Was haben der Temeswarer Schubertchor, die „Banater Teck Musikanten“ und ein kaputtes Bügeleisen gemeinsam? Sie alle sind Hauptdarsteller beim 30-jährigen Jubiläum des Kreisverbandes Esslingen der Landsmannschaft der Banater Schwaben.
„Es sollte alles perfekt sein“, erzählt Renate Krispin, die Leiterin der Esslinger Trachtentanzgruppe. Das hieß, 17 Mädchenblusen und 17 Trachtenröcke mussten gewaschen und gebügelt werden. „Ich hatte nur noch fünf Blusen zu bügeln und dann die große Katastrophe. Das Bügeleisen gab seinen Geist auf. Nichts ging mehr und das nachts um elf“, ergänzt Renate Krispin. Der Kreisverband Esslingen würde aber nicht schon so lange bestehen, wenn sich die Aktiven durch solch kleine Katastrophen aus der Ruhe bringen lassen würden. Hier hält man zusammen. Einer weiß immer eine Lösung.
Am nächsten Tag waren die nächtlichen Sorgen schon wieder vergessen, und alle freuten sich auf die Feier. Denn der Kreisverband hatte anlässlich seines 30-jährigen Bestehens alle Mitglieder und viele Ehrengäste am 28. Juni in die Stadthalle Wendlingen zum „Nachmittagskaffee“ eingeladen. Mehr als 250 Gäste folgten der Einladung und füllten den schön dekorierten Saal. Außer einem reichhaltigen Buffet mit selbstgebackenen Torten und Kuchen, mit Kaffee und Getränken gab es natürlich auch ein abwechslungsreiches Bühnenprogramm. Solch ein Jubiläum musste schließlich gebührend gefeiert werden.
Die „Banater Teck Musikanten“ machten den Anfang und stimmten die Gäste bereits zu Beginn mit der Polka „Lasst euch grüßen“ auf den Nachmittag ein. Die Kapelle wurde 2009 gegründet, deren Mitglieder stammen aus dem Banat und leben heute größtenteils im Großraum Stuttgart. Unter der Leitung von Erich Seibert haben sich die Musiker im Laufe der Jahre ein vielseitiges Repertoire angeeignet, das sie den Gästen im Laufe des Nachmittags mit großer Freude präsentierten.
Ein weiterer Programm- und Höhepunkt war der Auftritt des Temeswarer Schubertchors, der zeigte, dass das Banat noch viel mehr zu bieten hatte und hat als zünftige Blasmusik und stimmungsvolle Volkstänze. Einst im Banat zur Wiederbelebung der Gesangstradition 1969 gegründet, wurde der Chor durch die Aussiedlung vieler Mitglieder sowie des Chorleiters 1988 in Temeswar aufgelöst. Ab 1985 kam es aber hier in Deutschland zur Neugründung des Chors unter der Leitung von Adrian Nuca-Bartzer, der die ausgesiedelten Sängerinnen und Sänger wieder zusammenführte. Zum Repertoire des Ensembles gehörten damals wie heute nicht nur anspruchsvolle Chorwerke von Schubert, Brahms, Mozart und Mendelssohn-Bartholdy, sondern auch Stücke Banater Komponisten und alte Banater Volkslieder. Geprobt wird an Chorwochenenden, denn die Mitglieder des Chors leben heute verstreut in der gesamten Bundesrepublik. Ein Höhepunkt des Auftritts war das Solo von Walter Berberich, der viele der anwesenden Gäste mit seinem Gesang und seiner Interpretation des Stückes „Am Meer“ von Franz Schubert zu Tränen rührte. Besonders amüsiert war das Publikum über die Zugabe des Chores, denn als die Sängerinnen und Sänger im Volkslied „Die wahre Lieb“ den Text „Fresch und Krotte kenne hubse, awer aldi Weiwer net“ vortrugen, freuten sich alle im Saal und sangen teils lautstark mit.
Aber was wäre das Jubiläum des Kreisverbandes ohne den Auftritt seiner Trachtentanzgruppe, die ein wichtiger Bestandteil des Vereins ist. Gegründet wurde auch sie vor fast 30 Jahren, genauer gesagt 1988. Wie der Verein, so ist auch die Tanzgruppe in stetem Wandel begriffen. Tänzerinnen und Tänzer kommen und gehen, Tanzleiter wechseln. Heute besteht die Gruppe aus insgesamt 50 aktiven Tänzerinnen und Tänzern, aufgeteilt in Kinder-, Jugend- und Erwachsenengruppe. Apropos, schien der Auftritt der Kindergruppe wegen eines kaputten Bügeleisens kurz mal in Gefahr, so sprach am Festtag keiner mehr von der Katastrophe am Vorabend. Die Trachten waren eine schmucker als die andere, die Kinder strahlten und warteten ganz aufgeregt auf ihren Auftritt. Selbst ein technischer Defekt – das falsche Lied wurde eingespielt – konnte sie in ihrer Begeisterung nicht stoppen. Sie fingen einfach an zu tanzen, was das Publikum mit tosendem Applaus und Bravo-Rufen honorierte. Nachdem die Technik wieder funktionierte, zeigte die Kindergruppe die Tänze „Durch die Tore“, „Fröhlicher Kreis“ und die „Kitty-Polka“.
