»Spiegelungen«, Zeitschrift für deutsche Kultur und Geschichte Südosteuropas, Jahrgang 2011, Heft 2
Wollten Rumäniens Kommunisten im Zuge des Zweiten Weltkrieges die Banater Schwaben und die Siebenbürger Sachsen vertreiben, wie das beispielsweise in Bezug auf die dortigen Deutschen in der Tschechoslowakei oder in Polen geschehen war? Die Parteipropaganda hatte bis vor der politischen Wende die Position der KPR deutlich anders präsentiert, als es sich nun im Lichte bislang unter Verschluss gehaltener Dokumente darstellt. So hatte Parteichef Nicolae Ceausescu im Februar 1971 in einer Versammlung des offiziösen Rates der Werktätigen deutscher Nationalität gar behauptet, für die kommunistische Partei Rumäniens sei es „eine Ehre, niemals und unter keiner Bedingung daran gedacht zu haben, die Bevölkerung deutscher Nationalität aus Rumänien auszusiedeln“. In einem enthüllenden Beitrag, den die Münchner Vierteljahresschrift Spiegelungen in ihrem Heft 2/2011 veröffentlicht, hat sich die auf zeitgeschichtliche Fragen spezialisierte Journalistin Hannelore Baier (Hermannstadt/Sibiu), Mitarbeiterin der Allgemeinen deutschen Zeitung für Rumänien, des brisanten Themas angenommen und aufgrund teils noch nicht ausgewerteter Archivbelege nachgewiesen, was die wahre Einstellung der kommunistischen Politiker Rumäniens der deutschen Minderheit gegenüber gewesen ist, die sie pauschal der Kollaboration mit den Nationalsozialisten bezichtigten. „Wir möchten sie ausweisen“, äußerte Gheorghe Gheorghiu-Dej, der damalige Generalsekretär der RKP, in einem Kreml-Gespräch Anfang April 1946. Obwohl Stalin deutlich machte, dass zu diesem Zeitpunkt, nach Beendigung des Krieges, eine Vertreibung dieser Gruppe nicht erwünscht sei, hofften die kommunistischen Führer noch bis im August des gleichen Jahres auf diese für sie „beste Lösung“ (Vasile Luca) der deutschen Frage durch Ausweisung. Wie unmittelbar danach in Rumänien die stalinsche Nationalitätenpolitik durchgesetzt wurde, zeigt die Autorin u. a. durch Auswertung eines Berichtes des US-amerikanischen Generals Cortland Van Rensselaer Schuyler, des Leiters der militärischen Mission der USA in der Alliierten Kontrollkommission in Rumänien, der nach einer Reise durch das Banat am 21. August 1945 eingehend die Lage der dortigen deutschen Minderheit beurteilt. Dieser Bericht und weitere Dokumente sind in Spiegelungen als Faksimiles abgedruckt. Erkennbar wird aus dem Beitrag zudem, dass auch die bürgerliche Nationale Bauernpartei (PNT) in einer geplanten Evakuierung der Deutschen durch die Reichsregierung eine willkommene Lösung der deutschen Frage erblickte, ebenso die Sozialdemokraten, deren Vorsitzender Constantin Titel-Petrescu diesbezüglich äußerte: „Wir müssen von diesem historischen Moment profitieren.“
Zeitgeschichte und Kulturgeschichte in einem bietet der Beitrag, den der wissenschaftliche Bibliothekar Dr. Karl Klaus Walther (Bamberg) über den Buchhändler Hellmut Seraphin (1892–1980) verfasste, der, aus Hermannstadt stammend, Bamberg zu seiner bleibenden Wirkungsstätte machte und, pazifistisch orientiert, auch in der Zeit des Dritten Reiches zu seinen Überzeugungen stand. Von Stefan Teppert ist als Textprobe aus dem IKGS-Autorenlexikon der Artikel über den verdienstvollen Banater Buchhändler, Verleger und Buchautor Franz Wettel (1854–1938) zu lesen.
Für die von ihm redigierte Rubrik „Literarische Texte“ hat Peter Motzan diesmal eine Prosa („Im Russenhaus“) von Richard Wagner ausgewählt, dazu Lyrik der derzeit in Mainz lebenden, deutschschreibenden Ukrainerin Marjana Gaponenko, geb. 1981, und Gedichte von Ioan Radu Vacaresu, die Joachim Wittstock aus dem Rumänischen übertrug. In seiner Studie „Überraschung (Unberechenbarkeit) und Provokation als poetische Maximen“ stellt der Literaturwissenschaftler Prof. em. Dr. Volker Hoffmann (München) Gemeinsamkeiten der Poetik und Lyrik Franz Hodjaks (geb. 1944 in Hermannstadt) und Paul Wührs (geb. 1927 in München) heraus. Die Idee des modernen Fortwirkens der Genieästhetik des Sturm und Drang, die „Normabweichung auf allen denkbaren Ebenen“ intendierte, liegt der erhellende Einsichten bietenden Untersuchung zugrunde. Bekenntnis über sein künstlerisches Wollen und Wirken, seine Herkunft aus Siebenbürgen, legt der achtzig-jährige Zeichner, Illustrator und Maler Helmut von Arz im Gespräch mit Konrad Klein ab. Neben Bildreproduktionen werden von ihm auch bislang unveröffentlichte Epigramme abgedruckt. Toskanische Eindrücke dreier befreundeter Banater im Sommer 2000, verquickt mit Rückblenden in die Gegend ihrer Herkunft, evoziert Franz Heinz in seinem Reiseessay Oliven aus Montignoso. Die feinsinnigen Aufzeichnungen sind gleichzeitig Blätter der Erinnerung an Heinrich Lauer (1934–2010), der damals noch dabei war, und an den Gastgeber, den Bildhauer Walter Andreas Kirchner, der im April 2011 seinen 70. Geburtstag beging. Weitere Jubilare, die die Zeitschrift würdigt, sind der Germanist Dr. Helmut Kelp (80), der Metallbildhauer Dr. Ingo Glass (70), der karpatendeutsche Lexikograf Paul Tischler (65) sowie der Schriftsteller und Publizist William Totok (60). Nachrufe sind Dr. Paula Tiefenthaler (1918–2011), der langjährigen Vorsitzenden und Ehrenvorsitzenden der Landsmannschaft der Buchenlanddeutschen, und dem Münchner Versandantiquar Mario Brändel (1959–2011) gewidmet, dessen Spezialgebiete Osteuropa, Rumänien und die rumäniendeutsche Literatur waren.
Der Rezensionsteil beurteilt Neuerscheinungen auf dem Gebiet der Literatur und Literaturgeschichte, der Zeit- und Pressegeschichte, der Stadtgeschichte etc. Im „Forum“ geht es um den zeitgenössischen rumänischen Film. Bei einem Seminar in Bad Kissingen wurden, wie Albert Weber berichtet, auch Spielfilme gezeigt, die rumäniendeutsche Erfahrungswelten einbringen.
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