Zur Erinnerung an die Verkündung der Charta der deutschen Heimatvertriebenen vor 70 Jahren auf einer Großkundgebung in Stuttgart-Bad Cannstatt hat der Kreisverband Schweinfurt des Bundes der Vertriebenen am 6. August 2020 am Vertriebenendenkmal im Stadtpark „Alter Friedhof“ in Schweinfurt zu einer Gedenkstunde eingeladen, die entgegen der Erwartungen der Veranstalter gut besucht war. Die Feierlichkeit stand dieses Jahr unter dem Motto „70 Jahre Charta der deutschen Heimatvertriebenen – Versöhnung statt Vergeltung“.
„Heimat ist kein Objekt, sondern ein Gefühl“, stellte Peter Krier, Vorsitzender des Kreisverbandes Schweinfurt des Bundes der Vertriebenen, in seiner Eröffnungsansprache fest. „Und Gefühle sind, wie die Gedanken, frei.“ Der Redner erinnerte an das Schicksal der über 14 Millionen geflüchteten, vertriebenen und heimatlos gewordenen Deutschen aus den deutschen Ostgebieten und aus Ostmittel-, Ost- und Südosteuropa während und nach Ende des Zweiten Weltkriegs. Schon fünf Jahre nach Kriegsende habe die Charta der deutschen Heimatvertriebenen mit dem Verzicht auf Rache und Vergeltung den Teufelskreis aus Gewalt und Gegengewalt durchbrochen und dem Wunsch der deutschen Heimatvertriebenen nach einem friedlichen Zusammenleben mit allen Nachbarvölkern und dem Aufbau eines gemeinsamen Europa in Frieden und Freiheit Ausdruck verliehen. Die Charta sei nicht nur Vision gewesen, sondern sie „war und ist ebenso Protest gegen das erlittene Schicksal und Mahnung für die Zukunft“. Die Charta sei das „Grundgesetz der Vertriebenen“ und zum Garanten für deren gelungene Eingliederung geworden, so Krier. Sie bilde bis heute das moralische Fundament für die Arbeit des Bundes der Vertriebenen und bestimme sein Handeln nach wie vor.
Im weiteren Verlauf der Feierstunde trug Ewald Oster, Landesvorsitzender der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland, den Text der Charta vor, in dem sich die deutschen Heimatvertriebenen einerseits verpflichteten, auf Rache und Vergeltung zu verzichten, die Schaffung eines geeinten Europas zu unterstützen und am Wiederaufbau Deutschlands mitzuwirken, andererseits ihren Anspruch auf politische Mitwirkung und ihre Forderungen im Hinblick auf die drängenden Eingliederungsfragen formulierten.
Im Anschluss daran trugen Peter und Margareta Wardenga je ein Heimatgedicht vor. Mit einer Kranzniederlegung am Vertriebenendenkmal fand die Feierstunde ihren Höhepunkt. Ein Bläserduo verlieh der Veranstaltung einen besonders feierlichen Rahmen.
Besonderer Gast der Feierstunde war der 90-jährige Helmut Irblich, gebürtiger Sudetendeutscher, der 1950 Zeitzeuge der Verkündung der Charta der deutschen Heimatvertriebenen in Stuttgart war. Irblichs Vater konnte als Stadtrat im Jahre 1938 die Synagoge von Jägerndorf vor der vom NS-Regime angeordneten Zerstörung in der Reichspogromnacht retten.