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Mit prominenten Gästen in die alte Heimat

Vizebürgermeister Ioan Urda legte im Namen der Gemeinde Neupetsch/Peciu Nou einen Kranz am Kriegerdenkmal nieder. Fotos: Hans Rieser

Bürgermeister Ioan Fărcălău überreicht Reiner Ruf die Urkunde über die Verleihung der Ehrenbürgerschaft der Gemeinde Neupetsch/Peciu Nou.

Es heißt ja bekanntlich, Geschichte würde sich wiederholen. Im Falle der Ulmbacher trifft dies nach fast 300 Jahren nur äußerst bedingt zu. Die ehemals neue Heimat wurde im Laufe der Jahrhunderte zur alten, angestammten. Die Wirren der Geschichte schickte sie jedoch erneut auf Heimatsuche, und die Remigranten machten die alte Heimat ihrer Vorfahren zu ihrer neuen. Zum Glück hat man die Möglichkeit, die alte Heimat wann auch immer zu besuchen. Zu solch einem von der Heimatortsgemeinschaft organisierten Besuch machten sich rund 160 Ulmbacher Anfang Oktober vergangenen Jahres auf den Weg – im bequemen Reisebus, im Flugzeug, im Wohnmobil oder im eigenen Pkw. Drei Tage lang wurde ein Feuerwerk der Gefühle abgebrannt: Erinnerungen überwältigten die älteren Mitreisenden, Neugierde und Wissensdurst über die Geschichte der Vorfahren führten viele jüngere Ulmbacher in das Dorf der Eltern und Großeltern.

Die ältere Generation hat unseren Heimatort noch in original „schwowischer“ Form in Erinnerung. Wir, die „mittlere“ Generation, mussten unser Dorfbild bereits mit Erzählungen und Erinnerungen der älteren Generation vervollständigen, um es noch als „schwowisch“ gelten zu lassen. Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs begann auch im „neuen“ Ulmbach (rumänisch Peciu Nou) ein sichtbarer Wandel in den verschiedensten Bereichen des öffentlichen Lebens. Was erhalten blieb, sind die bedingungslose Gastfreundschaft, die Offenheit und Herzlichkeit. Außerdem sehen die dort lebenden Rumänen die abgewanderten Deutschen als Teil der Gemeinschaft aller Ulmbacher und suchen alte Beziehungen zu festigen oder gar neue zu knüpfen.

Die Gemeinde zählt inzwischen rund 5000 Einwohner – 3880 Rumänen, 675 Serben, 100 Ungarn, 57 Ukrainer. Der deutsche Bevölkerungsanteil ist auf einen statistisch nicht mehr relevanten Rest geschrumpft. Die ehemals deutsche Gemeinde lebt nicht mehr im Banat, sondern verstreut in Deutschland, mit Schwerpunkten in den Räumen Rechberghausen / Göppingen, Nürnberg, Würzburg, Landshut, München. Die Gemeinde Rechberghausen haben die Ulmbacher ganz besonders in ihr Herz geschlossen. Das hat vielschichtige Gründe – von der „entsprechenden“ Größe des Ortes bis zur herrlichen Kulisse, vor welcher die Ulmbacher ihr jährliches, traditionelles Kirchweihfest feiern dürfen und dabei im Laufe der Jahre ein richtiges neues Zuhause gefunden haben. Das Ausschlaggebende war jedoch, dass es auch „hinter den Kulissen“ gestimmt hat. Und hier standen Bürgermeister Reiner Ruf und einige engagierte Gemeinderäte von Anfang an begleitend an der Seite der Ulmbacher, die hier Fuß fassten. In Rechberghausen leben fast 200 Ulmbacher. Ihre Eingliederung in die Gemeinde hat sich für beide Seiten insgesamt positiv entwickelt. Hatte anfangs eher das Soziale und das Wirtschaftliche den höheren Stellenwert, so ist in der Gegenwart das Traditionelle und Kulturelle prioritär.

