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Schranken und Chancen in Pandemiezeiten - Rückblick auf das Jahr 2020 aus landsmannschaftlicher Perspektive

Jeden ersten Donnerstag im Monat trifft sich der Bundesvorstand unserer Landsmannschaft zu einer Skype-Sitzung, in der aktuelle Anliegen des Verbandes diskutiert und beschlossen werden. Hier die Teilnehmer der Sitzung vom 7. Januar 2021. Screenshot: Jürgen Griebel

Von Helmut Weinschrott erhielten wir das hier veröffentlichte Foto und dazu folgende Mitteilung: „In meiner angeschlagenen Hoffnung hat uns − früher als erwartet − der Impfstoff gegen COVID-19 erreicht. Als Leiter der Adam-Müller-Guttenbrunn-Stiftung im Banat habe ich mir am 9. Januar 2021 als Vorbild im Kampf gegen CORONA als erster die Schutzimpfung verabreichen lassen. Alle Mitarbeiter/innen sind schon in den nächsten Tagen bei den Impfzentren der Stadt programmiert und für die Heimbewohner kommt ein mobiles Team zur Verabreichung des Impfstoffs in die drei Heime unserer Stiftung. Es gibt daher wachsendes Vertrauen bei den Menschen, die am dringendsten geschützt werden müssen. Die Pandemie verliert einen Großteil ihres Schreckens und vielleicht ebnet uns die Impfung auch den Weg aus der Pandemie.“

Das Jahr 2020 ist vorbei. Das Jahr der Corona-Pandemie, des Zweifels, aber immer wieder auch der Hoffnung. Letztlich bleibt es im Rückblick ein Jahr großer Unsicherheit. Wir hatten gut begonnen, hielten unsere Hauptversammlung ab und auch mehrere Gedenkveranstaltungen zum 75. Jahrestag der Russlanddeportation. Wir planten unseren Heimattag, die HOG-Tagung, Konzerte, Lesungen, Treffen. Viele gemeinschaftsfördernde und gesellige Veranstaltungen wurden von den Gliederungen geplant – allein wir mussten fast alles absagen oder Veranstaltungen ins Internet verlagern. In den 70 Jahren seit der Gründung unserer Landsmannschaft hatte es das noch nicht gegeben.

Manche unserer Mitglieder hatte es aber schlimmer getroffen. Sie erkrankten an dem neuartigen Coronavirus, einige schwer, manche verloren ihr Leben. An sie erinnern wir in dieser Zeit besonders. Zugleich danken wir jenen Mitgliedern, die beruflich oder ehrenamtlich in dieser Zeit unterwegs waren und sind, um zu helfen, um Not zu lindern. Es sind systemrelevante Einsätze geworden.

Natürlich haben wir in diesen schwierigen Zeiten immer wieder überlegt, was wir jetzt machen könnten, was sonst liegen geblieben ist. Die Dokumentation unseres 70-jährigen Wirkens in Deutschland ist wichtig, sie kann die Basis für eine Fortführung und Weiterentwicklung dieses Wirkens sein, zum Beispiel für die nächste Generation. Nutzen wir dafür bitte das, was bereits vorhanden ist, was vorliegt: im Archiv des Instituts für donauschwäbische Geschichte und Landeskunde in Tübingen, im Donauschwäbischen Zentralmuseum in Ulm, im Institut für deutsche Kultur und Geschichte Südosteuropas in München, am Institut für Volkskunde der Deutschen des östlichen Europa in Freiburg, im Haus des Deutschen Ostens in München, im Haus der Donauschwaben in Sindelfingen, in den Häusern der Heimat in Stuttgart, Nürnberg und Karlsruhe, im Gerhart-Hauptmann-Haus in Düsseldorf und demnächst im Dokumentationszentrum Flucht, Vertreibung, Versöhnung in Berlin. Schauen wir, was da ist, eignen wir es uns an, nutzen wir es! Es gibt wohl in jeder Gliederung Mitglieder, die sich hier engagieren könnten. Melden Sie sich, bringen Sie sich ein!

