Unsere Verbundenheit mit der alten Heimat lebt nicht nur aus Erinnerungen, lebendiger Beweis sind auch die alljährlich vom Kreisverband Reutlingen organisierten Kirchweihfeste. Am 9. Juli wurde das traditionelle Banater Kirchweihfest zum siebten Mal gefeiert, diesmal nach Großjetschaer Art, mit Gästen von nah und fern.
Der feierliche Akt begann mit dem Einzug der Kirchweihpaare in die Mauritius-Kirche in Betzingen. Angeführt wurde der Kirchweihzug von dem ersten Geldherrenpaar Stefanie Timmler und Alexander Knab, gefolgt vom zweiten Geldherrenpaar Elisabeth und Helmut Reiter. Die Vorsitzende des Kreisverbandes Reutlingen, Christine Neu, begrüßte alle Ehren- und Festgäste sowie die mitwirkenden Trachtengruppen und bedankte sich für das Zusammenfinden im Gotteshaus, um das Kirchweihfest in Ehrfurcht vor Gott zu beginnen. Sie dankte Gerda Antretter und Rita Loch für das Schmücken der Kirche, den Jugendlichen Lara Wagner, Maik Braun und Lars Wolf für das Ministrieren, Gerda und Michael Koppi für den Vertrieb der Broschüre, die jährlich erstellt wird, um den Kirchweihablauf im jeweiligen Dorf festzuhalten.
Heimatpfarrer Peter Zillich zelebrierte die Kirchweihmesse, Erika Millich und Gisela Filipp sprachen die Fürbitten und trugen die Lesung vor. Die Original Donauschwäbische Blaskapelle Reutlingen unter der Leitung von Johann Frühwald umrahmte den Gottesdienst musikalisch und ließ die Deutsche Messe von Franz Schubert erklingen. Der Gesang der Solisten Irmgard Holzinger-Fröhr, Melitta Giel und Dietmar Giel bescherte den Gottesdienstbesuchern unvergessliche Momente. Die von ihnen gesungenen Stücke „Vater unser“, „Ave Maria“ und „Lieder sind Heimat“ ließen kein Auge trocken. Zu Herzen ging auch das von Pfarrer Zillich gesungene und auf dem Akkordeon begleitete Lied zur Geschichte der Donauschwaben, in dem es zum Schluss heißt: „So seid ihr dann in dieses Land gezogen, / Und tut auch hier getreulich eure Pflicht, / Der Väter Sitten habt ihr stets gepflogen, / Vergesst auch hier Gott und die Heimat nicht.“ Nachdem die erste Geldherrin Stefanie Timmler den Kirchweihspruch vorgetragen hatte, bat sie um die Segnung des Kirchweihstraußes. Mit dem Lied „Großer Gott, wir loben dich“ endete der feierliche Gottesdienst.
Nach dem Auszug aus der Kirche herrschte im Kirchenhof reges Treiben. Zu den Klängen der Blaskapelle stimmten sich so manche mit einem Tanz auf das Fest ein. Nach dem traditionellen Gruppenfoto mit allen Trachtenträgern formierte sich der Festzug, angeführt von der Kreisvorsitzenden Christine Neu, dem Schirmherrn des Festes, Betzingens Bezirksbürgermeister Thomas Keck, dem Ehrenvorsitzenden des Kreisverbandes Michael Koppi und dem Kirchweihvater Franz Muth, gefolgt von den Geldherren, den Großjetschaer Kirchweihpaaren sowie allen anderen Trachtenpaaren. Der stattliche Kirchweihzug mit über zweihundert Trachtenträgern löste bei den zahlreichen Zuschauern am Straßenrand Bewunderung aus. Wiederholte Male wurde das traditionelle „Kerweihsteckelche“ im Reigen getanzt.
Auf dem Festplatz warteten unzählige Gäste auf den Aufmarsch der Trachtenträger, die mit begeistertem Applaus empfangen wurden. In ihrer Begrüßung wies Christine Neu auf das geschichtsträchtige Jahr 1716 hin, das die Befreiung Temeswars von der Osmanenherrschaft brachte und damit die Voraussetzung für die Besiedlung des Banats schuf. Vor 300 Jahren also habe die Geschichte der Banater Schwaben ihren Anfang genommen. Unsere Vorfahren, „von deutscher Erde abgeglitten, auf eine Insel weit im Völkermeer“, wie es der Schriftsteller Adam Müller-Guttenbrunn freffend formulierte, hätten im Banat ein großartiges Aufbauwerk vollbracht.