Die Ulmbacher haben in Rechberghausen ihre weit über die Grenzen des Ortes bekannte „Original Banater Schwabenkapelle“, ihren Kirchenchor, ihre Kochgruppe, ihre Freizeitkicker, ihre Kegelgemeinschaften und ihre Kinderwandergruppe. Bürgermeister Ruf ist natürlich bei den größeren Veranstaltungen immer mit von der Partie. Dass dies nicht aus rein politischer Verpflichtung geschieht, ist seit Jahren bekannt. Als er dann noch eins draufsetzte und durchblicken ließ, dass er und seine Ehefrau Gertrud sich den Ulmbachern bei ihrem Heimatbesuch anschließen wollten, avancierte er in den Augen unserer Landsleute endgültig zum Ulmbacher Landsmann. Der katholische Pfarrer der Gemeinde Rechberghausen, Bernhard Schmid, machte die Überraschung perfekt, als er sich ebenfalls dazu entschloss, die Ulmbacher auf dieser von Peter Rieser und Hans Thill organisierten Reise zu begleiten.

Dicht gepackt waren die insgesamt drei Tage in unserem Heimatort Ulmbach und teilweise in Temeswar, wo wir einen wunderschönen Abend am Bega-Ufer in der „Terasa Flora“ verbrachten. Helmut Milles (Göppingen) und Michaela Anheuer (Rechberghausen), bekannt als „d’Ulmbacher“, sorgten mit ihrer Musik für ausgezeichnete Stimmung. Ein paar Stunden zuvor hatten die beiden Vorstände Elfriede Beck und Peter Rieser noch bei herrlichem Herbstwetter durch die alten, geraden Gassen und durch die Geschichte des ehemaligen Heimatortes geführt. Erinnerungen an Dorfgrößen, an Sitten und Bräuche, an Schulstreiche machten den Dorfrundgang kurzweilig und informativ.

Bürgermeister Ioan Fărcălău und sein Vize Ioan Urda hatten, mit einem Team von Helfern, alle Hände voll zu tun, das geballte Rahmenprogramm zu koordinieren. Mädchen in Tracht boten nach alter rumänischer Sitte Brot und Salz zum Empfang. Anschließend folgten Stehempfang und Begrüßung durch den Bürgermeister. Drei Schweine und ein Rind waren aufbereitet und verwurstet worden, der fast vergessene Duft von frischem Kesselfleisch breitete sich verlockend in der ruhigen Herbstluft aus.

Beim Gottesdienst in der katholischen Dorfkirche brachten der Gesang vertrauter Lieder und die rührenden Worte der beiden Priester László Wonnerth (Temeswar) und Bernhard Schmid (Rechberghausen) so manche Träne in die Augen, weckten manch verblasste Erinnerung und erneuerten das Gefühl der Zusammengehörigkeit der einstigen Dorfbewohner. Beim gemeinsamen Besuch des von Elena Liciu im Auftrag der HOG vorbildlich gepflegten Friedhofs legten die Ulmbacher Jugend und die Gemeinde Peciu Nou, zum Klang der Flügelhörner von Horst Stromer und Richard Anheuer, je einen Kranz nieder. Die Kranzniederlegung durch Vizebürgermeister Urda im Namen der Gemeinde berührte die Seelen der Anwesenden ganz besonders. Waren es doch 95 Jahre nach Ende des Ersten Weltkriegs die ersten Blumen aus der Hand rumänischer Behörden vor unserem Kriegerdenkmal. Die mahnenden und gleichzeitig zuversichtlichen Worte dazu sprach Peter Rieser, der Vorsitzende der HOG Ulmbach. Es war ein rührendes Bild, das sich da in unsere Köpfe prägte und so manches jahrzehntealtes Vorurteil wegfegte. Ein Bild vor dem Hintergrund der ehrwürdigen „Anheuerschen Kapelle“, welche zu dieser Zeit bemerkenswerter Weise gerade durch den rumänischen Unternehmer Traian Horga ehrenhalber und aus eigener Initiative renoviert wurde.

