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Ein Buch aus der Praxis für die Praxis

Martin Bendel, Erster Bürgermeister der Stadt Ulm, würdigte in seinem Grußwort die Arbeit der DBJT.

Die „Buchmacher“ (von links): Lukas Krispin, Renate Krispin, Theresia Teichert und Dagmar Österreicher zusammmen mit Harald Schlapansky, in dessen Zeit als DBJT-Vorsitzender die Tanzsammlung im Wesentlichen realisiert wurde. Fotos: Nikolaus Dornstauder

Was lange währt, wird endlich gut, lautet ein Sprichwort. Es wird benutzt, wenn nach langer Zeit ein vorzeigbares Ergebnis zu sehen ist, wenn zum Ausdruck gebracht werden soll, dass das Ergebnis die Mühe wert war. Auch die Erstellung einer Sammlung der in Deutschland entstandenen und gepflegten Volkstänze der Banater Schwaben brauchte seine Zeit. Dass sich der Aufwand gelohnt hat, zeigt die von den Deutschen Banater Jugend- und Trachtengruppen (DBJT) erarbeitete und von der Landsmannschaft der Banater Schwaben als Band 18 der Reihe Banater Bibliothek herausgegebene Dokumentation „Unser Stamm. Volkstänze der Banater Schwaben in Deutschland“. In dieser Sammlung haben die Gruppen der DBJT ihre Volkstänze zusammengetragen. Es handelt sich um ein Gemeinschaftsprojekt, zu dessen Verwirklichung viele beigetragen haben: neben den einzelnen Tanz- und Trachtengruppen vornehmlich Renate Krispin, Dagmar Österreicher und Theresia Teichert, die die Hauptarbeit geleistet haben, dann der Freundeskreis Donauschwäbische Blasmusik, der die dem Buch beigelegte CD mit den entsprechenden Musikstücken erstellt hat, Lukas Krispin, der die Buchgestaltung übernommen hat, und nicht zuletzt die Landsmannschaft der Banater Schwaben, die die Drucklegung des Buches finanziert hat.

In Sprache und Mundart, Brauchtum, Tracht, Volkstanz und Volksmusik zeigen sich Tradition und regionale Eigenheiten. Diese Elemente sind Kernbestandteile des kulturellen Erbes einer Volksgruppe und Ausdruck ihrer Identität. Die Banater Schwaben verfügen über einen reichen Schatz an Trachten und Volkstänzen, für deren Pflege und Erhalt sich die in der DBJT zusammengeschlossenen Banater Tanz- und Trachtengruppen einsetzen. Die einzelnen Gruppen können auf ein breitgefächertes, jeweils eigenes Tanzrepertoire zurückgreifen. Zudem gibt es mittlerweile fünf sogenannte Gemeinschaftstänze der DBJT, die – von allen Gruppen beherrscht – zu verschiedenen Anlässen gemeinsam vorgeführt werden. Dabei handelt es sich sowohl um alte, aus dem Banat in die neue Heimat mitgebrachte Tänze, als auch und vor allem um neue, hier in Deutschland entstandene Tänze und Choreografien zu meist vertrauten Musikstücken. Nun wurden diese Tänze zum ersten Mal erfasst, nach einheitlichen Gesichtspunkten beschrieben und mittels der vorliegenden Publikation dokumentiert.

„Unser Stamm“ ist eine längst fällige Dokumentation, zumal im Banat selbst bereits zwei einschlägige Nachschlagewerke erschienen sind: „Unsere Wurzeln. Deutsche Tänze im und aus dem Banat“ von Ludwig Berghold, Karla und Felix Singer-Sinitean (2004) und „Unsere kleinen Wurzeln. Tänze und Spiele für eine neue Generation“ von Ludwig Berghold, Caroline Horak und Brigite Szokob (2012). Die Titel dieser beiden Bücher gaben den Ausschlag für die Buchüberschrift der DBJT-Tanzsammlung, „Unser Stamm“, die ihre symbolische Widerspiegelung auch auf dem Buchumschlag findet: ein Baum mit einem starken Stamm und einem vielgestaltigen Astgebilde. Der Stamm steht für die Gemeinschaft, in der sich die Banater Tanz- und Trachtengruppen hier in Deutschland seit 1986 zusammengefunden haben, während die aus Begriffen gebildeten Äste die Vielfältigkeit der von der DBJT geleisteten Brauchtums- und Kulturarbeit verdeutlichen.