In dem zu Ende gehenden Jahr waren viele von uns kein einziges Mal im Banat, wo das Coronavirus ebenfalls in Betrieben, in Heimen und Familien wütete. Aber auch jenseits der Pandemie bleibt festzuhalten: Die deutsche Wallfahrt nach Maria Radna hat im Zeichen des 500-jährigen Jubiläums von Maria Radna stattgefunden. Die Temeswarer haben mit Dominic Fritz einen deutschen Staatsbürger zu ihrem Bürgermeister gewählt, die Deutschen Rumäniens haben ihrem Abgeordneten Ovidiu Ganț das Vertrauen für eine weitere Amtszeit im Parlament geschenkt. Gemeinsam mit seinen serbischen und jüdischen Parlamentskollegen Slavoliub Adnagi und Silviu Vexler und den anderen Abgeordneten wurde eine Entschädigungsregelung für Kinder ehemals politisch Verfolgter durch das kommunistische Regime im Parlament durchgesetzt, die ihresgleichen in Europa sucht. Zahlreiche Anfragen aus Ortschaften im Banat sind eingegangen, in denen Anknüpfungspunkte an unser Sein im Banat gesucht wurden. Was war da, worauf basiert das, was ist anzunehmen – auch dort werden diese Fragen gestellt, und zwar von den Menschen, die jetzt dort leben. Nicht überall konnten wir darauf antworten. Die Zahl der Fragen wird zunehmen, gerade im Hinblick auf das Jahr 2023, in dem Temeswar Europäische Kulturhauptstadt ist. Es sind dann genau 100 Jahre seit der großen 200-Jahr-Feier der Deutschen im Banat. Ich glaube, mehr Hinweise bedarf es nicht, um sowohl unsere Geschichte als auch unser Wirken heute zu einem Ausrufezeichen zu entwickeln.

Die Corona-Pandemie hat uns viele Einschränkungen auferlegt, sie hat in unserer Landsmannschaft aber auch einen Modernisierungsschub ausgelöst. Wie selbstverständlich wurden Online-Formate entwickelt, wurde gefilmt, digitalisiert, wurden neue und soziale Medien genutzt, um Geschichte und Kultur der Banater Schwaben zu vermitteln, unsere Mitglieder zu verbinden. Die Deutsche Banater Jugend und Trachtengruppen sind hier vorbildlich aufgetreten, aber auch der Bundesverband, die organisierten Landesverbände, die Kreisverbände und Heimatortsgemeinschaften haben neue Formate entwickelt, um den Anforderungen der Zeit zu entsprechen. Gerade weil so wenig stattfinden konnte und auch heute noch stattfinden kann, sind diese Zeichen ungemein wichtig. Wir bestehen als Gemeinschaft nur dann, wenn wir etwas für sie tun.

Der Bundesvorstand hat im vergangenen Jahr monatlich eine Sitzung als Skype-Konferenz abgehalten, das Format hat sich bewährt, es kann allen Gliederungen empfohlen werden. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bundesgeschäftsstelle und der Redaktion der „Banater Post“ in München sowie des Kultur- und Dokumentationszentrums in Ulm haben im vergangenen Jahr wieder zuverlässig dafür gesorgt, dass unsere Mitglieder trotz der Einschränkungen eine Anlaufstelle fanden und regelmäßig unsere Zeitung erhalten haben. Dafür sei ihnen herzlich gedankt. Dort wo die Zeitung nicht regelmäßig kam, war es nicht unser Verschulden. Alle Zeitungen werden an einem Tag gleichzeitig verschickt. Sollte einmal ein Exemplar unterwegs verloren gehen, melden Sie sich bitte. Ersatzexemplare sind immer vorhanden. Auch unser Büchertisch hat einige Bereicherungen erfahren, weitere Veröffentlichungen sind in Arbeit.

Noch eine Bitte: Immer wieder beklagen sich Mitglieder, und das auch zurecht, dass über ihren Heimatort schon seit Jahren nichts in der „Banater Post“ erschienen sei. Helfen Sie mit, diesen Missstand zu beheben. Es gibt so viele Jubiläen, so viele Anhaltspunkte, diese mit dem aktuellen Geschehen zu verbinden, nutzen Sie diese doch!

Wann und wie wir in diesem Jahr unser traditionelles landsmannschaftliches Leben wieder starten können, ist noch nicht abzusehen. Es scheint so, dass der Impfstoff uns einen neuen Umgang mit dem
Coronavirus ermöglichen wird. Bleiben wir wachsam, halten wir den Kontakt untereinander aufrecht!

Irgendwann kommen wieder bessere Zeiten und darauf sollten wir vorbereitet sein! Der Bundesvorstand wird es sein.