Ich bin heute sehr gerne hierher nach Ulm gekommen, obwohl es quasi benachbartes Ausland ist. Und ich hoffe, man toleriert es auch, dass ein bayerischer Minister hier in Baden-Württemberg heute zu Ihnen spricht. Ich freue mich, beim traditionellen Heimattag der Banater Schwaben, stellvertretend für die Politik, die Festrede halten zu dürfen.
Zwischen Bayern und Banater Schwaben gibt es seit Jahrzehnten enge Verbindungen. Ich erinnere: Vor 66 Jahren wurde in München die Landsmannschaft der Banater Schwaben gegründet und in unserer Landeshauptstadt hat auch die Bundesgeschäftsstelle ihren Sitz. Viele Banater Landsleute haben in Bayern eine neue Heimat gefunden, und Bayern ist bis heute der größte Landesverband innerhalb Ihrer Landsmannschaft. In vielen unserer Städte und Dörfer blüht landsmannschaftliches Leben. Ich erwähne den großen Schwabenball in München in der Faschingszeit und die Teilnahme der Banater Schwaben in ihren farbenfrohen Trachten am Oktoberfestzug. Diese und viele andere Veranstaltungen sind feste Höhepunkte unseres bayerischen Kulturkalenders. Auch in meiner Heimat, in Waldkraiburg, erlebe ich landsmannschaftliches Wirken. Hier ist eine sehr aktive Kreisverbandsgruppe unter Georg Ledig tätig, und nicht umsonst ist auch unsere Kulturbürgermeisterin Inge Schnabel heute bei Ihnen.
Bayern und Banater Schwaben verbindet also eine starke Freundschaft, und deshalb freue ich mich, heute zusammen mit meiner Frau bei Ihnen zu sein. Ich darf Sie alle ausdrücklich von unserem Ministerpräsidenten Horst Seehofer, der heute beim Sudetendeutschen Tag in Nürnberg zu Gast ist, ganz herzlich grüßen.
Ihr diesjähriges Treffen ist eines der ganz besonderen Art. Es sind heuer 300 Jahre, dass sich Ihre Vorfahren auf den Weg ins Banat gemacht haben, und das bedeutet auch 300 Jahre Banater Schwaben, die in verschiedensten Situationen Zusammenhalt gelebt haben. Um das zu verstehen, sollte man sich nochmals die Geschichte vor Augen führen. Ich möchte mit einem 2500 Jahre
alten Zitat einführen, das von Perikles, einem der führenden Staatsmänner Athens stammt: „Zum Glück brauchst du Freiheit, und zur Freiheit brauchst du Mut.“ Und genau diesen Mut zur Freiheit haben Ihre Vorfahren und Sie in den letzten 300 Jahren unzählige Male unter Beweis stellen müssen.
1716 nahm Ihre Geschichte ihren Anfang. Prinz Eugen, der sich bereits bei der Schlacht um Wien 1683 hervorgetan hatte, eroberte 1716 Peterwardein und Temeswar und befreite das Banat von der osmanischen Herrschaft. Das Land war völlig verwüstet und teilweise entvölkert. In dieser „Stunde Null“ brauchten die Habsburger tüchtige und mutige Siedler, die willens waren, Hand anzulegen und anzupacken, um dieses Land wieder aufzubauen und es dauerhaft für das christliche Abendland zu
sichern. Im Gegenzug bekamen die Siedler ein eigenes Stück Land – eine echte Alternative also zu ihrer bisherigen Lage, die von Leibeigenschaft geprägt war. Ihre Vorfahren sind diesem Ruf zur Freiheit gefolgt, sie haben den Mut aufgebracht, Freiheit zu wagen und für sich und ihre Nachkommen eine Existenzgrundlage zu schaffen.
Vor allem hier in Ulm sind damals mutige Männer und Frauen aus allen deutschen Ländern, speziell aus Süddeutschland, zusammengekommen, um in eine neue Heimat, aber auch in eine ungewisse Zukunft aufzubrechen. Schon die Reise war voller Entbehrungen und Strapazen, voller Unwägbarkeiten und Gefahren. Im Banat angekommen, scheuten die Banater Schwaben weder Mühe noch Arbeit; mit Fleiß und Herzblut haben sie neue Dörfer, Bauernhöfe, Kirchen und Schulen errichtet, Gärten und Felder bebaut. Nach Überwindung der Anfangsschwierigkeiten haben Ihre Vorfahren diesem Landstrich eine wirtschaftliche und kulturelle Blütezeit beschert. Diese wirklich großartige Leistung sollte über Jahrhunderte andauern.