Dass der Bürgermeister von Rechberghausen Reiner Ruf nicht nur in unserer neuen Heimat einen exzellenten Ruf genießt, sondern auch bei den derzeitigen Bewohnern Ulmbachs, wurde in einer kurzen öffentlichen Sitzung des dortigen Gemeinderates deutlich, bei der er zum Ehrenbürger der Gemeinde ernannt wurde. Die Laudatio hielt der Vorsitzende des Gemeinderates, Gligore Tarţa. Nach mehr als 30-jähriger Unterstützung der Ulmbacher in Rechberghausen stünde Bürgermeister Ruf diese Ehre zu. Nachdem die Ulmbacher in Deutschland keine „eigene Gemeindeverwaltung“ besitzen, sahen sich die heutigen Ulmbacher dazu verpflichtet, diese Ehrung vorzunehmen, so Tarţa. Der völlig überraschte Bürgermeister war sichtlich gerührt und der Fluss seiner Dankesrede hatte bestimmt nicht nur durch Elfriede Becks hervorragende Übersetzung ins Rumänische zu leiden…

Im Rahmen des groß angelegten Besuches in der alten Heimat wurde auch die neue Heimatstube feierlich eröffnet. Die Ausstellungsstücke wurden in Deutschland unter der Federführung von Elfriede Beck hergestellt und gesammelt, um das ehemals deutsche Leben im heutigen rumänischen Ort zu dokumentieren. Auch einige Ausstellungsstücke aus alten deutschen Haushalten haben über die neuen Hausbewohner einen Platz im Museumszimmer gefunden. Daran wird aber noch weiter zu arbeiten sein. Wegen ihres Einsatzes für die neu gefundene Ebene der Kommunikation zwischen den alten und neuen Ulmbachern und für das offene Ohr für die Belange der alten Heimat wurden Peter Rieser, Elfriede Beck, Horst Stromer, Hans Thill und Pfarrer Bernhard Schmid geehrt. Pfarrer Schmid hatte die Reise als Pfarrer der neuen Ulmbacher Gemeinde angetreten. Er hat viel erfahren über das Leben der Menschen, deren Seelsorge ihm in seiner Pfarrei obliegt. Für sein Verständnis wurde ihm gedankt. Außerdem hatte er Gelegenheit, orthodoxe Popen und deren Kirche kennenzulernen.

Das Programm der drei Ulmbacher Tage war dicht gepackt: Die Tanzgruppen der Teilgemeinden Serbisch-Sanktmartin und Diniasch ernteten lang anhaltenden Applaus für ihren professionellen Auftritt mit serbischer Folklore. Ihre Formationen treten landesweit auf, sind mehrfach prämiert worden und hatten auch schon internationale Erfolge zu verzeichnen. Die Handballmädchen des Ortes zeigten in einem Schaukampf ihr Können – sie sind Jugend-Landesmeister. Natürlich haben auch die Fußballer ein Kurzspiel absolviert. Ein Unentschieden war das gerechte Ergebnis.

Auf dem Dorfplatz fand am Samstag das rumänische Erntedankfest statt. Fünf orthodoxe Popen weihten die Gaben. Ehrengäste und die Bürgermeister eröffneten dieses Herbstfest. Ein Gulaschkochwettbewerb sorgte für beste Verpflegung. Demnach waren Essen und Trinken, Marktbetrieb, Tanz und allgemeines Feiern bis spät in die Nacht hinein angesagt. Im neu gebauten Kulturheim sorgte das Duo Hilde und Werner Maurer für ausgelassene Stimmung – kein Zuckerschlecken für die Organisatoren, die den Großteil der Gäste ja noch nach Temeswar ins Hotel zu bringen hatten.

Ein Plausch mit alten Bekannten, Besuche bei ehemaligen Nachbarn und neuen Hausbewohnern, Spaziergänge durch die vertrauten und doch fremd gewordenen Gassen füllten die knappe Freizeit dieser zwar recht anstrengenden, jedoch wunderbaren Tage in der alten Heimat. Bürgermeister Reiner Ruf und Pfarrer Bernhard Schmid sei herzlich gedankt für die Zeit, die sie den Ulmbachern geopfert haben, für die schönen gemeinsamen Tage. Vielen Dank an alle, die in irgendeiner Form zum guten Gelingen dieser Heimatfahrt beigetragen haben. Noch nie waren auf der Rückreise die Fragen nach der nächsten „Ulmbachfahrt“ so zahlreich…