Auf dem Jahresorden der Noris Banatoris ist jeweils ein Banater Faschingsbrauch dargestellt. In diesem Jahr wurde als Faschingsmotiv »Das Hohe Gericht« aus dem Banater Winzerdorf Bakowa ausgewählt.
Im Weinbauerndorf Bakowa in der Banater Hecke wurde der Fasching ausgiebig und aufwendig gefeiert. Meist an zwei Tagen. Beim Karneval am Sonntagabend im großen Kulturheimsaal überboten sich Spielgruppen und Einzelteilnehmer förmlich an Einfallsreichtum in der Gestaltung der Kostüme. Am „Letztfasching“ am Dienstag fand der Umzug der Faschingsnarren durch das Dorf statt. An beiden Faschingstagen gab es in den meisten Jahren bis zu zweihundert Mitwirkende.
Der Umzug mit dem Hans-und-Gretl-Wagen durch das Dorf ist die ältere Komponente des Volksbrauches. Unter den Maskierten, Spielgruppen und Reitern auf geschmückten Pferden folgte im Karnevalszug auf der Hauptstraße – gleich hinter dem Wagen mit Hansl und Gretl – das „Hohe Gericht“: der Richter, der Ankläger, der Verteidiger und der Büttel, genannt auch Polizist. An drei oder vier Kreuzungen hielt der Zug; die Maskierten und Reiter nahmen Aufstellung in einem Halbkreis oder Kreis und folgten dem Geschehen des Fastnachtsspiels mit Zurufen, Buhrufen, Weinen und Wehklagen und schließlich mit Jubel. Die Anklage lautete: Hansl und Gretl haben sich unsittlich verhalten, der Jugend ein schlechtes Beispiel gegeben und ihren Familien und dem ganzen Dorf Schande gebracht. Wortreich führt der Verteidiger ihre Jugend und die Liebe als mildernde Umstände ins Treffen. Der Ankläger aber bleibt hart und bauscht die Vergehen immer stärker auf. Das Volk ist entrüstet, böse Zwischenrufe unterbrechen den Prozess, und der Richter muss immer wieder die Ruhe herstellen. Dann erfolgt der Richterspruch: Hansl und Gretl werden für das schwere Vergehen der „wiederholten gegenseitigen Verführung“ zu je zehn Stockhieben, die sofort an Ort und Stelle zu verabbreichen sind, verurteilt, überdies müssen sie danach ins Gefängnis. Unter großem Tumult vollstreckt der Büttel mit einem Stock oder einer „Karbatsch“ (das ist eine kurze, geflochtene Lederpeitsche) das Urteil, bis sich das immer lauter werdende Wehklagen des Publikums zum hellen Aufbegehren gegen die harte Strafe wandelt. Angesichts des kollektiven Protestes und dem herzzerreißenden Flehen um Gnade sieht sich der Richter genötigt, sein Urteil zu revidieren: Gut, Hansl und Gretl müssen nicht ins Gefängnis, aber – Strafe muss sein: Sie müssen einander heiraten! Die Menge bricht in hellen Jubel aus und tanzt um den Hansl-und-Gretl-Wagen. Dann zieht der Faschingszug weiter.
Zum Hansl-und-Gretl-Wagen: Auf der hinteren Achse wird auf ein Wagenrad ohne Kranz und Reifen ein Puppenpaar angebracht; sein Drehen kommt durch das Ineinandergreifen der Speichen des waagerechten Puppenrades in die Speichen des fahrenden Wagens zustande. Am Wagen ist eine unten gegabelte Stange mit zwei weiteren Hansl-und-Gretl-Paaren angebracht. Die Drehung kommt hier durch das Schleifen der seitwärts geneigten Räder auf der Straße zustande. Gewöhnlich wurde nur ein einziges Puppenrad auf der Stange durchs Dorf gezogen, gelegentlich aber, insbesondere zur Freude der Kinder, gleich drei tanzende Räder mit Hansl und Gretl; bestraft wurde das Paar auf dem Wagen.
Ausstattung: Richter und Ankläger trugen Richterroben und eine Art Doktorhüte, der Verteidiger Jacke, Pumphose und Melone oder einen Zylinder, der Büttel eine Uniformmütze, Lederjacke und als Instrument der Vollstreckung einen Stock oder eine kurze Lederpeitsche. Diesen Volksbrauch hat die Universität Temeswar in den siebziger Jahren in einem ethnografischen Film und die Deutsche Sendung des Bukarester Fernsehens in einer umfangreichen Reportage dokumentiert.