Am 15. Mai fand im Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) auf Einladung von Staatssekretär Dr. Rolf Schmachtenberg ein Gespräch über aktuelle Rententhemen statt. Teilnehmer waren die Bundesvorsitzende des Verbandes der Siebenbürger Sachsen Herta Daniel, der Bundesvorsitzende der Landsmannschaft der Banater Schwaben Peter-Dietmar Leber, die stellvertretende Bundesvorsitzende der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland Lilli Bischoff und von Seiten des BMAS neben Staatssekretär Dr. Rolf Schmachtenberg auch Abteilungsleiter Hans Ludwig Flecken.
Neben den bereits in dieser Zeitung behandelten Themen wurden in diesem Gespräch geplante Änderungen im Rentenrecht angesprochen, die auch bei (Spät-)Aussiedlern mit niedrigen Renten abmildernd wirken könnten. Bekanntlich leben viele Spätaussiedler wegen den im Fremdrentengesetz (FRG) vorgenommenen Kürzungen im Bereich der Armutsgrenze. Die Vertreter der Landsmannschaften appellierten, die Einstandspflicht Deutschlands für deutsche Volkszugehörige, die aufgrund der Folgen des Zweiten Weltkrieges länger zu leiden hatten, nicht außer Acht zu lassen. Es sei ein starkes Unrechtsempfinden aufgetreten, weil Fremdrentenansprüche der Aussiedler Anfang der 1990er Jahre unter Hinweis auf niedrige Ostrenten gekürzt wurden; doch während die Ostrenten inzwischen erhöht wurden, seien die Fremdrenten nicht einbezogen worden. Das sorge berechtigterweise für viel Unmut innerhalb der großen Gruppe der Aus- und Spätaussiedler.
Staatssekretär Dr. Rolf Schmachtenberg leitete das Gespräch mit Erläuterungen zu den Vereinbarungen im Koalitionsvertrag ein, demgemäß eine Fondslösung geprüft werden soll. Dort sei vorgesehen, in einem ersten Schritt zunächst für „Härtefälle in der Grundsicherung im Rentenüberleitungsprozess“ einen Ausgleich durch eine Fondslösung zu schaffen. Die Umsetzung dieser Vereinbarung werde derzeit mit den Ländern abgestimmt, wobei man unter anderem Fragen zur Definition und einem möglichen Ausgleich von Härtefällen klären werde. Das Ergebnis werde Ende dieses Jahres erwartet.
Mit den aus diesem Prozess gewonnenen Erfahrungen solle in einem weiteren Schritt Entsprechendes auch für die Gruppe der Spätaussiedler geprüft werden, ebenso die Entschließung des Bundesrates vom 15. Februar 2019 (diese Zeitung berichtete), mit der die Bundesregierung aufgefordert wurde, die für Spätaussiedler geltenden rentenrechtlichen Vorgaben zu prüfen, zu bewerten sowie festgestellte etwaige Nachteile im Sinne der sozialen Gerechtigkeit auszugleichen.
Zur Grundrente, deren Einführung ebenfalls im Koalitionsvertrag vereinbart wurde, führte Dr. Rolf Schmachtenberg aus: Um dieses Ziel umzusetzen, möchte Bundesminister Heil bei Menschen mit 35 Jahren Grundrentenzeiten, das sind vor allem Pflichtbeitragszeiten aus Beschäftigung, Kindererziehung und Pflegetätigkeit, die Rente um einen „Zuschlag“ erhöhen, und zwar auf maximal 80 Prozent des jeweiligen Jahresdurchschnittsverdienstes aller Versicherten. Bei diesen „Grundrentenzeiten“ würden auch die nach dem FRG anerkannten ausländischen Versicherungszeiten der deutschen (Spät-)Aussiedler mitzählen, so dass auch diese Gruppe bei der „Grundrenten“-Regelung mit einbezogen werden würde.
Unter bestimmten Voraussetzungen können im Falle von Renten aus unterdurchschnittlichen Entgelten (bei denen der Quotient aus den eigenen Entgeltpunkten und der Anzahl der Beitragsjahre zwischen 0,24 und 0,8 liegt) bei 35 Beitragsjahren (Erläuterung des Begriffes siehe oben) bis zu maximal 14 Entgeltpunkte (0,4 Entgeltpunkte x 35 = 14 Entgeltpunkte; 1 Entgeltpunkt = 32,03 Euro, Stand: 1. Juli 2018) zugeschlagen werden. Dies soll ohne Prüfung der Bedürftigkeit erfolgen.
Die Kindererziehung ist ein wesentlicher Beitrag zum Fortbestand des Rentensystems, weil Kinder zukünftige Beitragszahler sind. Deshalb müsse nach Meinung der Landsmannschaften hier auch nachgebessert werden. Derzeit ist es so, dass bei Eltern, bei denen nur ein Elternteil Spätaussiedler ist, bei gemeinsamer Erziehung von Kindern die Zuordnung von Kindererziehungszeiten zum anspruchsberechtigten Spätaussiedler durch die Abgabe einer übereinstimmenden Erklärung innerhalb eines Jahres nach Zuzug erfolgen muss. Ansonsten gehen diese Kindererziehungs- und Kinderberücksichtigungszeiten verloren, weil ein Elternteil nicht zum anspruchsberechtigten Personenkreis des FRG gehört. Diese Erklärungsfrist von einem Jahr nach Zuzug ist zu kurz bemessen, weil die wenigsten Spätaussiedler im ersten Jahr des Zuzuges mit diesem Sachverhalt konfrontiert werden und es deswegen versäumen, die Erklärung rechtzeitig abzugeben. Aufheben oder verlängern wolle man diese Frist nicht, so die Meinung des BMAS, aber um die oben ausgeführten Schwierigkeiten zukünftig zu vermeiden, soll eine entsprechende Aufklärung über diesen Sachverhalt sofort nach Eintreffen der Spätaussiedler in das Bundesgebiet erfolgen. Zuständig sei dafür das Bundesministerium des Inneren.
Abschließend wies Staatssekretär Dr. Rolf Schmachtenberg auf die Aufgabe des BMAS hin, das Zutrauen in die gesetzliche Rente zu stärken. Mit der Einführung einer Grundrente wolle man sicherstellen, dass die gesetzliche Rente nicht weiter sinkt und Bestand hat und der Altersarmut der Rentner entgegenwirkt. Er regte an, im Gespräch zu bleiben, er sei offen für Fachgespräche mit den Landsmannschaften auch in größerem Rahmen zu aktuellen Entwicklungen und Aspekten der Rentenproblematik und speziell des FRG.
Die Teilnehmer stellten fest, dass die rentenrechtliche Situation der Aus- und Spätaussiedler unterschiedlich eingeschätzt werde. Der Dialog soll fortgesetzt werden.