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»Erbe aus bestem Schrot und Korn«

Der ältere Teil der Ulmer Wengenkirche.

Als origineller und anspruchsvoller Kontrapunkt zu den vielfältigen Veranstaltungen des diesjährigen Heimattages kann das Konzert "Dreihundert Jahre Kirchenmusik der Banater Schwaben" in der Ulmer Wengenkirche gesehen werden. Dabei handelt es sich um ein besonderes Konzert wegen des Repertoires und der Örtlichkeit, an der es stattfand. Die Kirche Sankt Michael zu den Wengen – auch Wengenkirche genannt – ist eine römisch-katholische Stadtpfarrkirche in der Ulmer Altstadt, die aus dem historischen Wengenkloster hervorging. Die Kirche gehörte ursprünglich zum Ulmer Konvent der Augustiner-Chorherren und hat eine lange und bewegte Geschichte hinter sich. Dieses Gotteshaus spielte für die Auswanderer im 18. Jahrhundert eine besondere Rolle. Hier haben unzählige Auswanderungswillige vor dem Besteigen der „Ordinari-Schiffe“ den Bund der Ehe geschlossen, hier wurden vor der Abreise auch viele Kinder getauft, und letztendlich erflehten die Auswanderer in dieser Kirche den Segen Gottes für ihr Wagnis, im Südosten eine neue Existenz gründen zu wollen.

In seinen einleitenden Worten zum Konzert „300 Jahre Kirchenmusik der Banater Schwaben“ wies der Musikwissenschaftler Dr. Franz Metz auf die reiche Kirchenmusiktradition der Donauschwaben hin und besonders auf repräsentative Werke mehrerer aus dem Banat stammender oder dort einst tätiger Komponisten und Kantoren. Die Banater Kirchenmusik ist Teil des geistigen Erbes, das zu erforschen und zu erhalten eine Verpflichtung für alle Kulturschaffenden sein sollte. Dr. Franz Metz, der sich dieses Kapitels europäischer Musikgeschichte in besonderer Weise verschrieben hat, verdeutlichte sein Credo mit den Worten des ehemaligen Banater Bischofs Sebastian Kräuter aus dem Jahre 1995: „Es ist deutsches Erbe aus bestem Schrot und Korn, ein Stück Tradition, aus der Urheimat mitgebracht, treu bewahrt und vermehrt, das nun mehr und mehr in sein ursprüngliches Bett zurückfließt.“

Das Konzert wurde mit dem „Gerhardslied“ in der stimmgewaltigen Interpretation von Wilfried Michl (Bariton) eröffnet. Dieses Musikstück von Hans Weiss (Text: Dr. Franz Kräuter) entstand 1946, in einer schicksalhaften Zeit, als sich zehntausende Banater Schwaben in der Deportation befanden. Ihr Glaube und die Verbundenheit mit der Kirche spendete ihnen Kraft, diese schwere Zeit zu überstehen. In diesem Zusammenhang hat es mit der Verehrung des heiligen Gerhard, des Schutzpatrons der Banater Diözese, eine besondere Bewandtnis.

Aus dem Schaffen des Wiener Komponisten Franz Limmer, der 1845 zum Domkapellmeister in Temeswar ernannt wurde und in der Banater Hauptstadt eine reiche Tätigkeit als Chorleiter und Opernregisseur entfaltete, wurde „Justus ut palma florebit“ ins Programm des Ulmer Konzertes aufgenommen. Es handelt sich um ein Offertorium für Solo und konzertante Violine. Von Johann Michael Haydn, von dem entscheidende Impulse für die südosteuropäische Kirchenmusik ausgingen – er wirkte unter anderem als Domkapellmeister in Großwardein –, erklang das „Christe eleison“ aus seiner Trinitatismesse. Die Stücke „Herz Jesu“ und „Sey Lob Dir“ von Richard Waldemar Oschanitzky standen für die Banater Kirchenmusik der Gegenwart. Als richtige musikalische Kleinode entpuppten sich die von Franz Metz an der Orgel interpretierten Präludien aus dem „Lovriner Orgelheft“ (1795) und das „Laudate Dominum“ des im 19. Jahrhundert in Neuarad wirkenden Kantors Anton Leopold Herrmann.  Mit der brillanten Interpretation der Stücke gelang es den Künstlern, die Konzertbesucher an der Bergung eines einmaligen Musikschatzes teilhaben zu lassen und ihnen gleichzeitig einen unvergesslichen Abend zu bereiten.