Obwohl die Banater Schwaben fast zur Gänze in die Heimat ihrer Vorfahren zurückgekehrt seien, bekennen sie sich nach wie vor zu ihrer Herkunft und ihren Wurzeln, pflegen Brauchtum und Tradition und geben es an die nächste Generation weiter, betonte Christine Neu. Veranstaltungen wie die Banater Kirchweih in Reutlingen trügen dazu bei, unsere kulturelle Identität zu bewahren. Die Rednerin zitierte aus dem Grußwort des Bundesvorsitzenden Peter-Dietmar Leber zum Heimattag 2016: „Die Geschichte der Banater Schwaben wurde fortgeschrieben – in verschiedenen Staaten, von unterschiedlichen Menschen und in verschiedener Form. Und wir schreiben noch immer daran. (…) 300 Jahre sind in der Geschichte eine kurze Zeit. Der Stoff ist da, um sie fortzuschreiben, Autoren sind wir alle.“ In diesem Sinne appellierte Neu an alle, sich einzubringen, um die Gemeinschaft noch lange aufrechterhalten zu können.
Die Vorsitzende hieß alle Gäste und Gastgruppen, besonders jene aus dem Banat und aus Ungarn, willkommen und begrüßte als Ehrengäste den Schirmherrn des Kirchweihfestes Thomas Keck, den Vorsitzenden des Landesverbandes Baden-Württemberg der Landsmannschaft der Banater Schwaben, Josef Prunkl, sowie den Vorsitzenden der HOG Großjetscha, Dr. Norbert Neidenbach. Nach altem Brauch wurden die Gäste durch die Überreichung eines Apfels mit Rosmarinzweig symbolisch zur Kirchweih eingeladen.
In ihren Ansprachen wiesen Bezirksbürgermeister Keck und Landesvorsitzender Prunkl auf die erstaunliche Dynamik des Reutlinger Kreisverbandes hin, der sich durch eine Vielzahl von Aktivitäten und Veranstaltungen auszeichne, eine aktive Kinder- und Jugendarbeit betreibe und sich stets um die Bewahrung des kulturellen Erbes der Gemeinschaft bemühe. Die Redner stellten mit Bewunderung fest, dass das Kirchweihfest in Betzingen von Jahr zu Jahr wachse und mittlerweile eine Institution geworden sei. Dies sei auch auf die vielen aktiven Mitglieder zurückzuführen, die im Hintergrund zum Gelingen des Festes beitragen.
Ungeduldig warteten mittlerweile die Großjetschaer Trachtenpaare auf die Vorführung ihres Kirchweihbrauchtums, die mit dem Vortragen der Kirchweihsprüche begann. Der erste Geldherr Alexander Knab sagte gekonnt seinen Spruch auf Hochdeutsch auf. Dieser endete mit den Versen: „Hier oben am Baum bleibt der Jugend Kranz, / was nun folgt ist Musik und Tanz. / Und über den weiteren Verlauf / klärt euch jetzt der zweite Geldherr auf.“ Helmut Reiter trug den Kirchweihspruch im Großjetschaer Dialekt vor: „Freindliche Gsichter, luschtiche Leit, / so feiert Großjetscha sei Kerweih heit.“ Wie humorvoll der Spruch war, belegen folgende Verse: „Die Weibsleit han heit, froot mich net, / mit dene Mannsleit ehre Gfrett. / Die sin doch alli gmenerhand / an Kerweih außer Rand und Band. / Des is mol so, des leit im Blut, / wanns a die Weiwer fuxe tut. / Weiwer! Macht eich nor ke Sorche, / weil die jo doch net uf eich horche. / Mer han doch unser Kerweih heit, / un – horch emol – um so e Zeit, / wille Männer sich mol sunne, / un ter werd’s ne doch vergunne / (…) Losst se gwehre, sie sin froh, / an Kerweih is des immer so.“ In dem Kirchweihspruch wurden auch Ahnentracht und Sitten, unsere „schwowischi Mottersproch“ und die „Blechmusich“ bedacht.
Mit viel Geschick nahm der zweite Geldherr die Versteigerung des Kirchweihstraußes vor. Die Gebote kamen sowohl aus den Reihen der Kirchweihgesellschaft als auch aus den Reihen der Gäste. Je höher das Gebot, desto spärlicher wurden die Bieter. Beim letzten „Zum erstemol, zum zwetemol und zum drittemol“ ging der Strauß an Alwin Steingasser, der ihn freudig seiner Frau Vanessa schenkte. Da diese Jahrmarkter Wurzeln hat, steht fest, dass das nächste Kirchweihfest am 8. Juli 2017 nach Jahrmarkter Art gefeiert wird.
