Ende September erschien das neue Heimatblatt der HOG Temeschburg, und die Stammleserschaft wird wieder ihre Freude daran haben. Dr. Alfred Zawadzki, der Redakteur, ist sich und allen anderen treu geblieben. Das Heft ist wieder nach gleicher Manier gestaltet, sehr übersichtlich strukturiert und bemüht, vom Cover bis zur letzten Seite, Temeswar bezogen zu bleiben.
Ganz anders als die meisten Publikationen dieser Art, ist das Temeschburger Heimatblatt schon seit 18 Jahren ein Auge und Geist anregendes Magazin, das seriösen Lesestoff mit Heimatverbundenheit und ausgefeilter Grafik kombiniert und vor allem ohne die üblichen Klischees auskommt. Man merkt, dass sich die Redaktion Mühe macht, alle Geschmäcker anzusprechen, Nostalgie zu pflegen, aber auch aktuelle Geschehnisse unserer alten Heimatstadt realistisch wie auch kritisch zu betrachten, ohne den banatschwäbischen Geist außer Acht zu lassen.
Der Leitartikel steckt bereits auf den ersten Seiten den Rahmen des gesamten Heftes ab und assoziiert geschickt den 30. Jahrestag des Niedergangs des Kommunismus mit einigen gezielten Beispielen aus der Temeswarer Geschichte. Dem Redakteur gelingt es immer wieder, aktuelles Zeitgeschehen mit eigenen kritischen Meinungen zum angesprochenen Thema zu verknüpfen. Dabei nimmt er sich kein Blatt vor den Mund, vor allem, wenn es darum geht, dem alten Parteiapparat und der verhassten Nomenklatura die Leviten zu lesen.
Hans Gehl, der „Meister der Sprachen“, eröffnet ein weiteres Kapitel seines wertvollen Beitrags über das „interethnische Zusammenleben“. Franz Marschang bringt einen Auszug aus der Banat-Tetralogie „Am Wegrand der Geschichte“ und beleuchtet die Sinnlosigkeit des sogenannten patriotischen Arbeitseinsatzes von Lehrkörper und Studenten beim Einbringen der Ernte – der ja nichts anderes als ein Armutszeugnis des mit Pauken und Trompeten gescheiterten Sozialismus-Experimentes war. Hans Fink beschreibt sehr subtil die Art und Weise, wie der rumänische Staat mit seinen Minderheiten in der Periode nach dem Zweiten Weltkrieg bis zum Staatsstreich im Dezember 1989 umging. Und Uwe Detemple steuert einen sehr gut recherchierten Aufsatz über die gefährlichen Ereignisse jener Zeit bei.
In der nächsten Rubrik werden Persönlichkeiten gewürdigt, die wesentlichen Einfluss auf die wirtschaftlichen und kulturellen Geschehnisse unserer alten Heimatstadt hatten. Walther Konschitzky schreibt über Josef Geml, Michael Fernbach über Nikolaus Berwanger, Radegunde Täuber über den Mitunterzeichner der Schwabenpetition von 1849 Johannes Ehardt, Hans Gehl über die Lehrer- und Erzieherpersönlichkeit Hans Weresch und Franziska Graf über das Multitalent Karl Agatsy. Ein interessanter Beitrag ist Helga Korodis Hommage an den ehemaligen stellvertretenden Leiter der
Lenauschule Rudolf May, dessen Familie der Redaktion wertvolle Zeichnungen aus seiner Deportationszeit zur Verfügung gestellt hat.
Dass Temeschburg schon immer ein kulturelles Zentrum war, widerspiegelt sich im Kapitel „Kulturelles“. Unser in Wien lebender Landsmann Hans Dama, der durch seinen guten Draht zu Alfred Zawadzki alles Temeswar- und Banat-Bezogene sammelt und der Redaktion zur Verfügung stellt, berichtet über eine Wien gezeigte Ausstellung über die Temeswarer Josefstadt. Auch im kulturellen Teil macht sich Franz Marschang mit seinen bissigen Worten über die Schikanen bemerkbar, die uns Rumäniendeutschen vom parteigelenkten Staat zugemutet wurden. Der zweite Teil von Helga Korodis Meisterwerk „Sprachen in der Lenauschule“ zeigt die vielen politischen und kulturellen Zusammenhänge auf, denen Schüler und Lehrer im deutschen Gymnasium ausgesetzt waren. Ein interessanter Misston im „Friede-Freude-Eierkuchen-Ballett“, in dem alle aktuellen und ehemaligen Temeswarer noch etwas misstrauisch mitmischen, ist in Dr. Zawadzkis Beitrag „Erste Flecken auf dem nicht mehr ganz weißen Hemd des Kulturhauptstadt-Projektes“ zu vernehmen. Er legt gezielt den Finger in die bis dato wenig wahrgenommene Wunde, die das gesamte Großprojekt noch zum Scheitern bringen könnte. Leider muss man ihm Recht geben, dass unter den geschilderten Umständen das Vorhaben „Kulturhauptstadt 2021“ noch nicht in trockenen Tüchern ist.
Zu den Klassikern im „Lyrischen Eck“ (Nikolaus Berwanger, Horst Samson, Renate Radetzki, Hans Dama, Henriette Stein und Ernst Temeschburger) kommt in diesem Blatt auch noch was Anekdotisches hinzu. Gut dokumentiert – mit Bild, Dankesbrief und Zeitungsartikel – ist auch die Spende der HOG Temeschburg an den Verein der ehemaligen Russlanddeportierten in Temeswar. Ernst Meinhardt bleibt seinem Steckenpferd treu und berichtet das Neueste von den zwei Temeswarer Fußballvereinen namens Poli.
Arnold Töckelt führt uns in die Geschichte des Cognacs ein, und die Banater und Temeswarer dürfen froh sein, seit 2019 auch einen im Banat gereiften und destillierten Cognac kaufen zu können. Rezepte von Brigitte Ina Kuchar (Kalbsgulasch und Schokotorte) sowie Nostalgisches über das langsame Braten eines Schweinenackens wie in der guten alten Zeit runden das „Gaumenschmaus“-Kapitel ab.
Die von Roswitha Ziegler zur Verfügung gestellten Geburtstagskinder und die vielen von Lisa Kronenberger zur Publikation ausgesuchten Leserbriefe dokumentieren den regen Kontakt zu unseren Mitgliedern.
Obwohl erst ans Ende des Blattes platziert, wartet, wie immer, das Kapitel „Erlebtes Temeswar“ aus meiner Sicht mit den wertvollsten Beiträgen auf. Die sehr gepflegten und emotionalen Abhandlungen verschiedener Autoren (Hans Bohn, Hans Fink, Emil Knöbl, Julia Henriette Kakucs, Emanuel Knöbl, Fred Zawadzki) machen diese Kapitel zum Herzstück der Publikation.
Das Heimatblatt 2019 ist ein wertvolles Zeit-Dokument, das uns alle anspornt, die Erinnerung an unsere Heimatstadt wachzuhalten und zu pflegen, und sich bemüht, den Geist Temeswars in den in der ganzen Welt verstreuten Landsleuten zu kultivieren und in Ehren zu bewahren.
Die Mitglieder haben die Publikation bereits erhalten. Alle sonst daran Interessierten können es als Heft oder als PDF-Datei über die Homepage der HOG Temeschburg (www.hog-tm.de) käuflich erwerben.