Die Sänger und Instrumentalisten sind bereits bei verschiedenen Veranstaltungen der Landsmannschaft aufgetreten und vielen Banater Musikliebhabern bekannt. Die Sopranistin Leonore Laabs hat als Opern- und Konzertsängerin in München beachtliche Erfolge gefeiert und trat auch bei verschiedenen internationalen Musikfestivals auf. Liederabende, Kirchen-konzerte und Beiträge zur Entwicklung neuer Formen des Musiktheaters ergänzen den Wirkungskreis der Sängerin. Elena Vorobieva schloss ihr in Moskau begonnenes Musikstudium in München ab in den Fächern Diplom-Konzert- und Opernsängerin. Bislang war sie als Solistin in Konzerten im In- und Ausland zu hören. Auch wirkte sie zusammen mit Leonore Laabs und Wilfried Michl als Solistin bei der Aufführung von Messen zusammen mit dem Banater Chor München und dem Kirchenchor Sankt Pius mit. Adrian Sandu (Tenor) setzte sein in Klausenburg begonnenes Gesangsstudium  am Richard-Strauss-Konservatorium in München fort. Seine größten Erfolge erzielte der Sänger mit seinen Opernrollen bei zahlreichen Auftritten im In- und Ausland. Seit einigen Jahren ist Adrian Sandu am Münchner Gärtnerplatztheater tätig. Der aus dem Banat stammende Bariton-Sänger Wilfried Michl studierte an der Münchner Musikhochschule Gesang und Operndarstellung. Nach einer Karriere als Opernsänger nahm er eine Lehrtätigkeit als Musikpädagoge auf, der er sich bis heute widmet. Seit Jahren komponiert er auch Musicals für Jugendliche, die vornehmlich unter seiner Leitung aufgeführt werden. Der aus Temeswar stammende Violonist Karl Wilhelm Agatsy studierte an der Musikhochschule Detmold und wirkte anschließend als Musikpädagoge in Bochum. Seit 1983 ist er in der Sing- und Musikschule München tätig. Agatsy ist vielen unserer Landsleute bekannt durch sein Mitwirken an Kirchenkonzerten und Aufführungen mit Vokal- und Instrumentalwerken Banater Komponisten.

Die Regie des Kirchenkonzerts zum diesjährigen Heimattag hatte der Musikwissenschaftler und Organist Dr. Franz Metz inne. Ein von ihm bevorzugtes Forschungsgebiet ist die Musikgeschichte und die Kirchenmusik Südosteuropas. Neben Buchveröffentlichungen über Musikwerke südosteuropäischer Komponisten und die Kirchenmusik der Donauschwaben hat Dr. Metz bereits mehrere einschlägige Konzerte organisiert und ist zusammen mit den genannten Künstlern bei verschiedenen Veranstaltungen aufgetreten, als Interpret (Orgel und Klavier) wie auch als Referent. Seit 2000 wirkt er als Kirchenmusiker in München (Sankt Pius). Das Konzert wurde von der Landsmannschaft der Banater Schwaben zusammen mit dem Gerhardsforum Banater Schwaben, der Gesellschaft für deutsche Musikkultur im südöstlichen Europa und der Kirchengemeinde Stankt Michael zu den Wengen in Ulm organisiert. Eine stimmungsvolle Ergänzung stellten die von Pfarrer Robert Dürbach zwischen den einzelnen Musikstücken vorgetragenen Texte dar. Es handelte sich um Fragmente aus dem literarischen Schaffen von Adam Müller-Guttenbrunn, um Textpassagen mit Bezug auf das religiöse Leben der Banater Schwaben.