Einer langen Tradition folgend, treffen sich die Banater Schwaben an ihrem Heimattag am Auswandererdenkmal hier am Donauufer zur Gedenkfeier. Im Jahr 1958 errichtet, ist hier ein zentraler Erinnerungsort für die Banater Schwaben und die Donauschwaben entstanden. Treffender kann die nunmehr 300-jährige Geschichte der Banater Schwaben – an diesem Denkmal, in Stein gemeißelt und in Bronze gegossen – kaum fortgeschrieben werden. Und das am Donauufer, dem Schicksalsstrom der Banater Schwaben und Donauschwaben.
Erinnern wir uns: 1716 eroberte Prinz Eugen von Savoyen Peterwardein und Temeswar, die unter osmanischer Herrschaft standen. Es folgte der Friedensschluss von Passarowitz am 21. Juli 1718. Die Neubesiedlung des Banats begann mit deutschen Auswanderern: „Auf, auf in die Freiheit! / Nach Ungarn ins Banat! / Freier Mann auf freier Scholle, / ohne Zehent und Fron.“ Das waren die Sehnsüchte der Ahnen um 1750. Mit dem „Reisepfennig“ versehen, bestiegen sie die Ulmer Schachteln.
Was Ihre Ahnen ins Werk setzten, davon gibt eine Petition der Banater Schwaben an den Kaiser 1849 beredt Zeugnis: „Öde Wüsten in lachende Landschaften, und trocken gelegte Sümpfe in üppige Fruchtfelder umgeschaffen. Das Banat zur Kornkammer des Landes, zur Perle des ungarischen Reiches und zu einem der gesegnetesten Landstriche der öster-reichischen Monarchie geworden.“
Die Auswanderer schufen aber mehr, sie schufen Heimat. In einem Gedicht von Peter Jung, „Mein Banat“, heißt es: „Sei mir gegrüßt, sei mir willkommen, / Du meine Heimat, mein Banat, / Du Frucht von unsrer Väter Saat, / Die einst den Weg zu dir genommen!“ Vieles hat die Wirren der Zeit nicht überstanden. Aber drei Jahrhunderte überdauert hat im Herzen der Banater Schwaben die Heimat Banat. Ein alter Spruch besagt: „Alles kann der Mensch vergessen, / ob es leicht ist oder schwer. / Doch die heißgeliebte Heimat, / die vergisst man nimmer mehr.“
Konnte einst der Mensch aus dem Paradies vertrieben werden, nicht aber die Heimat aus dem Menschen. „Die Erinnerung ist das einzige Paradies, aus dem man nicht vertrieben werden kann“, so der Dichter Jean Paul.
Gedenken wir der Opfer, die das zur Heimat gewordene ursprünglich öde Land den Vorfahren abverlangte. Man kann dies nicht schöner beschreiben als im Gedicht „Mein Heimatland“, ebenfalls von Peter Jung: „Wo unsre Väter hart geschwitzt / Und mancher Dorn ihr Herz geritzt, / Bis in der Welt von Sumpf und Rohr / Die erste Ähre sproß hervor; // Wo jeder Pflanze, jedem Strauch / Entstieg des Todes giftger Hauch, / Bis ihn besiegte im Gefecht / Der Schwaben knorriges Geschlecht.“
Wir gedenken in dieser Stunde der Heimat, der Heimat der Banater Schwaben, Ihrer Eltern und Großeltern. Heimat, die Sie, liebe Banater Schwaben, als Erbe weitergeben. In diesem Gedenken lassen Sie uns auch Anteil nehmen am Schicksal Ihrer Heimat durch und in der Folge der Apokalypse des Zweiten Weltkriegs. Der Krieg hat nicht nur Sieger und Besiegte, er hat vor allem Opfer in unvorstellbarem Ausmaß hinterlassen. Das schwerste Opfer haben jene erlitten, deren Väter, Söhne oder Brüder ihr Leben verloren; jene, die verschleppt wurden und seither verschollen sind; jene, die in Lagern während der Russlanddeportation unter Zwangsarbeit Qualen erlitten und einem Todeslager gleich elend zu Tode kamen; jene, die in die Bărăgan-Steppe zwangsumgesiedelt wurden; jene, die der Unmenschlichkeit der Diktatur des Kommunismus entfliehen wollten und den Fluchtversuch mit grausamen Repressalien oder gar mit dem Tod ertragen mussten; jene, für die der Tod Erlösung von einem Martyrium war, nur weil sie Deutsche waren. Die Toten haben ihren Frieden gefunden. Sie mahnen uns, für Frieden und Toleranz einzutreten.
