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»Erfahrenes Leid und Glück sind nicht gegeneinander aufrechenbar«

Biagio d’Antonio: Kreuzweg Christi. Öl, Tempera auf Holz (191x191 cm), Louvre, Paris.

Gedanken zur Osterzeit. Liebe Banater Landsleute! Mit einer Pilgergruppe waren wir im letzten Jahr an Ostern im Heiligen Land auf den Spuren Jesu. Am Abend erzählten wir in gemütlicher Runde, wie die Kar- und Ostertage in unseren Heimatorten begangen wurden: Die Familien waren mit der Ostervorbereitung beschäftigt. Dazu gehörte Fasten, Kreuzwegandachten, Beichten und das Schmücken der Gräber auf dem Friedhof. Einen besonderen Stellenwert hatte der Auftritt der „Ratschbuwe“, die in der Karwoche in den Gassen unterwegs waren und mit ihren „Ratschen“ das Glockenläuten ersetzten, denn in den Tagen vor Ostern sagte man: „Die Glocken sind nach Rom geflogen“. An Karsamstag dann gingen die Ratschebuwe von Haus zu Haus und erhielten ihren verdienten Lohn. Gründonnerstag mit letztem Abendmahl und Ölbergstunde, Karfreitag mit dem Tod Jesu am Kreuz und Grablegung, die Wache am Heiligen Grab und die Kreuzverehrung waren die Vorstufen zum großen Ereignis, der Auferstehungsprozession. Bei diesem feierlichem Umzug sang der Kirchenchor in Begleitung der Blaskapelle „Der Heiland ist erstanden, befreit von Todesbanden, der als ein wahres Osterlamm für mich den Tod zu leiden kam. Halleluja, Halleluja.“

Unsere Pilgerreise führte uns an die Wirkungsstätten Jesu: Abendmahlssaal, Ölberg, den Originalkreuzweg in der Altstadt von Jerusalem zur Grabes- und Auferstehungskirche. Die Auferstehung feierten wir bei Ordensschwestern aus Iasi im Charles-Hospiz. Die Schwestern sangen als Schlusslied: „Hristos a inviat din morti, cu moarte pe moarte calcind. Si celor din morminturi, viata daruindule“. Die älteste Ordensschwester – sie war über achtzig Jahre alt – offenbarte uns, was ihr im Leben noch wichtig ist: Schuberts Musik und als Untergrund die Gestalt Hiobs, der Gott in seiner Not anklagt und die Botschaft, dass erfahrenes Leid und Glück im Leben eines Menschen nicht gegeneinander aufrechenbar sind. Jedes hat seine Größe für sich, die der Mensch nebeneinander aushalten muss – Leid und Glück. Und diese Lebensspannung finde ich in der Musik Schuberts.

Die Osterliturgie betont die Botschaft von Psalm 139: „Ich bin erstanden und bin immer bei Dir. Du hast deine Hand auf mich gelegt. Wie wunderbar ist für mich dieses Wissen. Halleluja.“ Gott wird für Seine Liebe gepriesen, die uns Menschen von allen Seiten umhüllt, auch im Tod. Diese Liebe hat Er uns vor Augen geführt: In Jesus torkelt er unter der Last des Kreuzes hinauf zur Schädelstätte, hier – wo laut Tradition Adam ruht – wurde er gekreuzigt und hat den tiefsten Schmerzpunkt der Verlassenheit ausgehalten, um alle Menschen aller Zeiten zu erlösen. Er ist in Jesus Christus auferstanden, um zu zeigen, dass nicht Leid und Tod das letzte Wort haben, sondern das Ewige Leben in Ihm.

Wir merken in unserem Leben immer mehr: Wie klein, wie arm, wie einsam und ohnmächtig wir sind, wie empfindlich und verletzlich. Es gibt Tränen und Traurigkeit, die kaum jemand wirklich verstehen und trösten kann. Für viele Menschen ist das Leben eine unerträgliche Qual. Da stellt die Karwoche das Kreuz in den Mittelpunkt, das Zeichen der unbegreiflichen, unlogischen Liebe Gottes.

Nur diese Liebe kann den Menschen mit seiner gelungenen und misslungenen Lebensgeschichte in Würde respektieren und heilen. So kann für uns deutlich werden: Überall, wo Menschen Menschen lieben, in Geduld und Achtsamkeit begleiten, ist Gott am Werk. Wer in der Liebe lebt, ob gläubig oder ungläubig, lebt bewusst oder unbewusst im magnetischen Feld eines Gottes, der Liebe ist.

Wenn Du das Gefühl hast, tot zu sein für jede Freude, für jede Liebe, für jedes Glück, wenn Du nicht mehr an Dich selbst und an die Menschen glauben kannst, dann versuch einmal, all das Trübe, das Giftige, das Finstere in die Versöhnung mit Gott einzubringen. Lass Dir aus der Nacht der Mutlosigkeit und Deiner Lebensmüdigkeit zu einem neuen Ostermorgen verhelfen. Wenn Du an die Auferstehung glaubst und sie mitfeierst, wirst Du niemals hoffnungslos, denn Gott ist immer bei Dir –, Du kannst immer neu anfangen, denn Gott vergibt jedem, der Ihn darum bittet –, Du findest nach der schwärzesten Nacht immer einen leuchtenden Morgen. Wer an die Auferstehung glaubt, vermiest und versauert und vergiftet nicht sein Denken, nicht die Beziehungen zu den Mitmenschen und auch nicht das Leben.

Unser christlicher Glaube ermutigt uns, Gottes Einstellung zu uns weiterzuvermitteln: Gottes Liebe besitzen und praktizieren wir, wenn uns das Leid anderer auffällt und wir zu ihnen hingehen, wenn uns die Einsamkeit, die Angst und Not der Alten und Schwächsten im Herzen berührt und wir Mitleid zeigen. Sei sanft! Tu Dein Bestes, um die Menschen zu begreifen und zu verstehen. Geh zu den Menschen in ihrem Lebenstal und sei nie hart in Deinem Urteil. Der Franziskanerpater Richard Rohr betet so: „Für immer auferstandener Christus, Du hast mich in Dein Geheimnis der Passion, des Todes, des Wartens und des neuen Lebens mit hineingenommen. Lass mich an diesem Osterfest den Weg mit Dir gehen – vom Anfang bis zum Ende. Hilf mir, unserem ewigen Sonntag, dem Ostersonntag, von nun an mehr zu vertrauen als jedem Freitag des Sterbens.“ Am Pesachfest grüßen sich die Juden auch heute noch „Nächstes Jahr in Jerusalem“. Unsere Ostergruppe feierte den Ostersonntag mit einer hl. Messe in Betlehem auf den Hirtenfeldern: Geburt und Auferstehung gehören zusammen.

Frohe, gesegnete Ostern!