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Spätaussiedler fordern Gleichbehandlung im Rentenrecht

Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, „die für Spätaussiedler geltenden rentenrechtlichen Vorgaben insgesamt auf den Prüfstand zu stellen, umfassend neu zu bewerten sowie festgestellte etwaige Nachteile im Sinne der sozialen Gerechtigkeit auszugleichen“. Die Länderkammer hat in ihrer 974. Sitzung am 15. Februar dem Entschließungsantrag des Freistaates Bayern zur Neubewertung der rentenrechtlichen Vorgaben für Spätaussiedler vom 18. September 2018 mit Mehrheit zugestimmt.

Bundesrat für Angleichung der Spätaussiedlerrenten

Der Bayerische Staatsminister der Justiz Georg Eisenreich hat in der Bundesratssitzung für die Annahme des Entschließungsantrags geworben. In seinem Redebeitrag beklagte der CSU-Politiker, dass seit der Deutschen Einheit Rentenreformgesetze „sukzessive zu Leistungsverschlechterungen“ bei den Renten für Spätaussiedler geführt hätten. Besonders einschneidend gewesen sei die Absenkung der Entgeltpunkte für im Herkunftsland zurückgelegte Zeiten auf 60 Prozent sowie die Begrenzung der nach dem Fremdrentenrecht berücksichtigungsfähigen Entgeltpunkte auf 25, bei Ehepaaren auf 40. Rund 760000 Rentnerinnen und Rentner seien hiervon betroffen. Deren monatliche Höchstrente liege, soweit nur Zeiten im Herkunftsland vorhanden sind, bei derzeit 800 Euro beziehungsweise bei Ehepaaren 1280 Euro; das sei in etwa das Grundsicherungsniveau.

Wie Georg Eisenreich weiter ausführte, sei 2017 die stufenweise Angleichung des Rentenniveaus in den neuen Bundesländern an das westdeutsche Niveau beschlossen worden. „Spätestens zu diesem Zeitpunkt hätte man die rentenrechtliche Neubewertung bei Spätaussiedlern vornehmen müssen, denn mit dem Gleichziehen von Ost- und West-Renten sind neue Ungleichgewichte entstanden, diesmal zum Nachteil der Spätaussiedler“, unterstrich der bayerische Justizminister. Bedauer-licherweise sei Bayerns Antrag im März 2017 im Bundesratsplenum abgelehnt worden. Den neuerlichen Vorstoß des Freistaates erklärte der Justizminister damit, dass das im November 2018 vom Bundestag beschlossene Rentenpaket „zwar mehrere Maßnahmen für armutsgefährdete Personengruppen, aber keine für die Spätaussiedler“ enthalte. Die Bundesregierung müsse in ihre Prüfungen der rentenrechtlichen Situation der Spätaussiedler analog auch Möglichkeiten der Verbesserung der rentenrechtlichen Situation von
jüdischen Zugewanderten aus den Nachfolgestaaten der früheren Sowjetunion einbeziehen. Es sei Zeit, „dass die Bundesregierung die Prüfung zügig durchführt und zielführende Vorschläge zur Verbesserung der Situation von Spätaussiedlern und jüdischen Zugewanderten vorlegt“, forderte Justizminister Eisenreich zum Abschluss seiner Rede.

In der nachfolgenden Abstimmung votierte eine Mehrheit für eine Entschließung, wie von dem federführenden Ausschuss für Arbeit, Integration und Sozialpolitik empfohlen. Im Vorfeld der Bundesratssitzung hatten bereits der Finanzausschuss und der Ausschuss für Innere Angelegenheiten des Bundesrates ihre jeweilige Zustimmungsempfehlung gegeben.

Wichtiger Schritt zu mehr sozialer Gerechtigkeit

Der Bundesratsbeschluss wurde von den Aussiedlerbeauftragten des Bundes und der Länder, den Landsmannschaften der Banater Schwaben und der Deutschen aus Russland sowie dem Verband der Siebenbürger Sachsen mit großer Genugtuung aufgenommen. Mit der erneuten Einbringung des Entschließungsantrags in den Bundesrat durch den Freistaat Bayern habe sich einmal mehr gezeigt, „dass die deutschen Heimatvertriebenen und Spätaussiedler mit ihren Anliegen dort starke politische Partner haben“, erklärte der Bundesaussiedlerbeauftragte Dr. Bernd Fabritius. Der Beschluss sei aber ebenso ein Zeichen dafür, „dass auch in anderen Bundesländern die Sensibilität für die soziale Situation unserer Spätaussiedler wächst“.