Diese positive Phase nahm in den 30er und 40er Jahren des vorigen Jahrhunderts ein jähes Ende. Während der Schreckenszeit des Zweiten Weltkrieges trafen Terror und Gewalt schließlich auch die Banater Schwaben mit voller Wucht. Flucht, Enteignung, Deportation – all das zählt zu den düstersten Kapiteln in Ihrer Geschichte. Über 30000 Landsleute wurden zur Zwangsarbeit in die Sowjetunion verschleppt, 5000 kamen dabei unter den schrecklichen Lebens- und Arbeitsbedingungen, die in den Lagern herrschten, zu Tode. Für die Banater Schwaben, wie übrigens für alle Rumäniendeutschen, brachen schwere Zeiten an. Doch auch während der kommunistischen Herrschaft haben sie mit Hingabe und Engagement für den Erhalt ihrer Identität gekämpft, sie haben ihre Lebensweise und ihre Kultur gepflegt. Am Schluss aber leider vergeblich. Unter Ceauşescu verschlechterte sich die Lage der ethnischen Minderheiten dramatisch. Diskriminierungen, behördliche Schikanen, schwierige Lebensbedingungen, Einschränkung der persönlichen Freiheit und schließlich das Geschäft mit dem Freikauf der Deutschen aus Rumänien – all das führte am Ende zu Flucht und Ausreise der allermeisten Banater Schwaben. Derselbe Wille zur Freiheit, der Ihre Vorfahren vor fast 300 Jahren ins
Banat geführt hatte, ließ Sie – Ihrer Heimat und Ihrer Lebensgrundlage durch ein Unrechtsregime beraubt – nun wieder nach Deutschland zurückkehren.
Die Mehrheit fand hier bei uns in Süddeutschland ein neues Zuhause. Außer Ihrer Kleidung am Leibe und einiger Habseligkeiten hatten Sie im Gepäck praktisch nichts als die Bereitschaft anzupacken, den Mut, wieder neu anzufangen, und die Hoffnung auf ein besseres Leben. Das erinnert unweigerlich an die Situation vor 300 Jahren. In Deutschland angekommen, haben Sie nicht gefragt, was kann der Staat für mich tun, was steht mir zu, wer muss mir gefälligst wie helfen. Nein, Sie selbst haben sich wieder mit Mut und Fleiß, mit beispielhaftem Einsatz und großer Ausdauer an die Arbeit gemacht, um sich und Ihren Fami-lien eine gesicherte Existenz und Wohlstand zu erwirtschaften. Damit haben Sie – und das will ich an dieser Stelle ausdrücklich unterstreichen – nicht nur für sich selbst etwas geleistet, sondern in den letzten Jahrzehnten auch einen wesentlichen Beitrag zur wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Prosperität Bayerns, Baden-Württembergs, ganz Deutschlands erbracht. Sie alle sind Vorbilder für unser Land. Mit Ihrem Einsatzgeist und Ihrer Leistungsbereitschaft haben Sie Deutschland vorangebracht. Dafür danke ich Ihnen persönlich, aber auch im Namen der bayerischen Staatsregierung ganz herzlich.
Sehr geehrter Herr Leber, sehr geehrte Vorsitzende der Landesverbände, über Jahre machen Sie sich stark für die Anliegen der Banater Schwaben, Sie setzen sich für den Erhalt ihres kulturellen Erbes und ihres Brauchtums ein, und Sie bauen Brücken im Geiste der Völkerverständigung. Dies alles machen Sie mit viel Herzblut, mit großem Engagement, zum Beispiel in der Organisation Ihrer Heimattage. Für diesen Einsatz gilt Ihnen mein allerherzlichster Dank. Gerade bei diesen Treffen hier in Ulm präsentieren sich Ihre Bräuche, Ihre prächtigen Trachten, Ihre zünftigen Tänze in voller Blüte. Ihre Traditionen lassen sich sozusagen mit allen Sinnen erleben. Damit bereichern Sie auch die süddeutsche Kulturlandschaft.
