Ein zweimal bis auf den letzten Platz vollbesetzter Bürgersaal, bei dem viele Zuschauer auch noch in den Gängen und bei den Türen standen, Gedränge und Platzmangel im Foyer des Bürgerhauses bei der Speisen- und Getränkeausgabe, eine sehr gut besuchte Stadtkirche beim deutsch-rumänischen ökumenischen Gottesdienst sowie ein fulminantes Orgelkonzert in der Franzosenkirche: Die rumänischen Kulturtage – vier große Veranstaltungen an drei Tagen – des Schwabacher Integrationsrates unter Leitung von Sandra Niyonteze waren ein riesiger Erfolg.
Mit „Rumänien – ein Land mit vielen Facetten“ war der Titel des Programms überschrieben, und das hatte es in sich: Am ersten Abend kamen gleich die drei größten ethnischen Minderheiten aus Siebenbürgen und dem Banat zum Zug. Die Jugendtanzgruppe der Siebenbürger Sachsen, die Trachtentanzgruppe der Banater Schwaben und die ungarische Volkstanzgruppe „Tűzvirág“ („Feuerblume“) – alle drei aus Nürnberg – führten ihre jeweils typischen Trachten und Volkstänze vor. Das Publikum im rappelvollen Bürgersaal war davon hochbegeistert, und auch von den Banater und siebenbürgischen Spezialitäten im Foyer, von gefüllten Paprika bis zu ungarischen Bratwürsten.
Die rumänische Generalkonsulin Iulia Ramona Chiriac, die extra aus München angereist war und den ganzen Abend blieb, führte aus, dass in Schwabach allein 900 Menschen mit rumänischer Staatsbürgerschaft leben. Dazu kommen noch die Doppelstaatler und diejenigen Zuwanderer aus Rumänien, die die rumänische Staatsbürgerschaft abgelegt haben – das war etwa bis zum Jahr 2010 eine Vorbedingung für die Annahme der deutschen Staatsbürgerschaft. Insgesamt kann man also allein in Schwabach von 2000 bis 3000 Menschen mit Wurzeln in Rumänien ausgehen.
Der zweite Abend gehörte der Kultur der Mehrheit des Landes, also der Rumänen. Die Trachten- und Tanzgruppe des rumänischen Kulturvereins „Romanima“ aus Nürnberg unter der Leitung von Codruţa Hoffmann begeisterte mit drei Arten von Tänzen der Rumänen aus drei Regionen in den dazu passenden Trachten: aus dem Banater Flachland, aus dem Bergland zwischen Banat und Siebenbürgen sowie aus dem Grenzland zwischen dem Banat und der Kleinen Walachei (Oltenien), genannt Mehedinţi. Die rumänischen, großteils weiß-roten Trachten unterscheiden sich dabei deutlich von den Trachten der deutschen oder ungarischen Gemeinschaften derselben Region. Codruţa Hoffmann wies bei ihren sehr kenntnisreichen Erläuterungen unter anderem mit einem Schmunzeln darauf hin, dass die Rumäninnen bei ihren Trachten keine Unterröcke tragen – eine Anspielung auf die sieben (!) Unterröcke der Frauentrachten der Banater Schwaben.
Abschließend forderten die Profi-Tänzer von „Romanima“ das Publikum auf, mit ihnen zu tanzen, was allen Beteiligten sichtlich viel Freude bereitete. Einen schwungvollen Abschluss nahm der Abend mit Petre Stroian und seiner Band, die die Zuhörer mit rumänischen Schlagern zum Tanz aufforderten. Etwa 40 Gäste nahmen diese Aufforderung an und drehten sich dynamisch bis zur Erschöpfung in drei konzentrischen Kreisen. Im Foyer bot der Verein „Romanima“ den ganzen Abend über rumänische Spezialitäten an, vom Vorspeisenteller bis zu den allseits beliebten „Mititei“ oder auch „Mici“ („die Kleinen“), quasi Grillwürste ohne Haut – ähnlich den südslawischen Cevapcici, allerdings aus bis zu drei Sorten Fleisch und etwas voluminöser. Auch diese Speisen erfreuten sich so großer Nachfrage, dass vor allem zu Beginn des Abends die Sitzplätze nicht ausreichten und viele Gäste stehen mussten.
Moderator Josef Balazs, der selbst aus dem siebenbürgischen Kronstadt (Braşov) stammt, verwies darauf, dass in Rumänien rund 30 Ethnien und allein sechs historische Religionen und Konfessionen friedlich zusammenleben. In mehreren kurzen Referaten erzählte er unter anderem von der Ballade „Meister Manole“, die tragische Geschichte eines Baumeisters, der seine eigene geliebte Ehefrau einmauern muss, damit das prächtige Kloster Argeş für den „Schwarzen Fürsten“ (Negru Vodă) entstehen kann – und der sich am Ende aus Verzweiflung vom Klosterdach in den Tod stürzt.