Die Neuerscheinung „Unser Stamm“ wurde am 6. Juli im Ulmer Kultur- und Dokumentationszentrum der Landsmannschaft der Banater Schwaben in festlichem Rahmen vorgestellt. Im vollbesetzten „Donauring“-Saal begrüßte der stellvertretende Vorsitzende der DBJT Lukas Krispin, der auch die Veranstaltung moderierte, den Ersten Bürgermeister der Patenstadt Ulm Martin Bendel, die Kulturreferentin für den Donauraum am Donauschwäbischen Zentralmuseum Ulm Dr. Swantje Volkmann, den Präsidenten des Weltdachverbandes der Donauschwaben Stefan Ihas, den Zweiten Vorsitzenden des Freundeskreises Donauschwäbische Blasmusik Richard Hummel, den Bundesvorsitzenden der Landsmannschaft der Banater Schwaben Peter-Dietmar Leber, die Bundesvorstandsmitglieder Jürgen Griebel, Harald Schlapansky und Walter Keller, Herbert Volk und Ines Szuck vom Landesvorstand Baden-Württemberg, den DBJT-Vorsitzenden Patrick Polling sowie die Vertreter der Tanz- und Trachtengruppen.

Die Erstellung der Tanzsammlung sei für die DBJT ein großes Projekt gewesen, betonte Lukas Krispin in seinem Eingangsstatement. Große Projekte bräuchten gute Manager und bei diesem Vorhaben seien ausgezeichnete Manager am Werk gewesen. Deshalb gelte es jene, die das Projekt initiiert und ins Ziel gebracht haben, in den Mittelpunkt der heutigen Veranstaltung zu stellen, aber auch sich zu vergegenwärtigen, dass die Tanzsammlung nur durch das Mitwirken der DBJT-Gruppen entstehen konnte. Mit dem nun vorliegenden Buch sei das Hauptziel erreicht worden, einen wesentlichen Teil der Arbeit der DBJT, nämlich die Pflege der Volkstänze, zu dokumentieren und damit den Erhalt heimatlicher Traditionen zu fördern. 

Bürgermeister Martin Bendel hieß die Banater Schwaben in Ulm willkommen, der Stadt, von der aus ihre Vorfahren im 18. Jahrhundert ihre Reise ins „Ungarland“ angetreten haben. Er würdigte ihren grundlegenden Beitrag zur kulturellen Vielfalt des Donauraums. Die Banater Schwaben hätten hier in Deutschland ihren Platz gefunden, ohne jedoch das Bewusstsein ihrer Herkunft und ihre kulturelle Identität zu verlieren. Bendel hob die besondere Rolle hervor, die den Banater Jugend- und Trachtengruppen bei der Bewahrung des kulturellen Erbes der Gemeinschaft zukommt. Dass sich Jugendliche mit der Kultur und Geschichte ihrer Vorfahren beschäftigten und überlieferte Traditionen pflegten, sei gerade in der heutigen Zeit keine Selbstverständlichkeit. Bürgermeister Bendel würdigte auch die Rolle der Banater Schwaben als Brückenbauer in Europa. In der Umsetzung der Donauraumstrategie seien ihre Erfahrungen und ihr Wissen von unschätzbarer Bedeutung. Die Banater Jugend trage dazu bei, „dass Brücken gebaut und Grenzen überwunden werden“.

Bundesvorsitzender Peter-Dietmar Leber unterstrich die Bedeutung der nun vorliegenden Tanzsammlung: „Dieses Buch soll nicht nur ein historisches Zeugnis von unserem Wirken heute sein, sondern auch ein Arbeitsbuch für all diejenigen, die bereits in Deutschland geboren wurden oder nicht mehr unserer Gemeinschaft entstammen, „sich aber für bestimmte Bereiche unseres Seins – und dazu gehört nun mal der Volkstanz – interessieren“.  Leber wünschte dem Buch eine weite Verbreitung und knüpfte daran die Hoffnung, dass sich viele interessierte junge Leute finden, die es zur Hand nehmen und bereit sind, die Volkstanztradition der Banater Schwaben fortzuführen.

Nach dem Gedicht „Ufschreiwe anstatt verzähle“ von Franz Frombach, vorgetragen von Miriam Österreicher, präsentierte die aus Korbinian Dölger, Johanna Koch, Johannes und Lukas Krispin, Anna Lehmann, Stefan Ruttner, Harald Schlapansky, Adelheid Türk und Herbert Volk bestehende Gesangsgruppe der DBJT ein „Schwäbisches Potpourri“.

