Zum 135. Geburtstag und 50. Todestag des Malers veranstaltet das Hilfswerk der Banater Schwaben mit dem Landesverband Bayern der Landsmannschaft am 28. April im Banater Seniorenzentrum in Ingolstadt eine Stefan-Jäger-Ausstellung und ein Symposium. Die über hundert Bilder der Ausstellung, die ausschließlich Leihgaben aus dem Privatbesitz unserer Landsleute sind, zeugen von der Wertschätzung dieser Kleinodien. Unsere Banater Schwaben haben diese Bilder bei der Auswanderung mitgenommen oder haben sie nachträglich teuer erstanden als kostbares Erbe der Väter, als ein Stück Heimat. Heimatverbundener später Impressionismus kennzeichnet Stefan Jägers Kunst, die tief in dem vertrauten Heimatboden und seinen Überlieferungen verankert ist. Der Maler hat seinen Landsleuten tief ins Gemüt und Bewusstsein geschaut, diese können sich mit der Aussage seiner Bilder identifizieren. Sie fühlen darin ihr Heimatgefühl so sehr bestätigt, dass diese Bilder aus den Banater Wohnungen nicht mehr wegzudenken sind – als wesentlicher Bestandteil der Bewusstseinsbildung und Identitätsbewahrung der Banater Schwaben. Doch leider kommt es in der Kunstgeschichte immer wieder vor, dass der Künstler sich zu Lebzeiten wenig Wertschätzung erfreuen konnte, so auch Stefan Jäger. Erst fünf Jahre nach seinem Tode fand die erste große Retrospektive seiner Werke statt, und 1972 erschien die erste Jäger-Monografie. Seither würdigten mehrere Ausstellungen, Bücher, Studien und Veranstaltungen sein Leben und Schaffen, das er stets in den Dienst seiner Landsleute stellte in einer überzeugenden Beziehung zum Leben, zur Realität.
Der Maler Stefan Jäger wurde am 28. Mai 1877 als Sohn eines Feldschers in der Gemeinde Tschene unweit von Hatzfeld geboren. Volks- und Mittelschule besuchte er in Tschene, Temeswar und Szeged. Ab 1895 studierte er an der Hochschule für Bildende Kunst in Budapest an der Abteilung für Lehrerausbildung. Nach vierjähriger Ausbildung unternahm er Studienreisen nach Österreich, Deutschland und Italien. Danach begann er in Budapest selbstständig zu arbeiten. Hatzfeld wurde ab 1910 die Wahlheimat des Malers, wo er bis ins hohe Alter schlicht und ungekünstelt, ehrlich und bescheiden an seinem Lebenswerk schuf. Er starb am 16. März 1962. Im Jahre 1906 erhielt der Maler den Auftrag, ein Gemälde für die Gemeinde Gertianosch zum Thema „Die Ansiedlung der Deutschen im Südosten“ zu malen. Im Frühjahr 1910 wurde das Einwanderungsbild in Gertianosch anlässlich einer Gewerbe- und Landwirtschaftsausstellung feierlich enthüllt und machte den Maler unter seinen schwäbischen Landsleuten mit einem Schlag berühmt. Das Einwanderungsbild mit seinen Teilen „Wanderung, Rast und Ankunft“ schildert überzeugend und ergreifend das Schicksal der Ansiedler, die im 18. Jahrhundert vom Rhein bis zur Donau über Ulm, Wien, Ofen bis ins Banat voller Hoffnung einer neuen Heimat entgegengezogen waren. Man bezeichnet es gerne als Jägers Hauptwerk, schon weil dieses Triptychon durch seine beträchtliche Dimension (5 x 1,5 m) die größte und figurenreichste (achtzig Gestalten) Arbeit des Malers ist und vor allem, weil es sehr bekannt und durch Reproduktionen weit verbreitet wurde. Doch erst nach diesem ersten großen Schwabenbild, das thematisch dem Leben der Heimat entsprungen ist und für seine Landsleute bestimmt war, begann Stefan Jäger sich intensiv mit der Welt und dem Schaffen der Banater Menschen auseinanderzusetzen und sich zum beliebtesten Maler der Banater Schwaben emporzuarbeiten.
Die Kriegsjahre 1914–1918 hat Stefan Jäger als Landsturmmann an der serbischen, italienischen und rumänischen Front mitgemacht. Danach ließ er sich in Hatzfeld nieder; zurückgezogen und einsam vertiefte er sich in ein gründliches Studium des Banater Volkslebens. Lassen wir aber Stefan Jäger selbst sprechen: „Meine malerische Tätigkeit war hauptsächlich darauf gerichtet, meinen Landsleuten gewissenhaft ausgeführte Bilder in leicht verständlicher Form mit Motiven aus dem Banater Volksleben und der Heidelandschaft zugänglich zu machen.“ Diese Worte stehen als Motto über dem gesamten Lebenswerk Stefan Jägers, das Liebe zum werktätigen Menschen zum Ausdruck bringt. Die Banater Ebene im Wandel der Jahreszeiten, die Felder und Fluren, das Banater Heidedorf mit seinen schmucken Bauernhäusern und den Barockgiebeln hat er stimmungsvoll geschildert. Die Feldarbeit, das Ackern und Säen, Schnitt und Drusch, Maisernte und Kartoffel-ernte, Weinlese und viele andere Aspekte des täglichen Lebens sind in ihrer Vielfalt wiedergeben.
Doch auch zur Zeit der Feste war Jäger ein rastloser Wanderer: die Kerweih, das Maibaumsetzen, das Erntefest, Hochzeit und Taufe, Christkindengel und Belzebub, Silvesterständchen, Fasching und Trachtenbälle, Mußestunden in einer Spinnstube, Plauderstündchen oder Kartenpartie, Dorfmusik, Tanz und Neckerei bilden ein idyllisches Bild des Dorfes im Festtagskleide.
Man könnte noch unzählige Themen anführen, die Jäger aus dem unerschöpflichen Reichtum bunten Volkslebens für die Nachwelt gesammelt hat; sie ergeben eine umfassende schwäbische Trachtenschau und in Bildern gestaltete Banater Volkskunde. Mit den sparsamsten künstlerischen Mitteln, durch wenige Umrisse und Farbflächen, die manchmal dünn angedeutet, von Licht durchdrungen und locker aufgetragen sind, gelingt es Stefan Jäger, die Atmosphäre der Landschaft stimmungsvoll darzustellen. In seinen Bildern spiegelt sich eine harmonische und glückliche Dorfwelt, soziale Widersprüche bleiben ausgespart. Obwohl es sich um schlichte Darstellungen der Wirklichkeit handelt, ist man geneigt, seine Bilder als feierlich zu empfinden. Frei von Sentimentalität und von keinerlei falschem Pathos belastet, muten sie eher sachlich an, doch ist es gerade diese Sachlichkeit, die den Bildern Schönheit verleiht, die Schönheit des Wahren und Einfachen.
Der Maler weiß der Aquarelltechnik die erlesensten Farbtöne abzugewinnen, sie leuchten festlich, und ihre Transparenz verleiht den Bildern, deren Wert von aufrichtigem Empfinden und Freude am Detail mitbestimmt ist, einen besonderen Glanz. Seine Skizzen sind keineswegs nur flüchtige, gelegentlich festgehaltene Augenblickseindrücke, sie sind vielmehr zahllose Phasen einer gründlichen, methodischen durchgeführten Vorarbeit, deren Akribie mit jener eines Ethnografen verglichen werden kann.