In einem weiteren Referat befasste sich Balazs mit der Prinzessin Elisabeth von Wied, die als Ehefrau des ersten rumänischen Königs Karl (Carol) I. von Hohenzollern-Sigmaringen nach Bukarest kam, von den „Menschen mit braunen Augen und schwarzem Haar“ fasziniert war und zum Mittelpunkt der rumänischen Kulturszene wurde. Unter dem Pseudonym „Carmen Silva“ wurde Königin Elisabeth sogar zur bedeutendsten rumänischen Dichterin des 19. Jahrhunderts. Zudem übersetzte sie viele rumänische Werke ins Deutsche – wie etwa die Ballade „Meister Manole“ – und machte sie damit in Westeuropa bekannt.
Religiöser Höhepunkt der rumänischen Kulturtage in Schwabach war der deutsch-rumänische ökumenische Sonntagsgottesdienst in der Stadtkirche, den der evangelisch-lutherische Pfarrer Dr. Paul Zellfelder gemeinsam mit dem rumänisch-orthodoxen Priester Marius Tăut und dem römisch-katholischen Diakon Lucian Mot zelebrierte. Zellfelder unterstrich in seiner Predigt, die Unterschiede zwischen den Ethnien oder den Konfessionen könnten unter Umständen trennend wirken, ihr Zusammenwirken wirke jedoch befruchtend. „Vielfalt ist Reichtum, kein Mangel“, betonte Zellfelder. Die rumänischen Kulturtage des Integrationsrates Schwabach nannte der Pfarrer „etwas Großartiges“.
Die getrennten Konfessionen würden gerade in der Buß- und Passionszeit auf das Zentrale und auf das Verbindende hingewiesen: auf Kreuz und Auferstehung Christi, ohne die es das Christentum gar nicht gäbe, so Zellfelder: „Wenn Menschen gemeinsam Gottesdienst feiern, sind das jeweils Auferstehungs-Momente.“ Prächtig umrahmt wurde der Gottesdienst von dem jungen rumänischen Tenor Paul Onaga, der aus dem siebenbürgischen Klausenburg (Cluj) stammt, sowie dem ungarischen Zitherensemble Nürnberg. Nach dem Gottesdienst labten sich die Gläubigen vor der Kirche an Langos, einem köstlichen Schmalzgebäck mit Hüttenkäse, Dillkäse oder Knoblauchcreme, angeboten von der aus dem Banat stammenden Anca Martin aus Unterreichenbach.
Den krönenden Abschluss der rumänischen Kulturtage Schwabach bildete ein klassisches Orgelkonzert in der Franzosenkirche mit dem Münchner Musikwissenschaftler Dr. Franz Metz an der Orgel und dem Bariton Wilfried Michl. Sie führten Werke von hierzulande beinah unbekannten rumänischen und aus dem heutigen Rumänien stammenden Komponisten auf, wie Gheorghe Dima, Eugen Cuteanu, Josef Paschill, Anton Leopold Herrmann, Wilhelm Schönweitz, aber auch von Johann Sebastian Bach und Léon Boëllmann. Einige der aufgeführten Werke hatte Dr. Metz selbst im Rahmen seiner Forschungsarbeit „ausgegraben“ und erstmals veröffentlicht, wie Moderator Josef Balazs erklärte. Ein großartiger Hörgenuss, der die ganze Breite und Tiefe europäischer Klassik erschloss, zum Abschluss eines großartigen rumänischen Kulturfestivals.
Anmerkung: Die vom Integrationsrat der Stadt Schwabach vom 5. bis 7. April veranstalteten Rumänischen Kulturtage fanden unter Mitwirkung des Kreisverbandes Roth-Schwabach der Banater Schwaben, der Siebenbürger Nachbarschaft Schwabach sowie des Ungarischen Kulturvereins Nürnberg statt. Von der Planung über die Organisation bis hin zum Anbieten von Banater, siebenbürgischen und ungarischen Spezialitäten, der Vorführung von spezifischen Trachten und Tänzen sowie dem Konzertabend brachten sich die drei Vereine aktiv in die Gestaltung dieses großartigen Festes ein. Unter den von Josef Balazs namentlich begrüßten Gästen befand sich auch der Ehrenvorsitzende des Kreisverbandes Roth-Schwabach der Banater Schwaben Helmuth Schneider mit Gattin. Allen Mitwirkenden und Helfern gilt unser Dank. Angela Schmidt