In seinem Grußwort lobte der ehemalige DBJT-Vorsitzende Harald Schlapansky den Einsatz der Banater Tanz- und Trachtengruppen für den Erhalt der kulturellen Bausteine unserer Identität, vor allem der Trachten und Volkstänze. Eine neue, in Deutschland geborene Generation mit Banater Wurzeln, die weltoffen und traditionsbewusst ist, trage heute dazu bei, dass die Gemeinschaft der Banater Schwaben weiterlebt. Durch die Herausgabe der Tanzsammlung „Unser Stamm“ sei sichergestellt, dass auch zukünftigen Generationen die Möglichkeit geboten wird, die Volkstanztradition der Banater Schwaben weiterzuführen. Schlapansky dankte allen, die an dieser Buchveröffentlichung mitgewirkt haben.

Die Tanzsammlung wurde sodann aus verschiedenen Blickwinkeln und mit unterschiedlichen Schwerpunktsetzungen von denjenigen vorgestellt, die die Hauptarbeit geleistet haben. Theresia Teichert, ehemalige Brauchtumsbeauftragte des Landesverbandes Baden-Württemberg und Initiatorin des Projekts, berichtete zunächst über die Entstehungsgeschichte der Tanzsammlung, deren Ansätze bis in das Jahr 2005 zurückgehen. Aber erst 2010, nachdem die Tanzleiter aus Baden-Württemberg beschlossen hatten, die Tänze zusammenzutragen, habe das Projekt konkrete Gestalt angenommen. Es sei dann später gelungen, auch die Tanzgruppen aus Bayern und Rheinland-Pfalz für eine Mitarbeit zu gewinnen.

Dagmar Österreicher, für die Beschreibung der Tänze zuständig, informierte über ihren Beitrag zur Realisierung des Buchprojekts. Es sei notwendig gewesen, die einzelnen Tanzbeschreibungen unter formalen und stilistischen Gesichtspunkten auf den gleichen Nenner zu bringen und einheitliche Begrifflichkeiten zu verwenden. Österreicher erläuerte die Gliederung der Tanzbeschreibungen (Legende, Takte – Figuren), wonach Miriam Österreicher und Holger Giel zwei Tanzfassungen vorführten.

Richard Hummel vom Freundeskreis Donauschwäbische Blasmusik verantwortete die Erstellung der dem Buch beigelegten CD. Der Freundeskreis, der sich zum Ziel gesetzt hat, die donauschwäbische Blasmusik zu fördern, habe gerne seinen Beitrag zur Realisierung des Projekts geleistet, indem die Mitgliedskapellen die 34 Blasmusikstücke zu den Tänzen eingespielt haben. Hummel betonte, dass die Kapellen ihre Aufnahmen kostenlos zur Verfügung gestellt hätten und es gelungen sei, sämtliche Rechte an den Titeln ebenfalls kostenlos zu bekommen.

Lukas Krispin, für die Buchgestaltung zuständig, wies auf die drei wesentlichen gestalterischen Elemente hin: die Welle als Wiedererkennungsmerkmal der DBJT auf dem Buchumschlag und der CD, die jeden Tanz begleitenden Symbole sowie die von den einzelnen Gruppen zur Verfügung gestellten Bilder, die thematisch den Gemälden von Stefan Jäger nachempfunden sind.

Abschließend umriss Renate Krispin ihre Aufgabe als Projektleiterin, als Koordinatorin, bei der alle Fäden zusammenliefen. Es sei keine leichte Aufgabe gewesen, letzten Endes sei es jedoch gelungen, das Projekt erfolgreich ins Ziel zu bringen. Renate Krispin dankte allen, „die den Weg mitgegangen sind“ und das Projekt in der einen oder anderen Form unterstützt haben.

Als letzter ergriff der DBJT-Vorsitzende Patrick Polling das Wort. Obwohl sich die DBJT-Gruppen über den gesamten süddeutschen Raum verteilten, sei es dennoch gelungen, „etwas so Wertvolles und Wunderbares“ wie diese Tanzsammlung zu schaffen. Dies zeuge von einer guten Zusammenarbeit wie auch davon, dass „unser Brauchtum hier und jetzt lebt“. Polling zeigte die Vorzüge des Buches als Nachschlagewerk, als Inspirationsquelle oder als Ansporn für die Gründung neuer Gruppen auf. Die Arbeit habe sich gelohnt, „denn wenn der Jugend solche Tanz- und Trachtenbücher  vorliegen, warum sollte unsere Traditionen, unser Brauchtum dann nicht fortbestehen?“

Mit einem Gedichtvortrag von Holger Giel („Schwowetracht“ von Katharina Martini) und dem Lied „Die Fresch“, dargeboten von der Gesangsgruppe, endete die Buchpräsentation. Danach luden die Veranstalter zu einem Stehempfang ein.