zur Druckansicht

Banat, Bayern und die Banater Bratwurst

Metzgermeister Michael Pauleser präsentiert seinen Gästen stolz die neue Räucher- und Trockenanlage der Metzgerei Böhmfelder

Peter-Dietmar Leber und Werner Ingrisch zu Besuch in der Metzgerei Böhmfelder: Metzgermeister Michael Pauleser präsentiert die hier produzierten Original Banater Bratwürste. Fotos: privat

Es gibt oder gab, das sei mal dahingestellt, wohl kein zweites Lebensmittel, welches mit den Banater Schwaben in so einen direkten Zusammenhang gebracht worden ist oder wird, wie die Banater Bratwurst. In den sozialen Medien wird sie landauf und landab überall gepostet, nicht nur zur Winterzeit. Im Banat findet nach wie vor die traditionelle Banater „Worschtkoschtprob“ der Banater Zeitung statt, bei der sich die „Worschtmacher“ in ihrem Können messen. Manche von ihnen sollen zu diesem Termin sogar schon aus Deutschland angereist sein, denn auch hierzulande treffen sich im Dezember in Küchen, Kellern, Garagen oder Gartenhäusern immer wieder Landsleute zum gemeinsamen Wursteln.

Ich gestehe, dass ich auch ab und an zu ihnen gehöre, wobei mir das gesellige Beisammensein, das Schwelgen in Kindheitserinnerungen im Zusammenhang mit diesem Ereignis mittlerweile schon wichtiger ist als die Wurst selbst.

Aber um die geht es jetzt. Um die Banater Bratwurst, die ein bayerischer Metzger herstellt. Ein Widerspruch? Nein, ein Zeichen gelungener Integration, was ich sonst gerne bei Treffen sage: Integration bedeutet auch ein Einbringen unserer Traditionen und es bedeutet im besten Fall ein gegenseitiges Geben und Nehmen. „Geben“ bedeutete in diesem Fall, dass eine aus Jahrmarkt im Banat stammende schwäbische Fachverkäuferin in einer Metzgerei in Ingolstadt ihrem Chef von der Banater Bratwurst geschwärmt hatte. „Nehmen“ war für den tüchtigen Metzger das Interesse an diesem Produkt, ein Test der Marktchancen und der Versuch, der Kundschaft diese Wurst schmackhaft zu machen. Es ist ihm gelungen.

Das erste Mal hatte ich von diesem Metzger bei einem Treffen der Heimatortsgemeinschaft Mercydorf erfahren. Die HOG hatte eine Wursttombola organisiert, es wurde ein Wurstkönig ausgelost und diejenigen, die bei der Tombola leer ausgegangen waren, konnten sie eingeschweißt erwerben. „Schwowische Worscht vun em bayerische Metzger“, lautete der Slogan des stellvertretenden HOG-Vorsitzenden Werner Ingrisch, der sich immer um die Organisation dieser Wursttombola kümmert. Die Gäste losten und kauften, es schien nicht die erste Tombola gewesen zu sein, sie wussten anscheinend Bescheid.

Auch wenn ich bei der Tombola leer ausging, das Interesse war geweckt. Werner stachelte die Neugierde immer mehr an, und irgendwann war es dann so weit. Am Rande eines Termins in Ingolstadt sollte ich zum bayerischen Metzger nach Böhmfeld im Landkreis Eichstätt gehen, um die Geschichte dieser bayerisch-banater Symbiose kennenzulernen. Weil der Termin sehr kurzfristig angesetzt war, „in einer halben Stunde sind wir da“, hielt sich die Freude des mitten in der Arbeit steckenden Metzgers wohl in Grenzen, aber er sicherte uns den Termin trotzdem zu.

Der Verkaufsladen der Metzgerei Böhmfelder in der Mitte des gleichnamigen Ortes ist hell und freundlich eingerichtet, es duftete verführerisch. Aber wir wollten ja die Produktionsstätte sehen und Metzgermeister Michael Pauleser, der gemeinsam mit seiner Schwester Melanie den Betrieb führt, übernahm die Führung. Er ist ein offener Mensch mittleren Alters, zugleich ein wandelndes Lexikon in Sachen Fleisch und Wurstverarbeitung. Wir mussten Schutzkleidung anziehen, der Besuch fand noch vor Corona statt, und glaubten in eine Apotheke einzutreten, so sauber und aufgeräumt war alles.
Melanie und Michael Pauleser beschäftigen über 100 Mitarbeiter, davon 25 in der Produktion in Böhmfeld. Die anderen arbeiten im Verkauf, die Firma betreibt sechs Ladengeschäfte in der Region, darunter zwei in Ingolstadt.