„Da wir in Gesprächen, mit Entschließungen und zuletzt mit einer gemeinsamen Resolution mehrerer Landsmannschaften immer wieder den Finger in diese noch zu heilende Wunde gelegt haben, ist dies auch ein erster sichtbarer Erfolg unseres verbandlichen Engagements auf allen Ebenen“, so Fabritius weiter. Jetzt sei es wichtig, die Sensibilität für dieses drängende Anliegen auch bei den
zuständigen Stellen der Bundesregierung zu erhöhen. Diese müssten rasch tätig werden und den Beschluss des Bundesrates im Sinne der Betroffenen umsetzen, bekräftige Fabritius.

„Endlich kommt Bewegung in die Frage der Rentengerechtigkeit für Spätaussiedler“, kommentierte Sylvia Stierstorfer, die Beauftragte der Bayerischen Staatsregierung für Aussiedler und Vertriebene, den Beschluss des Bundesrates. Nun bestehe die Chance, „die Gerechtigkeitslücke, die diesbezüglich über viele Jahre zu einer erheblichen Benachteiligung der Aussiedler geführt und ihre Erwerbsbiografien ignoriert hatte, zu schließen“. Sie hoffe, „dass die Frage der Rentenanpassung für die Spätaussiedler nun endgültig, nachhaltig und im Interesse der Betroffenen gelöst wird“, so Stierstorfer. „Das ist für mich eine Frage des Respekts für die erbrachte Lebensleistung“, sagte die bayerische Landesbeauftragte, die seit ihrem Amtsantritt im März 2018 beharrlich für die Belange der Spätaussiedler geworben und dieses Thema immer wieder auf die Tagesordnung gesetzt hatte.

Ministerium verspricht sorgfältige Prüfung ab 2020

Auf Anfrage der Siebenbürgischen Zeitung gab das für rentenpolitische Fragen zuständige Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) Auskunft über die nun geplante Verfahrensweise. Wie es in der Stellungnahme des Ministeriums vom 19. Februar heißt, werde die Bundesregierung die Entschließung des Bundesrats zur Überprüfung der rentenrechtlichen Regelungen von Spätaussiedlern und jüdischen Kontingentflüchtlingen „sorgfältig prüfen“ und ihre Bewertung dem Bundesrat anschließend übermitteln. Hinsichtlich der anvisierten Lösung wurde auf den 2018 geschlossenen Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD verwiesen, in dem vereinbart wurde, für Härtefälle in der Grundsicherung im Rentenüberleitungsprozess einen „Ausgleich durch eine Fondslösung“ zu schaffen und Entsprechendes „auch für die Gruppe der Spätaussiedler und der jüdischen Kontingentflüchtlinge“ zu prüfen. Das BMAS strebt demnach bei dieser Gruppe einen Ausgleich über eine Fondslösung für Härtefälle an, analog zu der Lösung für Härtefälle im Rentenüberleitungsprozess. Mit dem Rentenüberleitungs-Abschlussgesetz vom 17. Juli 2017 hatte der Gesetzgeber die schrittweise Angleichung der Ost-Renten an die West-Renten von 2018 bis 2024 sowie die Einführung einheitlicher gesamtdeutscher Rechengrößen in der Sozialversicherung abschließend geregelt.

Laut BMAS befasst sich zurzeit eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe mit den Möglichkeiten der Umsetzung einer Fondslösung für Härtefälle in der Rentenüberleitung. Der Abschluss der Beratungen wird bis zum Ende des Jahres 2019 angestrebt. Erst in einem anschließenden Schritt soll dann im Jahr 2020 geprüft werden, ob und wie eine solche Regelung auch für Spätaussiedler und jüdische Kontingentflüchtlinge angewendet werden kann.

Der Bundestag hat am 21. Februar 2019 erstmalig über einen gemeinsam von FDP, Die Linke sowie Bündnis 90/Die Grünen eingebrachten Antrag debattiert, mit dem die Oppositionsfraktionen die „Alterssicherung jüdischer Kontingentflüchtlinge verbessern“ wollen. Die Bundesregierung wird aufgefordert, schnellstmöglich geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um die Alterssicherung jüdischer Kontingentflüchtlinge zu verbessern oder dem Deutschen Bundestag einen entsprechenden Gesetzentwurf vorzulegen. Als Optionen werden unter anderem die Umsetzung der im Koalitionsvertrag vereinbarten Härtefalllösung oder die rentenrechtliche Gleichstellung jüdischer Kontingentflüchtlinge mit Spätaussiedlern vorgeschlagen. Der Antrag wurde zur federführenden Beratung in den Ausschuss für Arbeit und Soziales überwiesen.

