfreundlichkeit der Banater Schwaben beim Betreten eines Hauses wahr. Der Tisch wird gedeckt, alles wird angeboten. Sollte auch nur darüber nachgedacht werden, das Angebot abzulehnen, sind die Gastgeber eher traurig. 

Wenn ich an das Banat denke, kommt mir unwillkürlich das Lied „Veilchenblaue Augen“ in den Sinn und ich schmecke ganz deutlich die leckeren Kipfel meiner Tante. Ich sehe die Doboschtorte auf dem Tisch, die Zacusca auf meinem Brot und habe den Geruch von leckeren Krautwickeln in der Nase. Ich denke an die DBJT, an die Veranstaltungen, die anderen Tanzgruppen, an unsere gemeinsamen Reisen, die Kerweih und vieles mehr. Bei diesen Gedanken wird mir immer warm ums Herz, sie zaubern ein Lächeln auf meine Lippen. 

Gerade in dieser kontaktlosen Zeit merke ich ganz besonders, wie sehr mir der Kontakt zu den anderen fehlt. Ich will unseren Dialekt hören und sprechen und auch das hemmungslose freie Gefühl wieder erleben, das mir das Polkatanzen bringt. Ich denke an meine Tracht, die bei Oma im Keller verstaubt, anstatt stolz auf der Kerweih präsentiert zu werden.

Wenn ich an das Banat denke, habe ich nicht einen bestimmten Ort im Kopf, sondern das soeben beschriebene Gefühl. Wenn dieser Aspekt meines Lebens nicht erfüllt ist, spüre ich an einer Stelle in mir ein Loch. Also weiß ich genau, dass ich mit dem Banat etwas verbinde, das notwendig ist, damit ich vollkommen glücklich sein kann.

Julia Polling (geb. 1998, Aldingen,   Bezug zum Banat: Gertianosch/Triebswetter)