Natürlich sind unsere Blicke an Tagen wie heute auf eine möglichst gute Zukunft gerichtet, aber ohne die Rückbesinnung auf unser kulturelles Erbe können wir unsere Zukunft nicht gestalten. Allein diese Rückerinnerung, dieses Heimatbewusstsein verleiht uns Kraft und Selbstvertrauen, die nötig sind, um in dieser globalen, zusammenwachsenden Welt bestehen zu können. Nur wer seine Wurzeln kennt, nur wer weiß, wo er herkommt, besitzt eine starke Identität, kann gelassen und selbstbewusst die Zukunft meistern und ist gerüstet für den jetzt anstehenden Dialog zwischen den Kulturen. Und gerade deshalb ist es so wichtig, dass wir uns der eigenen Geschichte vergewissern und unsere Traditionen bewahren.
Die Banater Schwaben sind hierfür ein gutes Vorbild. Sie reichen die Erinnerung, die Erfahrungen, Brauchtum und Traditionen an die nachfolgenden Generationen weiter und schaffen damit auch bei Ihrem Nachwuchs ein Bewusstsein für die alte Heimat. Und deshalb bekennen sich viele Ihrer jungen Landsleute zu Deutschland als ihrer Heimat, aber auch zu ihren Wurzeln im Banat. Ich bin stolz, Banater Schwabe zu sein – das hört man oft von Jugendlichen, die sich in Ihrem Verband engagieren. Diese Heimatverbundenheit, dieses Feuer für Herkunft und Kultur ist großartig. Damit schenken Sie unserem Land Kraft für die Zukunft.
Meine Damen und Herren, gestatten Sie mir als bayerischem Minister, jetzt speziell einiges zu Bayern zu sagen. Bayern gehört heute zu den dynamischsten und wohlhabendsten Regionen nicht nur Europas, sondern der ganzen Welt. Das war nicht immer so. Vor nur 50 Jahren war Bayern noch ein Agrarland. Dass wir heute im wirtschaftlichen Bereich, aber auch was Hightech angeht, der Motor Europas sind, daran war damals sicherlich nicht zu denken. Vor 25 Jahren war Bayern noch Empfänger von Leistungen im Rahmen des Länderfinanzausgleichs. Heute zahlen wir über 6 Milliarden Euro in dieses Finanzausgleichssystem ein.
Dass wir heute so gut dastehen, haben wir unter anderem auch Ihnen, den Banater Schwaben zu verdanken. Sie sind Leistungsträger und Motor unseres Gemeinwesens. Allein in den letzten sieben Jahren sind zwei Nobelpreisträger aus Ihren Reihen hervorgegangen: Herta Müller erhielt 2009 den Nobelpreis für Literatur und Stefan Hell bekam 2014 den Nobelpreis für Chemie. Das zeigt, was Banater Schwaben zu leisten vermögen. Einige Ihrer Landsleute haben Unternehmen von Weltruf gegründet, ich nenne hier bloß die Firma DELU aus Nürnberg, und viele haben sich einen Namen in Wissenschaft und Kunst gemacht. Etliche engagieren sich auch kommunalpolitisch, Sie haben Stadträte in München, Nürnberg, Landshut oder Waldkraiburg. Ohne unsere Banater Schwaben wäre Deutschland, wäre Bayern ärmer. Wir sind stolz auf Sie und stehen geschlossen an Ihrer Seite.
Bayern war von Anfang an ein starker Partner der Banater Schwaben. Die Unterstützung der Vertriebenenverbände war uns immer ein echtes Herzensanliegen, es war für uns auch eine Frage von Gerechtigkeit und gelebter Solidarität. Und das meinen wir nicht nur ideell. Wir haben uns ganz konkret beim Bund für die Entschädigung deutscher Zwangsarbeiter stark gemacht, und auch die Idee, einen nationalen Gedenktag für die Opfer von Flucht und Vertreibung zu schaffen, kam aus Bayern. Mit unserem bayerischen Gedenktag für die Opfer von Flucht, Vertreibung und Deportation haben wir sozusagen den Stein ins Rollen gebracht. Unser beharrlicher Einsatz hat sich gelohnt: Ab 2015 wird der nationale Gedenktag jährlich am 20. Juni begangen, und die Entschädigung deutscher Zwangsarbeiter wurde in Angriff genommen. All dies sind wichtige Signale mit einer klaren Botschaft: Enteignung, Zwangsarbeit und Vertreibung waren und bleiben Unrecht – ein Unrecht, das wir weltweit ächten müssen.
