Nachruf auf den Komponisten Andreas Porfetye (1927–2011)
Am 8. August verstarb in Düsseldorf nach langer und schwerer Krankheit der aus dem Banat stammende und viele Jahre in Bukarest wirkende Komponist, Pädagoge und Domkapellmeister Andreas Porfetye. Geboren wurde Porfetye im Banater Dorf Saderlach am 6. Juli 1927 und besuchte hier die Volksschule. In der Kriegszeit 1941 bis 1944 besuchte er die Temeswarer Lehrerbildungsanstalt, danach bis 1946 das Evangelische Kirchenseminar im siebenbürgischen Hermannstadt. Andreas Porfetye studierte an der Bukarester Musikhochschule (1948–1954) bei bedeutenden Lehrern wie George Breazul (Theorie, Solfeggien), Paul Constantinescu (Harmonielehre), Leon Klepper (Kontrapunkt, Komposition), Theodor Rogalski (Orchestration), Constantin Bugeanu und Zeno Vancea (Musikgeschichte), Sabin Dragoi und Tiberiu Alexandru (Musikethnologie). In den Jahren 1954–1969 wirkte er als Redakteur der Zeitschrift des rumänischen Komponistenverbandes Muzica und veröffentlichte zahlreiche Artikel in rumänischen und deutschen Publikationen des Landes. Zwischen 1969 und 1975 war er Dozent für Harmonielehre, Kontrapunkt und Orchestration an der Bukarester Musikhochschule. Wegen seines Auswanderungsantrags in die Bundesrepublik Deutschland wurde er aus der Hochschule entlassen, seine Mitgliedschaft im Rumänischen Komponistenverband gestrichen und über das Aufführungsverbot seiner Werke in Rumänien verfügt. Um seine Familie erhalten zu können, erteilte er nun Privatunterricht. Nach seiner Aussiedlung wirkte er als Lehrer für Theorie, Harmonielehre, Kontrapunkt und Klavier an der Clara-Schumann-Musikschule in Düsseldorf. Hier gründete er 1979 das Collegium musicum Transsylvania, mit dem er sich um die Aufführung von Werken deutscher Komponisten aus Siebenbürgen und dem Banat bemüht hat. Im Jahre 1981 bekam er einen Lehrauftrag für Komposition an der Musikhochschule Mannheim-Heidelberg.
Besonders die Tätigkeit als Domkapellmeister an der Bukarester Sankt-Josefs-Kathedrale in den Jahren 1963–1977 hat ihn sehr erfüllt. Hier hatte er die Möglichkeit, wichtige geistliche Werke der Musikliteratur aufzuführen, von den bedeutenden Passionen und Oratorien Bachs und Händels bis hin zu den großen Messen Beethovens, Gounods und Schuberts, dem Te Deum Bruckners oder dem Deutschen Requiem von Johannes Brahms. Jeden Sonntag leitete er den Domchor, der mit guten Stimmen bestückt war und an der Orgel vom Priester und Organisten Josef Gerstenengst und in den Jahren 1974–1978 vom damaligen Orgelstudenten Franz Metz begleitet wurde. Mit diesem Chor, der damals noch auch aus mehreren deutschen Gemeindemitgliedern bestand, machte Porfetye in diesen politisch schwierigen Zeiten auch Ausfahrten, so ins Banat (1973) oder in katholische Kirchen der Bukarester Erzdiözese. Oft wirkte er mit seinem Chor auch in der benachbarten evangelisch-lutherischen Kirche. Die Tätigkeit als Domkapellmeister geschah eigentlich so nebenbei und wurde von den staatlichen Stellen nur deshalb geduldet, weil die Sonntagsgottesdienste der hauptstädtischen Kathedralkirche von zahlreichen Mitgliedern der ausländischen Botschaften besucht wurden und deshalb ein bestimmtes musikalisches Niveau haben sollten, um die anscheinend religiöse Freiheit im damaligen kommunistischen Rumänien vortäuschen zu können. Nachdem er 1975 als Hochschullehrer entlassen wurde, blieb ihm bis zu seiner Ausreise nach dem großen Erdbeben im Jahre 1977 nur noch die Tätigkeit als Domkapellmeister. Für sein umfangreiches musikalisches Schaffen erhielt Porfetye bereits 1968 den George-Enescu-Preis der Rumänischen Akademie, 1969 einen staatlichen Kulturorden und 1971 den Preis des Rumänischen Komponistenverbandes. Auch 1974 wurde er für seine Dritte Symphonie mit diesem Preis ausgezeichnet. Zu seinen fast hundert Kompositionen zählen vier große Symphonien und seine großen Konzerte für Violine und Orchester (1966) und Orgel und Orchester (1962, 1967). Einige seiner Werke sind im Verlag des Rumänischen Komponistenverbandes erschienen, andere bei Breitkopf & Härtel in Wiesbaden. Besonders um neue Orgelmusik hat sich Porfetye intensiv bemüht. Nach der Gründung der Bukarester Orgelklasse an der Musikhochschule durch den Organisten Helmut Plattner entstanden so einige Werke, wie die Passacaglia und Fuge (1955), Toccata, Choral und Fuge (1957), I. Sonate (1960), das Orgelkonzert, die Toccata (1966), die II. Sonate (1967), die große „Fantasia super BACH et Lamentatio Jeremiae Prophetae“ (1968) und die Sonate für Cello und Orgel. Im Jahre 1977 entstanden seine 16 Choralverwandlungen für die Orgel nach gregorianischen Gesängen und deutschen Chorälen.