Die Produktion ist recht ausgeklügelt. An einem Tor werden die Schlachttiere gebracht. „Sie stammen nur aus der Region bis maximal zwanzig Kilometer Entfernung, wir achten auf kurze Wege und dass die Tiere keinem Stress ausgesetzt sind“, sagt Pauleser. Er kennt die Landwirte, er weiß wie und was gefüttert wird: keine Antibiotika, keine Wachstumsförderer. So an die hundert Schweine in der Woche, aber auch Lämmer und Kälber werden geschlachtet, die Metzgerei holt die Tiere zur Schlachtung ab. Die Schlachter haben gekennzeichnete Räume und Arbeitskleidung, sie dürfen nicht in die anderen Räume. Im Zerlegungsraum sind wieder andere Mitarbeiter, die Produktionsstätten sind voneinander getrennt. 180 Artikel stellt die Metzgerei Böhmfelder selber her. Da wird abgefüllt, hier wird gekocht, da geräuchert, hier wiederum getrocknet und woanders gekühlt.

Wir kommen von einem Raum in den anderen, sind plötzlich in einem Raum voller Salami. „Die reifen im Naturreifeverfahren“, erklärt der Fachmann, was nur noch wenige Metzger machen, weil das sehr aufwendig ist. Die Salami hängen hier mehrere Wochen lang, sie verlieren an Gewicht, aber sie entwickeln einen unvergleichlichen Geschmack. Das Geheimnis liegt in den natürlichen Mikroorganismen, die die Salami fermentieren. Ansonsten wird aber Wert auf frische Ware gelegt. „Heute produziert, morgen verkauft“, lautet das Motto, manche Waren sind aber auch schon nach zwei Stunden im Laden.

Langsam nähern wir uns der Banater Bratwurst. Zuvor sehen wir die neue Räucher- und Trockenanlage. Sie kostete eine halbe Million Euro, stammt aus Österreich, und ich merke schnell, dass gute Wurstwaren auch was mit der Kunst des Räucherns zu tun haben. Buche liegt hier, aber Michael Pauleser gibt zu, dass er beim Räuchern gerne „bastelt“, um die besten Ergebnisse zu erzielen. Wie er das macht, das bleibt sein Geheimnis. Das zweite Geheimnis ist die Gewürzmischung. „Sie ist sehr wichtig“, sagt der Meister. Er kaufe nur hochwertige Gewürze ein und stelle die Mischung auch persönlich zusammen.

Eines Tages habe ihn eine Mitarbeiterin, Susanne Renke, auf die Banater Bratwurst angesprochen, weil die hier keiner so produziere wie im Banat. Michael Pauleser war interessiert, Frau Renke schickte ihren Mann Oskar Renke vorbei, damit der Banater Hobbymetzger dem bayerischen Metzgermeister mehr über diese Wurst und deren Zubereitung berichtet. Michael Pauleser probierte es und der Erfolg kann sich sehen lassen. Über die Theke der Metzgerei Böhmfelder gehen mittlerweile wöchentlich 200 bis 300 Kilogramm frische oder geräucherte Original Banater Bratwürste. Die meisten Kunden sind Bayern, sie sind Stammkunden.

Mit der Metzgerei hatte der Opa von Michael Pauleser 1940 angefangen. Sein Vater startete nach dem Krieg mit einem Lehrling. Heute bewegt sich die Mitarbeiterzahl im dreistelligen Bereich und er könnte sogar ein Drittel mehr produzieren, allein im Verkauf fehlt das Personal. Früher hatte man zehn Lehrlinge in diesem Bereich, heute nur einen. In der Zerlegung und in der Produktion arbeiteten auch Arbeiter aus Osteuropa, die Abläufe funktionieren, aber im Verkauf könne man nicht ausbauen. In Ingolstadt ist nun mal Audi der prestige- und zahlungskräftigste Arbeitgeber, auf der anderen Seite
sicher auch eine gute Kundschaft für die Metzgerei.

Auf die Zukunft angesprochen, gibt sich Michael Pauleser realistisch. „Man muss nicht jeden Tag Fleisch essen“, sagt der Metzgermeister. Er achte auf Qualität und die führe zum Vertrauen der Kunden. Dass seine Metzgerei 2013 vom bayerischen Landwirtschaftsminister mit dem Staatsehrenpreis des Metzgerhandwerks als eine der zehn besten Metzgereien Bayerns für langjährige Qualität und Spitzenleistungen ausgezeichnet wurde, hat der bescheiden auftretende Michael Pauleser nicht gesagt. Auch nicht, dass das Gourmetmaga-zin „Der Feinschmecker“ die Metzgerei zu den Top 500 in Deutschland gekürt hat, aber dafür gibt es ja das Internet.

„Wir müssen den regionalen Bezug zu unseren Produkten bewahren und mit den vorhandenen Ressourcen vernünftig umgehen“, blickt Michael Pauleser in die Zukunft. Mit dieser Einstellung bleibt er gut aufgestellt. Und zu den Produkten mit „regionalem Bezug“, den Banater Schwaben sei Dank, zählt mittlerweile auch die Original Banater Bratwurst.