Das ist Auftrag für uns heute, aber auch für die Zukunft, denn Flucht und Vertreibung sind aktueller denn je. Unsere Geschichte verpflichtet uns, unsere Stimme zu erheben gegen Rassismus, gegen Antisemitismus, gegen Fremdenfeindlichkeit und gegen jede Form von Willkür und Gewalt zu kämpen. Jedem muss klar sein: Wir geben Extremisten und Hetzern keinen Millimeter Raum!
Die Banater Schwaben haben es vorgelebt und gezeigt, dass Vertrauen nur im Dialog der Kulturen entstehen kann, dass sie immer – trotz des erlittenen Leids und des Verlusts der Heimat – die Versöhnung gesucht haben. Sie haben sich für Völkerverständigung eingesetzt und vor allem für die Freundschaft zwischen Deutschland und Rumänien. Wie erfolgreich dieses Bemühen ist, zeigt sich schon allein an der hochrangigen Vertretung des rumänischen Staates bei diesem Heimattag. Sehr geehrter Herr Dr. Nistor, Sie feiern heute mit uns gemeinsam diesen Heimattag, und dies ist auch für mich der beste Beweis für die gelebte Freundschaft zwischen Rumänen und Banater Schwaben, zwischen Rumänien und Deutschland. Für Ihr Kommen mein ganz herzlicher Dank.
Bayern und Rumänien verbindet seit Jahren eine enge Freundschaft, und unser gutes Verhältnis hat auch zahlreiche zwischenmenschliche Wurzeln. Beispielsweise lernen bayerische Studenten Rumänisch am Rumänicum in Regensburg und besuchen immer wieder ihre Kollegen in Bukarest oder Temeswar. Rumänische Studenten kommen für ein Semester nach München oder Regensburg. Im Rahmen von 16 Hochschulpartnerschaften profitieren Wissenschaftler und Studenten vom gebündelten Wissen beider Länder.
Außerdem ist Rumänien für Bayern ein gewichtiger Handelspartner. Zahlreiche bayerische Unternehmen sind in Rumänien aktiv, aber auch etliche rumänische Firmen sind in Bayern entstanden. Wir in Bayern sind stolz auf diese enge Partnerschaft mit unseren rumänischen Freunden und fördern deshalb auch die Rumänischen Kulturtage in München sowie die deutsche Sprache und Kultur in Rumänien. Ich darf Ihnen versichern: Wir werden unseren Weg der Zusammenarbeit weitergehen, damit die bayerisch-
rumänische Freundschaft auch in Zukunft wachsen und gedeihen möge, zum Wohle Rumäniens, Deutschlands und Europas.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, Europa ist heutzutage ein heikles Thema. Unser gemeinsames Europa beginnt mit den Menschen. Mit jeder Begegnung und mit jeder Freundschaft überwinden wir Grenzen und füllen die Idee von einem geeinten Europa mit Leben. Es ist zwar momentan nicht ganz einfach, Begeisterung für Europa zu entfachen, aber diesen Geist der Völkerverständigung, der Europa einmal ausgemacht hat, dürfen wir uns nicht kaputt machen lassen. Gerade die Banater Schwaben leben das vorbildlich und ganz selbstverständlich. Sie haben Brücken gebaut, Sie haben neues Vertrauen geschaffen. Ich appelliere an Sie alle: Machen wir uns auch in Zukunft mit vereinten Kräften stark für Frieden, Freiheit und Freundschaft in ganz Europa, denn dann steht uns die Zukunft offen!
Liebe Landsleute, Sie alle können guten Mutes in die Zukunft blicken. Sie haben eine starke Jugend und durchsetzungsfähige Repräsentanten, die Ihre Anliegen und Werte mit großem Nachdruck vertreten. Und so erfüllen Sie das Motto Ihres Heimattages mit Leben: „300 Jahre Banater Schwaben – Wir schreiben unsere Geschichte fort“. Ich wünsche Ihnen und wünsche uns allen für die Zukunft alles Gute und Gottes Segen. Behalten wir die Erinnerung wach, behalten wir die Heimat im Herzen und setzen wir uns gemeinsam für eine gute Zukunft in Europa ein! Auf weitere 300 Jahre! Alles Gute!