Besonders zahlreich sind seine Lieder und Duette nach Texten von Hermann Claudius, Josef Weinheber, Irene und Hans Mokka, Klaus Kessler, Astrid Konnerth, Alfred Margul Sperber, Nicolae Labis, Rainer Maria Rilke, Ana Blandiana, Wolf von Aichelburg, Fridolin Aichner und Annemarie in der Au. Zu seinen geistlichen Werken zählen zwei Messen (Missa Solemnis 1975, Missa Brevis 1979), drei geistliche Lieder mit Instrumentalbegleitung und das Ave Maria. Einige seiner Kammermusikwerke sind nach 1977 in Deutschland erschienen. Zu seinen letzten Kompositionen zählen „Chiromatie“ für Altsolo und Orchester nach Texten von Wolf von Aichelburg, die Suite „Heiteres Spiel“ für Streichorchester und „Der Sommer geht“ nach Hans Dipplich.
Porfetye beschäftigte sich bereits Ende der sechziger Jahre mit der Edition von Werken des siebenbürgischen Komponisten und Organisten Daniel Croner, die im Verlag Breitkopf & Härtel in Wiesbaden in drei Bänden herausgegeben wurden. Auch weitere Werke siebenbürgischer Komponisten wurden von ihm bearbeitet und herausgegeben, so die von Sartorius, Polder und M. Fay. Als Musikwissenschaftler veröffentlichte er 1964 zwei größere Arbeiten über Paul Hindemith und Tudor Ciortea in der Zeitschrift Muzica.
Im Jahre 1971 gelang es ihm zum ersten Mal im damals kommunistischen Rumänien, eine Chorsammlung deutscher Komponisten des Landes herauszugeben: „Deutsches Liedgut aus dem Banat, Siebenbürgen und dem Sathmarer Land“ (Chorbuch). Im Vorwort dieses im Verlag des Rumänischen Komponistenverbandes veröffentlichten Chorbuches schreibt Porfetye: „In der vorliegenden Liedsammlung wurde zum ersten Mal in unserem Land der Versuch unternommen, deutsches Liedgut aus allen drei Siedlungsgebieten – aus Siebenbürgen, aus dem Banat und dem Sathmarer Land – zusammenzutragen und dieses mit leicht ausführbaren Chorsätzen zu versehen.“ Dafür konnte er viele Komponisten, Musiklehrer und Chorleiter gewinnen: Franz Xaver Dressler, Hans Weisz, Wilhelm Georg Berger, Emerich Bartzer, Mathias Schork, Walter Michael Klepper, Karl Fisi, Ernst Irtel, Franz Stürmer, Andreas Bretz, Norbert Petri, Hans Mild u.v.a. Das Buch wurde ein großer Erfolg und fand bei den damals noch zahlreichen deutschen Chören des Landes gute Aufnahme. Auch bei der Herausgabe des Banater Chorbuches 1997 in München stand er mit Rat und Tat dem Herausgeber zur Seite und lieferte selbst einige Chöre nach Volksliedern wie auch nach Texten Nikolaus Lenaus. Der Name Andreas Porfetyes erscheint auf dem Gründungsprotokoll einer Gruppe von siebenbürgischen und Banater Musikern, die sich am 6. Oktober 1984 im Schloss Horneck in Gundelsheim trafen, um die Weichen für die Gründung des Arbeitskreises Südost, der späteren Gesellschaft für Deutsche Musikkultur im südöstlichen Europa, München, zu stellen. Im ersten Punkt der Bestimmungen dieses Protokolls heißt es: „In Verantwortung für das musikalische Erbe der deutschen Sprachinseln im ost- und südosteuropäischen Raum gründen die Anwesenden den Arbeitskreis Südostdeutsche Musik. Die Erhaltung und Pflege des überlieferten musikalischen Kulturgutes, Förderung der schöpferisch tätigen Kräfte, Veranstaltung von Sing- und Musizierwochen, Sammlung, Erarbeitung und Herausgabe geeigneten Materials und wissenschaftliche Forschung über die musikalischen Leistungen dieser Landschaft wird bestätigt.“ Andreas Porfetye leistete demnach einen erheblichen Beitrag zu diesem ersten Schritt in der Aufarbeitung der Musikkultur der deutschen Aussiedler aus Rumänien in Deutschland. Er blieb auch nach seiner Ausreise stets mit vielen Musikern seines ehemaligen Wirkungsfeldes in Bukarest verbunden und verfolgte mit wachem Interesse die Entwicklungen auf diesem Gebiet. Für sein unermüdliches Wirken sind wir ihm zu Dank verpflichtet.