Bedenken gegen Härtefallprüfung

Der Beauftragte der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten, Dr. Bernd Fabritius, hat unterdessen grundsätzliche Bedenken gegen eine Härtefallprüfung geäußert. Der Bundesrat habe der Bundesregierung und damit dem für die Frage der Alterssicherung der Spätaussiedler zuständigen Bundesministerium für Arbeit und Soziales einen „inhaltlichen Prüfungsauftrag“ erteilt und „leitende Feststellungen getroffen, die deutlich über Formulierungen des Koalitionsvertrages zu der Beschlussthematik hinausgehen“. Seinen Einwand gegen die diesbezügliche Regelung im Koalitionsvertrag begründete Fabritius damit, dass diese lediglich eine dem System der gesetzlichen Rentenversicherung völlig fremde „Härtefallprüfung“ fordere und daher „den Anforderungen an auch für Spätaussiedler zu schaffende Generationengerechtigkeit nicht genügt“. Sie gewährleiste nicht eine „gerechte Partizipation dieses Personenkreises an begrüßenswerten Plänen des Ressortministeriums zur angemessenen Berücksichtigung der Lebensleistung in der Rentenversicherung“ und werde nun zurecht durch den Handlungsauftrag des Bundesrates ergänzt. Er erwarte, „dass dieser Handlungsauftrag umfassend und im Sinne der Bundesratsentscheidung kurzfristig umgesetzt wird“, so Fabritius.

Unterschriftenaktion geht weiter

Der aktuelle Bundesratsbeschluss nährt nicht zuletzt die tief wurzelnde Überzeugung, dass eine erfolgreiche Umsetzung des Anliegens gerechterer Spätaussiedlerrenten eines geschlossenen Handelns der landsmannschaftlichen Verbände bedarf. In diesem Sinne erklärte der Bundesvorsitzende der Landsmannschaft der Banater Schwaben Peter-Dietmar Leber: „Der Beschluss des Bundesrates ist ein wichtiger Schritt, um mehr Rentengerechtigkeit für die Aus- und Spätaussiedler zu erreichen, die sich aufgrund ihres Kriegsfolgeschicksals in einer besonderen Situation befinden. Er hat gleichzeitig gezeigt, dass stetes Agieren in dieser Sache erfolgreich ist, wenn die landsmannschaftlichen Verbände gemeinsam auftreten und ihre Anliegen von Politikern aus ihren Reihen unterstützt werden, und hier denke ich besonders an den Bundesbeauftragten Dr. Bernd Fabritius. Es ist kein Zufall, dass der Antrag für diese Entschließung von der bayerischen Staatsregierung eingebracht worden ist. Es bleibt aber noch viel zu tun, auch für die Verbände. Die Unterschriftenaktion für unsere gemeinsame Resolution hat viele Mitglieder und Landsleute mobilisiert, wir machen weiter.“

Das positive Votum des Bundes-rates stärke auch die gemeinsame Resolution der Landsmannschaften der Banater Schwaben und der Deutschen aus Russland sowie des Verbandes der Siebenbürger Sachsen gegen die Benachteiligung der Spätaussiedler im Rentenrecht, erklärte Leber in einem Rundschreiben an die Vorstände der Vereine in der Landsmannschaft der Banater Schwaben. Er wies darauf hin, dass die Resolution im Januar an Bundeskanzlerin Angela Merkel verschickt und um ein Gesprächstermin gebeten worden sei. In der Zwischenzeit wurde die Resolution auch an Hubertus Heil, Bundesminister für Arbeit und Soziales, und an Eckhard Pols, Vorsitzender der Gruppe der Vertriebenen, Aussiedler und deutschen Minderheiten der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag, verschickt.

Die Resolution verzeichnet einen ungebrochen hohen Zuspruch. Bei unserer Landsmannschaft sind bis jetzt (Stand: 7. März) knapp 5300 Unterstützungsunterschriften von Einzelpersonen auf den entsprechenden Listen eingegangen, täglich treffen weitere Listen in der Bundesgeschäftsstelle ein. Beim Verband der Siebenbürger Sachsen sind laut Siebenbürgischer Zeitung vom 5. März über 13000 Unterschriften auf postalischem Weg sowie bestätigte Online-Unterschriften eingegangen, unter letzteren befinden sich auch Banater Schwaben und Deutsche aus Russland.

Die Unterschriften-Aktion wird fortgesetzt. Listen liegen bei Veranstaltungen der landsmannschaftlichen Gliederungen aus oder können auf der Website der Landsmannschaft der Banater Schwaben heruntergeladen und ausgedruckt werden. Durch Anklicken des Kastens mit den Wappen der drei Landsmannschaften auf der Startseite www.banater-schwaben.org öffnet sich ein Fenster mit dem Beitrag „Gegen die Benachteiligung im Rentenrecht – solidarisch mit den Schwachen“. Zum Formular der Unterschriftenliste gelangt man durch Anklicken des Links FRG Gemeinsame Unterschriftenliste.pdf im vorletzten Absatz. Unterschriften können weiterhin auch online unter www.siebenbuerger.de/frg geleistet werden.