Doch die Kinder können nicht nur tanzen. Ganz begeistert war das Publikum vor allem von Marie-Kristin Kobsa. In schönstem Schwowisch trug sie das Gedicht „Die Schwalbe“ vor – und das, obwohl sie keine Banater Wurzeln hat.
Aber nicht nur die Kinder-, sondern auch die Jugendgruppe zeigte, was sie kann und tanzte den „Nagelschmied“ und „Veilchenblaue Augen“. Der „Nagelschmied“ gehört zum festen Repertoire der Siebenbürger Sachsen und die Jugendlichen lieben ihn. Der zweite Tanz, „Veilchenblaue Augen“, eine Polka, gehört inzwischen zum festen gemeinsamen Repertoire der Trachtengruppen der DBJT. Zum Schluss tanzten die Jugendlichen gemeinsam mit der Erwachsenengruppe die Polka „Susi heb dich“ und den „Kathiländler“. Die Erwachsenengruppe besteht in dieser Form übrigens erst seit Anfang dieses Jahres und wird von Helga Schutz geleitet.
Eine Besonderheit war auch die neue Tracht, die die Jugendlichen und Frauen der Tanzgruppe an diesem Festtag trugen. Denn sie hatten nicht, wie man vermuten könnte, die Festtagstracht an, sondern eine neue „Sundachstracht“. Der Umstand, dass die Festtagstracht zwar wunderschön, aber gerade bei mehrstündigen Veranstaltungen für die Frauen eine echte Plage ist, denn sitzen kann man darin bekanntlich nicht, führte dazu, dass sich die Tanzgruppe entschloss, neue Trachten zu nähen. Sie sollten praktisch und bequem sein und ganz wichtig, man sollte darin sitzen können. Obwohl es die Frauen viel Zeit und Mühe gekostet hat, die Trachten anzufertigen, kann sich das Ergebnis sehen lassen.
Die Jubiläumsfeier des Kreisverbandes bot auch Gelegenheit, langjährige Mitglieder für ihre Treue zur Landsmannschaft zu würdigen. An dieser Stelle nochmals vielen Dank an alle Geehrten für die Unterstützung über all die Jahre. Ohne sie und die Hilfe vieler anderer wäre der Verein nicht das, was er heute ist.
Natürlich gehören zu solch einem Festtag auch Reden. Nachdem der Kreisvorsitzende Herbert Volk die Gäste und ganz besonders die Ehrengäste begrüßt hatte – unter anderem den Bundesvorsitzenden Peter-Dietmar Leber, den Landesvorsitzenden Josef Prunkl, den Bürgermeister der Stadt Wendlingen Steffen Weigel, die Vertreter der landsmannschaftlichen Gliederungen und befreundeter Verbände und Vereine –, gab er einen kurzen Einblick in die Aufgaben und Aktivitäten des Kreisverbandes im Laufe seines Bestehens, wobei vor allem die Gegenwart und die Zukunft im Fokus standen.
Bürgermeister Steffen Weigel überbrachte in seiner Festrede die Grüße der Stadt Wendlingen und betonte besonders die erfolgreiche Integration der Banater Schwaben, die feste Verankerung des Kreisverbandes Esslingen in Wendlingen wie auch die gute Zusammenarbeit mit anderen in der Stadt ansässigen Vereinen, Landsmannschaften, Heimat- und Trachtenverbänden. Er freue sich sehr über solch einen aktiven Verein in seiner Stadt, sagte Weigel.
Der Bundesvorsitzende der Landsmannschaft der Banater Schwaben, Peter-Dietmar Leber, sprach über die Aufgaben der Landsmannschaft in der heutigen Zeit und gab einen Überblick über die Situation der Aussiedler aus dem Banat früher und heute. Er betonte, dass das 30-jährige Jubiläum des Kreisverbandes Esslingen einerseits ein Anlass sei, bei dem man noch leicht zurückschauen könne, bei dem sich bei vielen noch so ein „Weißt Du noch damals-Gefühl“ einstellen könne, zumal so manche aus der Anfangszeit des Kreisverbandes auch heute noch dabei seien. Andererseits lohne es sich auch nach vorne zu schauen, zu überlegen und zu prüfen, in welche Richtung sich der Verein entwickeln werde, entwickeln könnte und sollte. Besonders vorbildhaft befand Leber die gelungene Integration des Kreisverbandes. Der Weg der Trachtengruppe sei so beispielhaft gegangen worden, dass die Brauchtumsfeste, die Kinder- und Jugendtrachtengruppen, die Volkstanzgruppen auch für Schulfreunde, Nachbarn und Mitmenschen ohne Banater Wurzeln attraktiv geworden seien. „Nicht mehr die Herkunft der jungen Leute, sondern das Interesse für diese Gemeinschaft und deren Brauchtum steht im Mittelpunkt und führt sie zusammen. Das Erbe ist – geografisch und gesellschaftlich – vom Rand in den Mittelpunkt gerückt“, betonte Leber.
Zum Schluss der Jubiläumsfeier dankte Herbert Volk allen Mitwirkenden und Helfern für die gelungene Veranstaltung und den Gästen für ihr zahlreiches Kommen. Für die Zukunft wünschte sich der Kreisvorsitzende, „dass dieser Nachmittag viele Menschen motiviert hat, die Arbeit des Kreisverbandes auch in Zukunft zu unterstützen und Teil dieser großen aktiven Gemeinschaft zu werden.“