Nach den Tänzen der beiden Geldherrenpaare reihten sich alle anderen Kirchweihpaare in den Tanzreigen ein. Spaß und Heiterkeit verbreiteten sich im Nu auf dem Festplatz, die „Kerweihbuwe“ juchzten und viele sangen zu den Klängen der Blaskapelle begeistert mit. Nach einigen Tanzrunden stieg der zweite Geldherr erneut aufs Fass, um Hut und Tuch zu verlosen. Glückliche Gewinner waren Manfred Klotzbier und Helmut Reiter. Die beiden Männer bekamen einen Extratanz, was für Heiterkeit sorgte.
Mit den Tanzvorführungen der teilnehmenden Trachten- und Tanzgruppen setzte sich das Fest fort. Ihr tänzerisches Können zeigten die Trachtengruppe Reutlingen (Leitung Manfred Klotzbier und Melinda Petla), die Kindertanzgruppe des Kreisverbandes Reutlingen (Leitung Melinda Petla und Sabine Kirsch), die Volkstanzgruppe des Albvereins Betzingen (Leitung Markus Walker), die Trachtengruppe des Kreisverbandes Esslingen (Leitung Helga Schutz, Anna Lehmann, Lukas Krispin, Renate Krispin), die Lochberg Regionaltanzgruppe aus Schambeck/Ungarn (Leitung Sandra Titanilla Fuchs), die Tanzgruppe „Banater Schwabenkinder“ (Leitung Dagmar Österreicher), die „Warjascher Spatzen“ (Leitung Monica Lazea und Hansi Müller) und die „Billeder Heiderose“ (Leitung Edith Barta und Hansi Müller) – beide aus dem Banat – sowie die Tanzgruppe aus Singen unter der Leitung von Hilde und Horst Redl. Die Tanzdarbietungen so vieler Gruppen bereicherten das Kirchweihprogramm. Dafür ernteten die Mitwirkenden viel Applaus.
Unvergessliche Begegnungen, gemeinsames Tanzes und freudiges Miteinander – festgehalten von den
Banater Knipsern des Kreisverbandes – prägten auch dieses Jahr die Banater Kirchweih. Reutlingen-Betzingen ist zu einem alljährlichen Treffpunkt für internationalen Jugendaustausch geworden.
Nach dem Vorführprogramm folgte noch der traditionelle Tellertanz. Die Kerweihstimmung auf dem Festplatz hielt bis zur Abenddämmerung an. Gegrilltes und der Duft von Lan-gosch schwebte den ganzen Tag über in der Luft. Die Banater Backakademie bot ihre leckeren Spezialitäten an und in den Verpflegungszelten gab es ein emsiges Treiben. Den ehrenamt-lichen Helferinnen und Helfern kann man nicht genug danken für ihren tagelangen engagierten Einsatz.
Gegen 20 Uhr ertönte das letzte Musikstück der Blaskapelle: „Bis bald, auf Wiedersehen“. Damit verabschiedete sich Kapellmeister Johann Frühwald mit seinen Musikern. Die „Nochmol“-Aufforderungen waren diesmal vergebens, zumal die „Schlagerbengel“ schon auf ihren Einsatz im Saal warteten. Der Kirchweihball wurde mit dem Einzug aller Trachtenpaare in den Saal eröffnet. Angeführt wurde der Kirchweihzug von Vanessa und Alwin Steingasser. Die „Schlagerbengel“ sorgten mit fetzigen Rhythmen für ausgelassene Stimmung, die bis weit nach Mitternacht anhielt. Es war ein Kirchweihball, wie man ihn sich nur wünschen kann.
Viel zu schnell ging auch dieses Fest vorbei. Die Gastgruppen aus Rumänien und Ungarn, begleitet von den Jugendlichen der Trachtengruppen aus Reutlingen und Singen, feierten noch bis zum Morgengrauen im Listhof bei Lagerfeuer und Musik.
Im Nachhinein kann man allen, die zu diesem gelungenen Fest beigetragen haben, nicht genug danken: den vielen ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern, den Großjetschaer Landsleuten mit ihrem HOG-Vorsitzenden Dr. Norbert Neidenbach, der Singener Tanzgruppe, der für die vorbildliche Zusammenarbeit ein großes Lob gebührt. Für das Mitgestalten des Kirchweihprogramms und das Mitfeiern sei allen Trachtenträgern, den Leitern der mitwirkenden Gruppen sowie allen Kirchweihgästen herzlich gedankt. Zusammen haben wir einen unvergesslichen Tag genossen und Tradition gelebt.