Im Erinnerungsbogen 300 Jahre Geschichte der Banater Schwaben darf es keinen Erinnerungsschatten geben. Deshalb soll nicht verschwiegen sein: Das Dekretgesetz vom März 1945 besiegelte die totale Enteignung der Deutschen. Lügen gestraft wurde damit jene Mahnung in Goethes Faust: „Was du ererbt von deinen Vätern hast, erwirb es, um es zu besitzen“. Der kommunistische Alltag hielt Einzug. Kommunismus – er habe den bürgerlichen Anstand ausgelöscht, so der Erzbischof von Ungarns Hauptstadtbistum Péter Kardinal Erdő. Schlechte Lebensbedingungen, keine politische und persönliche Freiheit, schikanöse Behandlung seitens der Behörden – sie führten zur legalen Aussiedlung. Aussiedlung – oft eine via dolorosa mit Vorbringen des Aussiedlungsbegehrens. Es hieß, von Nachbarn und Bekannten Abschied zu nehmen. Der Ertrag der Arbeit von Generationen blieb zurück. Die Banater Schwaben verließen ihre Heimat.
Im Land ihrer Vorfahren angekommen, verharrten sie nicht im Tal der Verzweiflung. Sie nahmen ihr Schicksal in die Hände. Die Heimat ihrer Ahnen verwandelte sich in ihre neue Heimat. In Treue stehen sie zur neuen Heimat, in Liebe gedenken sie der Heimat Banat. Apropos Treue der Banater Schwaben: In Theodors Fontane Ballade „Archibald Douglas“ heißt es: „Der ist in tiefster Seele treu, / der die Heimat liebt wie Du“.
„Erinnerung ist die Dankbarkeit des Herzens“, so der Religionsphilosoph Romano Guardini. Dankbar wollen wir deshalb auch an jene Banater Landsleute erinnern, die heute noch im Banat leben. Sie sind die Gralshüter von Tradition, Sitten und Bräuchen der Vorfahren. Sie erhalten die deutsche Sprache, sind Garant des von ihren Ahnen mitgebrachten Glaubens. Sie erhalten Kirchen als Zeugnisse einer blühenden christlichen Vergangenheit. Sie sorgen dafür, dass über die Gräber der Vorfahren nicht im wahrsten Sinne des Wortes Gras wächst.
„300 Jahre Banater Schwaben – wir schreiben unsere Geschichte fort“ ist das Motto Ihres diesjährigen Heimattages. Geschichte fortschreiben beginnt mit Erinnerung. „Wir leben nicht nur aus uns selbst, sondern ein großes Stück weit aus dem und von dem, was vor uns war“, sagt Erzbischof Zollitsch, Hauptzelebrant des morgigen Pfingstgottesdienstes.
Solange Sie, die Banater Schwaben, alle zwei Jahre zu Ihrem Heimattag in Ulm zusammenkommen, schreiben Sie Ihre Geschichte in höchst beeindruckender Weise fort. Ihr Heimattag ist ein Bekenntnis zu Ihrer Heimat Banat, zu Ihrer kulturellen Identität, ist Gegenwart der Geschichte der Banater Schwaben. Geschichte fortschreiben heißt aber auch, nicht in der Erinnerung zu verharren, sondern sie fruchtbar zu machen für Gegenwart und Zukunft.
Sehr beeindruckend hat ein renommierter Historiker den in die Zukunft gerichteten Auftrag des Donauschwäbischen Zentralmuseums – man könnte auch sagen: das Fortschreiben der Geschichte der Donauschwaben – so in Worte gefasst: „Der fernen donauschwäbischen Geschichte eine neue Nähe geben“. Jeder Heimattag ist eine neue Nähe der Geschichte der Banater Schwaben, ihrer kulturellen Identität, ihrer Heimat Banat. Jedes Kirchweihfest, ob hier in Deutschland oder im Banat, ist eine neue Nähe Ihrer Tradition.
Kann die Nähe des Lebens, Denkens und Handelns eines Banaters, einer Banater Schwäbin, ausdrucksstärker, gefühlsvoller betont werden als etwa im Sanktannaer Kirchweihspruch 2015? „Wir stehen treu zur Kirche, / zu Tradition und zu dem Erbe unserer Ahnen, / Was Heimat ist, für jeden Einzelnen von Ihnen, / in den Tiefen der Seele, auf Herzensgrund steht es geschrieben.“
Die alljährliche Wallfahrt der Banater Schwaben, ob in Altötting oder in Maria Radna, ist eine neue Nähe der Heimat der Banater Schwaben. Denn, so Papst Benedikt: „Das kostbarste Erbe der Heimat ist der Glaube. Wo er lebt, da ist die Heimat unverloren.“
Ich wünsche Ihnen an Ihrem Heimattag viele schöne Begegnungen mit Landsleuten und ehemaligen Weggefährten in der früheren Heimat Banat. Tauchen Sie ein in ein Meer von Erinnerungen an den Ort und die Landschaft, wo einst Ihre Wiege stand. Schreiten Sie in Gedanken die Wegstrecke Ihres Lebens ab, die Sie in Ihrer Heimat Banat gegangen sind.
Mögen Ihre Gedanken und Gefühle heute erfüllt sein von Ihrem von Peter Jung so wunderbar beschriebenen Banat: „O Land, du allerschönstes Land! / Mein Heimatland! Banater Land! / Auf Erden ist kein Land dir gleich, / Als wärst du selbst das Himmelreich!“